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Einladungswettbewerb | 08/2012

Faktor X – Ressourceneffizientes Bauen und Wohnen

3. Preis

REICHER HAASE ASSOZIIERTE GmbH

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Daniel Bläser

Energieplanung

Erläuterungstext

VORWORT
Think global – act local. Zentrales Element dieses Gedankens ist die Einsicht, dass alles Handeln auf lokaler Ebene eine Auswirkung auf das globale Ganze hat. Impliziert ist damit auch eine persönliche Verantwortung, welche direkt zu der Frage führt wie eben dieses Handeln aussehen könnte. Hieraus erwächst die Erkenntnis, dass Planer und Architekten mit ihrem Einfluss auf die gebaute Umwelt eine entscheidende Rolle und eine wichtige Schaltstelle in Bezug darauf besetzen, wie wir mit Architektur und Materialität aber auch Ressourceneffizienz umgehen. Ein zentrales Element moderner Energie-konzeption ist die Fähigkeit von Systemen in sich selbst zu funktionieren und geschlossene Kreisläufe zu bilden. Auch im Wettbewerb um nachhaltige Quartiere, Einwohner und Investitionen ist dies ein Alleinstellungsmerkmal und ein Garant für eine nachhaltige Siedlungskonzeption.

In Folge des wachsenden Wohlstandes unserer Gesellschaft wächst auch unser Bedarf an Ressourcen welche wir metabolisieren. Diese Ressourcen setzen wir maßgeblich in die Produktion von Gütern und Energie um. Am Ende bleiben in den allermeisten Prozessen große Mengen von Abfallstoffe übrig. Bestimmte Ressourcen aber sind nur begrenzt verfügbar und die Endlichkeit dieser Rohstoffe macht uns klar, dass wir mit ihnen behutsam umgehen und sie nur koordiniert zum Einsatz bringen dürfen. Alternativ müssen regenerative Medien genutzt oder Prozesse derartig verändert werden, dass ihr Ressourcenverbrauch und ihre Umweltwirkung möglichst gering bleiben.

Entscheidungen über Zielvorgaben im Bereich Ressourcen- und Energieeffizienz, und damit auch zum Umwelt- und Klimaschutz, werden vielfach auf internationaler oder nationaler Ebene gefasst, fest steht aber, dass ein ambitionierter Klimaschutz nicht ohne den Beitrag der Stadtgesellschaft funktionieren kann. Im Vorfeld von Rio 20+ wurde vielfach über die Wirkung von Programmen, Strategien und Steuerungsansätzen hin zum nachhaltigen Handeln diskutiert. Die Zukunft der globalen Nachhaltig-keitspolitik stand dabei im Fokus. Die Forderung nach der Aufstellung globaler Sustainable Develop-ment Goals (SDG) wurde, neben einer Vielzahl an anderen Forderungen, gerade im Vorlauf zur Konfe-renz laut. Im Nachgang der Veranstaltung bleibt allerdings die Erkenntnis, dass wir nicht weiter ge-kommen sind und eventuell sogar Rückschritte gemacht haben.

Wir müssen immer mehr feststellen, dass die international, strategische Ausrichtung auf politische Ebenen zum nachhaltigen Handeln nicht die geeignete Herangehensweise ist um notwendige Effi-zienzprozesse anzuregen. Heute ergeben sich Chancen für einen klimaverträglichen Städtebau, wel-cher neben der Einbindung effizienter Technologien auch der partizipative Mitwirkung der Stadtgesell-schaft an staatlichen Aktivitäten in eine netzwerkorientierte, kommunikative Planungskultur einbinden und zivilgesellschaftliches Engagement vorantreiben kann. Wirtschafts-, Bau- und Gesellschaftssyste-me müssen in Zukunft mehr aus der Sicht des Menschen und seiner Bedürfnisse gedacht werden. Die Verantwortung jedes Einzelnen muss es sein, nicht nur den Weg des Konsumenten zu gehen, sondern auch seine Rolle als Produzent wahrzunehmen. Schon jetzt sind die Träger der Energiewende die privaten Haushalte. Mit über 50% aller Anlagen im Bereich erneuerbarer Energien (vgl. trend:reserch 2011) treiben die sogenannten „prosumer“ den Umbau hin zu einem nachhaltigen und umweltschonenden Energiesystem voran.

Der MENSCH hat seine Rolle in der Energiewende bereits erkannt und die Herausforderung ange-nommen. Nun gilt es diesen FAKTOR im Sinne des Nachhaltigkeitsgedankens zu emanzipieren und die Vermittlung von ABILITY zum Grundsatz der aktuellen Stadtplanung zu machen. Nur über die Integra-tion des Aspektes Glück (Happiness) kann eine ganzheitliche Entwicklung des Faktors Mensch gelingen.

RESSOURCENEFFIZIENZ
Mit der Siedlung in Eschweiler-Dürwiß wird ein eigenes Öko-Kreislauf-Modell mit einem integrierten Konzept für Energie, Abfall und Abwasser entwickelt. Ziel ist es, eine Siedlungskonzeption auf der Basis einer nachhaltigen Ressourcennutzung zu schaffen, welches den Energieverbrauch und das Abfallaufkommen minimiert und gleichzeitig die Verwertung von Stoffen und damit die Produktion von Energie, aber auch die Maximierung von Recycling vorsieht. Die vier Aspekte PRODUCE | REDUCE | RE-USE | RECYCLE sollen dabei nicht nur unter der Maßgabe der Unterschreitung technischer Grenzwerte, sondern auch vor dem Hintergrund einer Maximierung des menschlichen Glücks und Wohlbefindens angestrebt werden. Anders als bei anderen Energie- und Stoffstromdesigns wird hier allerdings kein absolut starres System vorgegeben. Um die Identifikation des MENSCHEN mit dem System und der Technik zu jedem Zeitpunkt zu maximieren wird die Auswahl einzelner Systemkomponenten offen gehaltet. Hierzu werden im Vorlauf verschiedene Varianten zur Disposition gestellt und deren Umweltwirkung und Effizienz gegeneinander in Zusammenhang mit Flächenverbrauch, Materialieneffizienz und Gemeinschaftsnutzen abgewogen.

Das Konzept lehnt sich an die Grundsätze der Abfallkreislaufwirtschaft (reduce, reuse, recycle) und den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen, erweitert diese dabei aber um eine Komponente (produce). Damit hinterfragt das Konzept den Umgang mit den Ressourcen Baustoff, Architektur und Mensch. Nach dem 3-R Prinzip ist der jeweils geringste Eingriff der effizienteste. Dabei steht Vermeidung an erster Stelle, danach die möglichst direkte Weiterverwendung und dann erst die materielle Umformung durch Recycling. Anhand dieser Logik lässt sich auch der Zusammenhang mit dem Bereich Gebäude herstellen. Je geringer der energetische Aufwand für die Konstruktion der Baukörper und technischen Anlagen, umso besser ist der Prozess im Sinne der Ressourceneffizienz ausgerichtet. In der vorliegenden Konzeption wird darüber hinaus auch der Faktor Mensch (X) betrachtet. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Mensch (A) im Umgang mit den Anlagen der technischen Versorgung der Siedlung vertraut gemacht werden muss, um hieraus (B) eine Leidenschaft zu entwickeln seine Versorgung (produce) aus eigenem Antrieb zu sichern. Hierbei ist nicht maßgeblich für welches System er sich entscheidet, sondern dass er sich zur bewussten Produktion von Energie zum Wohle der Allgemeinheit festlegt.

TECHNIK + KONSTRUKTION + TEILHABE:
Im Mittelpunkt des Konzeptes steht die Versorgung der Siedlung mit Elektrizität, Raumwärme, Kühlung und Warmwasser in einem möglichst geschlossenen System. Das Siedlungskonzept ist auf das Ziel der Selbstversorgung ausgerichtet. Leben von den Ressourcen des Ortes ist dabei von Anfang an mitgedacht worden. Dabei sammeln sich die einzelnen Elemente des Konzeptes um die Komponenten: geringe Energieverlustfläche und Bodenversiegelung (kompakte Bauweise), die Wahl der Konstruktion und der Baustoffe nach der Maxime REDUCE | RE-USE | RECYCLE, die Optimierung des Wärme-dämmstandards und der Art der Beheizung sowie die Entscheidung über eine Wärmeversorgung mit einer günstigen Primärenergiebilanz und den Einsatz regenerativer Energien.

Kernstück des Konzeptes ist ein dezentrales Abwasserreinigungssystem kombiniert mit einer zentralen KWK-Systemlösung. Der Einsatz der regenerativen Energien bietet die Chance die Siedlung res-sourceneffizient mit Wasser und Energie zu versorgen. Aufgabe der eingesetzten Abwasserreinigungs-technologie soll es sein, Stoffkreisläufe geschlossen zu halten. So entsteht in diesem System nur ein geringer Teil an Abfallstoffen, indem Inhaltsstoffe des Abwassers zu Wertstoffen wie Biogas (Methan) und Dünger umgewandelt werden. Die KWK-Anlage besteht aus einem zentralen Biogas-Element, wel-ches von der Wasseraufbereitung gespeist wird und die Siedlung mit Strom und Wärme versorgt. Die Energiezentrale hat eine elektrische Leistung von ca. 18KW und eine thermische Leistung von 40KW (200KW Leistung). In den kalten Wintermonaten agiert ein Spitzenlastkessel, welcher mit einer Pellet-befeuerung ausgestattet ist, als Zusatzbrenner. Darüber hinaus speist eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des Gemeinschaftshauses zusätzliche Energie in das Energiesystem. Zusammen mit dem Photovoltaik-Car-Port liefert die Anlage Strom für 4 Elektromobile, welche den Energiespeicher im Inselnetz darstellen. Zusätzliche Speicherbatterien fangen die Energie auf, wenn die Autos nicht im System sind. Durch eine intelligente Steuerung kann die Energie bedarfsweise zugeleitet und abgeführt werden. Hierdurch können besondere Verbräuche, wie zum Beispiel der Betrieb der Kläranlage, dann in Betrieb gesetzt werden, wenn nicht aller Strom direkt aus dem Netz gezogen wird. Ein intelligentes Energiemanagementsystem übernimmt dabei die Energieverteilung und Speicherung.
Bei der Konstruktion der baulichen Anlagen und der Auswahl der Baumaterialien wurde ein besonde-res Augenmerk auf die Verwendung gesunder und ressourceneffizienter Baustoffe gerichtet. Es kom-men recycelte Stoffe zum Einsatz. Ziel ist es, im Vorfeld nach Kriterien wie ökologischer Güte und Umweltwirkung, bestimmte Materialien in der Architektur zu definieren, welche während des gesamten Bauprozesses im Rahmen einer ökologischen Qualitätsprüfung kontrolliert werden können. Die Gebäude werden in teilvorgefertigter Holzrahmenbauweise aus regionaler Produktion erstellt. Die hinterlüftete Fassade wird ebenfalls aus Holz erstellt. Dabei ist die Konstruktion nicht nur eine Frage der Technik sondern auch der Haltung. Dem verantwortungsvollen und nachhaltigen Umgang mit Energie und Ressourcen wird eine Schlüsselrolle zugeordnet.
Die Nachhaltigkeit in der Architektur der Gebäude beschränkt sich nicht bloß auf die Energieeffizienz, auch wenn diese eine tragende Rolle spielt. Es wäre falsch, diese isoliert zu betrachten. Die Gebäude der Siedlung in Eschweiler-Dürwiß erfüllen die Anforderungen an die Minimierung des CO2-Ausstoßes indem sie im Passivhausstandard errichtet werden. Der Jahresheizwärmebedarf erreicht maximal 15 kWh/m²a. Durch die kompakte Bauweise überschreiten die Gebäude einen Endenergiebedarf von 50kWh/m2a nicht.

Die soziale Komponente der Architektur formt sich über die Partizipation der zukünftigen Bewohner und die Kommunikation der Maßnahmen der Planung welche dem Prozess immanent sind. Eine ge-meinschaftliche Findung der Nachbarschaft trägt hier zur Akzeptanzbildung in der Erstellung des Quartiers bei. Die Gemeinschaft spielt im Architekturkonzept auch eine zentrale Rolle. So wird über eine möglichst hohe Dichte mit niedrigen Gebäuden (maximal 3 geschossig) der soziale Zusammenhalt der Bewohner und die Identifikation mit dem Quartier gestärkt. Ähnlich der Architektur können die Bewohner ihr Setting für die Anlagentechnik selbst justieren. So bilden sich innerhalb der Siedlung verschiedene Cluster heraus, welche die Grundtechnologie des BHKW um Anlagen der Wärme- und Stromproduktion ergänzen und jedem Cluster eine individuelle Ausformung geben.

MOBILITÄT
Die Betrachtung des Ressourcenverbrauchs der Siedlung bezieht auch den Aspekt der Mobilität – auf technischer und Verhaltensebene – mit ein. Vier Elektromobile ermöglichen die Mobilität der Bewohner für Alltagswege im Flotten/Sharing Betrieb. Hierdurch ist es möglich auf ein eigenes Auto zu verzichten. Jedes Solarcarport mit einem Gesamtertrag von 67.000 kWh ermöglicht bei 10 kWh auf 100km eine Fahrleistung von ca. 15.000 km pro Jahr. Als Speichermedium für das Siedlungsnetz erfolgt zusätzlich die Integration eines Energiespeichers.
Weiterer Teil des Mobilitätshubs sind die Pedelecs, die ebenfalls allen Bewohnern des Quartiers zur Verfügung stehen.
Das Mobilitätskonzept schränkt den Komfort und die Mobilität der Bewohner nicht ein. Durch die Angebote wird ein Bewusstsein über das Mobilitätsverhalten und den Umgang mit Mobilitätsressourcen erzeugt, das zu einer Reduktion von privaten Stellplätzen führt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf bietet in der städtebaulichen T-Struktur eine sinnvolle Öffnung nach Osten zum Ortsteil Dürwiß. Es werden drei Hofbebauungen sowie Stadthäuser und Geschosswohnungen mit unterschiedlichem, flexiblem Angebot an Wohnformen vorgeschlagen, welches vom Geschossbau bis zum Einfamilienhaus verschiedene Strukturen anbieten kann. Der zentrale Platz bildet einen gut nutzbaren Blockinnenraum. Angeschlossen sind klar strukturierte und differenzierte Flächen im öffentlichen Raum sowie für die privaten Gärten, die gemeinsamen Nutzgärten und die Höfe. Die gesamte Erschließungsstruktur erscheint gut organisiert und sinnvoll an die Umgebung angebunden. Nord-Süd-Schleichverkehre werden dabei durch eine Treppenanlage geschickt vermieden. Die drei Hofbereiche erscheinen allerdings für Notfall-Anfahrten und Anlieferung zu eng. Die ausreichende Tageslichtversorgung vor allem der Erdgeschossbereiche wird angezweifelt. Der zentrale Platz mit dem Gemeinschaftshaus und dem Café ist richtig angeordnet und kann als angemessen kleine Fläche das Quartier gut beleben. Die Hofhäuser sind sehr kompakt gebaut, die angestrebte, sehr hohe Dichte wird eher negativ beurteilt. Die Orientierung scheint schwierig. Die Parkplätze im Hofbereich werden kritisch gesehen. Die Freiräume sind sinnvoll in individuelle Gärten und Gemeinschaftsanlagen getrennt. Insgesamt entsteht allerdings der Eindruck, dass die Dichte der Bebauung für den Ort wenig geeignet ist.
Der Entwurf beinhaltet eine sehr komplexe Technik, da das Ziel die Autarkie ist. Das erscheint an dieser Stelle unnötig, es wird ein zu wartungsintensives und zu komplexes System geschaffen. Die mangelnde Veränderbarkeit der Systeme scheint einherzugehen mit einem hohen Wartungsaufwand.
Aufgrund der Passivhaus-Bauweise der Gebäude ist eine Überproduktion von Energie die Folge.
Daher erscheint das vorgeschlagene Energiekonzept wenig wirtschaftlich. Auf der Baustoffebene werden die lange Lebensdauer und Recyclingfähigkeit positiv bewertet.
Insgesamt wird der klar strukturierte Städtebau positiv gesehen, da eine angemessene Vielfältigkeit angestrebt wird. Allerdings weist er aufgrund seiner hohen Dichte Nachteile auf und erscheint bezogen auf die Ressourceneffizienz wenig anpassungsfähig und zu aufwändig.