Offener Wettbewerb | 09/2012
Neubau Depot und Werkstätten des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege (LAKO) und des Staatlichen Museums Schwerin (SMS)
©Scheidt Kasprusch Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin
Perspektive (Ausschnitt) vom ehem. Exerzierplatz
1. Preis
Preisgeld: 36.000 EUR
Scheidt Kasprusch Architekten GmbH
Architektur
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Mitarbeitende:
Bianca Klinger, Uwe Zinkahn, Lisa Metzger-Pegau, Lukas Witalinski
Erläuterungstext
Depotgebäude sind verkörperte Zeit.
Sie bewahren Dokumente der Vergangenheit für uns – und Dokumente unserer Zeit für die Nachwelt.
Dies bringt der Entwurf – neben einer reibungslosen Funktionalität – durch eine Materialität zum Ausdruck, die den Faktor Zeit als vierte Dimension mit einbezieht und sowohl für Veränderung als auch für Bewahrung steht.
Städtebau
Städtebaulich bildet der Neubau eine solitäre Struktur, die sich zu den unterschiedlichen Seiten ihrer Umgebung jeweils adäquat verhält. Der Parkplatz – und ehemalige Exerzierplatz der früheren Artilleriekaserne – wird nach Süd-Westen 2-geschossig geschlossen. Der Neubau des Werkstattgebäudes bildet hier eine klare Raumkante und stellt bereits im Ersten Bauabschnitt den endgültigen räumlichen Zustand des Platzes her. Eingeschnittene Höfe im Obergeschoss bilden eine Plastizität, die auf die Risalite bzw. die Vor- und Rücksprünge der denkmalgeschützten Kasernengebäude antwortet.
Im süd-westlichen Anschluss an die Werkstätten werden auf dem unterhalb des Platzes gelegenen Plateau die Depots als Bauabschnitte 2 bis 5 errichtet und erscheinen von oben ein Geschoss niedriger als die Werkstätten. Ihre unterschiedlichen Volumetrien differenzieren die drei Depots entsprechend ihrer unterschiedlichen Inhalte. Die Bauabschnittsbildung vermeidet fragmentarische Zustände: Mit jedem Bauabschnitt erscheint das Projekt als abgeschlossene Einheit.
Äußere und innere Struktur
Die baukörperliche Gliederung macht die unterschiedlichen Inhalte des Neubaus auch äußerlich ablesbar.
Das Werkstattgebäude bildet das Rückgrat des Neubau-Ensembles und profitiert von der thermisch gering beanspruchten Nordostseite. Die kammartig eingeschnittenen Höfe im Obergeschoss gewähren den hier liegenden Büros und Werkstätten eine optimale Belichtung und vermeiden eine Einsehbarkeit von der Straße bzw. vom Parkplatz. Das Erdgeschoß ist als zusammenhängende Fläche konzipiert.
In den Depotkuben werden die Archivalien außerhalb der Reichweite von Unbefugten und vor schädlichen Einflüssen optimal bewahrt. Die stringente Kubatur, die dichte umschließende Hülle und die umfangreiche Speichermasse schaffen ideale Voraussetzungen für die Aufbewahrung. In den Magazinräumen wird jeweils ein Klima geschaffen, das den spezifischen Anforderungen optimal angepasst ist. Die Gebäudegeometrie ist auf die Systemmaße der Lagertechnik abgestimmt. Die geschlossene Fassade verdeutlicht Schutz und Sicherheit.
Im Erdgeschoss des Werkstatt-Traktes liegen zentral die LKW-Schleuse und der Personal- und Besuchereingang. Von hier werden alle Raumbereiche erschlossen. Um einen möglichst optimalen Betriebsablauf zu gewährleisten, sind die einzelnen Abteilungen kompakt untergebracht:
- Werkstatt Papier komplett im Erdgeschoss;
- Werkstatt Kunstgewerbe bis auf Zwischendepot, Packraum und Schädlingsbekämpfung komplett im Obergeschoss;
- Werkstatt Archäologie in sinnvolle Bereiche unterteilt: Ein- und Ausgang für Funde und Material sowie die Organik-Werkstätten im EG, alles andere im OG;
- Gemeinsamer Personalbereich direkt am Personal- und Besuchereingang;
- Vorlageraum und Besucherbüro im OG, erreichbar über den Besuchereingang und anlieferbar über die Werkstattbereiche Archäologie und Kunstgewerbe.
Jeweils das oberste Geschoss der drei Depots ist dem zugehörigen Werkstattbereich im Erdgeschoss ebenerdig zugeordnet. So können schwergewichtige oder häufig zu entnehmende Depotgüter schwellenlos und schnell zu und aus den Depots gelangen.
Bei der Verteilung der Magazinräume wurde auf die Zuordnung einzelner Magazinbereiche zu den jeweils „verwandten“ Nutzungen geachtet. So liegt z.B. das Schwerlast-Depot Holz/Schiffshölzer in der Nähe und auf gleicher Ebene wie die Organik-Werkstätten und die Magazine der Sicherungsverfilmung nahe den zugehörigen Arbeitsräumen.
Der Zugang zu und aus den Magazinbereichen erfolgt ausschließlich über Schleusen, die sowohl der Sicherheit als auch der thermischen Abschottung dienen. Die Depotgeschosse sind in sinnvolle Brandabschnitte unterteilt.
Durch die innere Organisation der Werkstätten und Depots wird eine höchste Sicherheit und Zugangskontrolle ebenso erreicht, wie ein optimales Zusammenarbeiten innerhalb der einzelnen Bereiche.
Die Räume, die nicht erhöhten Sicherheitsanforderungen genügen müssen wie Lager Ausstellungsbedarf, Shop, Vitrinen und Ausstellungstechnik, werden in der alten Remise untergebracht. Diese wird denkmalgerecht saniert.
Konstruktion und Material
Vertikale Metalllamellen bilden die äußere Hülle des Werkstattbaus. Teilweise starr, teilweise drehbar bieten sie Schutz vor unbefugtem Einblick und/oder übernehmen die Funktion eines primären Sonnenschutzes.
Die Lamellen-Struktur der äußeren Hülle gibt dem Baukörper einerseits ein homogenes Erscheinungsbild; andererseits wird der Baukörper über seine Länge rhythmisiert und gegliedert. Es entsteht ein lebendiges Fassadenbild, das durch die Nutzer des Gebäudes und ihr Bedürfnis nach Aus- und Einblick oder nach Belichtung und Sonnenschutz mit definiert werden kann. Die geschlossenen Wandbereiche sind mit einer hinterlüfteten Vorhangfassade aus Metallkassetten bekleidet. Bei den Depots sind diese Paneele zu einer Art horizontaler Schichtung angeordnet, die das Massive, Schützende betont.
Die Lamellen sowie die Kassetten bestehen aus Kupfer. Dieses sich ganz allmählich verändernde Material steht für den Wandel der Zeit ebenso, wie für den Schutz und das Bewahren.
Darüber hinaus ist die Kupferfassade als Reverenz an die hier vertretenen Nutzungen zu verstehen:
Als eines der ersten Metalle, die der Mensch verarbeitete, als Material der Kunst und der Buchillustration (Kupferstich) kommt es hier – an einem Gebäude der Archäologie und Kunst – besonders sinnfällig zum Einsatz.
Kupfer wird in der Architektur seit Jahrhunderten genutzt, um extrem langlebige Dächer herzustellen.
Die unterschiedlichen Erscheinungsweisen von Kupfer in Abhängigkeit von seinem Alter sind bekannt.
Hier wird das Material in unbehandelter Oberfläche eingesetzt und kann so im Laufe der Jahrzehnte seine Metamorphose vollziehen. Seine haptischen Qualitäten – das „Echte“, das es ausstrahlt – erleichtern nicht zuletzt dem Nutzer und dem Besucher die Identifikation mit dem Neubau.
Nachhaltigkeit, Materialität und energetische Merkmale
Der Neubau wird im Passivhausstandard konzipiert. Eine hoch effiziente kontrollierte Lüftung, eine hohe Kompaktheit der Bauten und eine optimierte Wärmedämmung bilden dafür die Voraussetzung.
Alle Zugänge der Neubauten werden über thermisch wirksame Windfänge geführt.
Motorisch betriebene, raumhohe, flexible Lamellen dienen als aktiv gesteuerter, außenliegender Sonnenschutz (mit Eingriffsmöglichkeiten des Nutzers). Innenliegende Blendschutzrollos unterstützen den außenliegenden Sonnenschutz. Alle Verglasungen sind 3-Scheibenverglasungen. Eine individuelle Durchlüftung und die notwendigen Entrauchungsquerschnitte werden durch hochgedämmte Klappenkonstruktionen neben den Dreifach-Festverglasungen sichergestellt.
PV, Solar und Vorkonditionierung der Luft über Erdkollektor unterstützen das energetische System nachhaltig.
©Scheidt Kasprusch Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin
Gesamtperspektive mit ehem. Exerzierplatz
©Scheidt Kasprusch Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin
Lageplan
©Scheidt Kasprusch Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin
Grundriss Erdgeschoss
©Scheidt Kasprusch Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin
Grundriss Obergeschoss
©Scheidt Kasprusch Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin
Querschnitt Papierdepot; Ansicht West Platz und Süd
©Scheidt Kasprusch Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin
Querschnitt Archäologiedepot; Ansicht Ost und Nord
©Scheidt Kasprusch Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin
Leitdetail
©Scheidt Kasprusch Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin
Modell
©Scheidt Kasprusch Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin
Perspektive Rückseite