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Einladungswettbewerb | 11/2012

Gestaltung des Gedenkortes Mühldorfer Hart

2. Preis

SINAI Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Mitarbeit:
Stephanie Braconnier, Theresa Fehrmann,
Henning Pagels, Ole Saß

Doppelbelichtung
Idee
Die gewaltigen Ausmaße, die Bautechnologie, nicht zuletzt die romantische Aura einer rätselhaften Ruine in der Waldwildnis: Allzu leicht verdeckt die Faszination für die Reste des Bunkers im Mühldorfer Hart die mörderischen Umstände seiner Entstehung.
Dabei kann gerade seine Anziehungskraft genutzt werden für eine weiterreichende Verbreitung von Wissen über das men-schenverachtende System der Zwangsarbeit und den Rüs-tungswahnsinn des NS-Regimes. Und selbstverständlich soll eine Annäherung an die Ruine nicht möglich sein ohne die Wahrnehmung der Opfer.
Ergänzend zu einer robusten aber statischen Informations- und Gedenkinstallation sollen hierzu neue Möglichkeiten einer aktivierenden Erinnerung mit einfachen und ephemeren Mitteln eröffnet werden.

Gesamtkonzept
Drei Orte als Ensemble …

Sowohl die räumliche Erstreckung als auch die funktionalen Abläufe im Außenlagerkomplex Mühldorf werden deutlich über die Wahrnehmung der drei räumlich getrennten historischen Bereiche Ruine – Waldlager – ehemaliges Massengrab. Es liegt nahe, die Orte mit unterschiedlichen inhaltlichen Akzentuierungen zu versehen: Das Bauwerk und der Bau des Bunkers, die Lebensbedingungen der Häftlinge, ihre Schicksale und die zahlreichen Opfer.
Die Orte werden als Ensemble erschlossen. Die Entscheidungsschwelle für diese Wanderung wird so niedrig wie möglich gehalten; über die deutlichen Leitmarkierungen mit Ent-fernungsangaben, wiederkehrende Gesamtlagepläne am zentralen Parkplatz und den neuralgischen Orten. Die visuelle Geländeerschließung soll immer auf eine Einladung zum Rundgang als die angemessene Form der Erkundung abstellen.
Die Gestaltung der Orte folgt einem übergreifenden Duktus und zwischen den Orten werden Wechselbeziehungen aufgebaut die sie zu einem Ganzen verbinden.
… und die Ruine als Zentralort
Und dennoch ist davon auszugehen, dass ein großer Teil der Besucher wegen des Bunkers kommt und sich mit dem Besuch dieses Orts begnügen wird. Ihm kommt daher die Aufgabe zu, die doppelschichtige historische Erzählung zum Bauwerk und dem Bau des Bunkers einerseits und den Lebensbedingungen und Schicksalen der Häftlinge anderseits vollständig zu liefern. Das dominierende bauliche Relikt des Bunkers muss zum zentralen Informationsort und auch zum Gedenkort im Mühldorfer Hart werden.

Das Baustellenrelikt
Der landschaftliche Raum: Lichtung mit technischem Relief

In einem definierten Saumstreifen um das Ruinenfeld und die Erdwälle über den Tunneln wird der Baumbewuchs nach innen immer weiter aufgelockert. Die Bunkerruine ist von Gehölzbewuchs weitgehend frei. Es entsteht eine scheinbar formlose Lichtung. Die weichen Übergänge machen deutlich, dass der Gegenstand der Betrachtung nicht allein der Bau des Bunkers sondern die gewaltig ausgreifende Baustelle ist.
Der belichtete Saumstreifen um die entwickelt sich wiesenartig. Wege und offene Kiesfelder werden als Teile eines histo-risch bedingten Bodenbildes ebenso sichtbar wie das mar-kante technische Relief der Baustelle.
Erschließungsstrukturen und Informationsebene
Für den Zugang zum Relikt und die Erschließung des Saums werden die Bestandswege selbstverständlich genutzt und so wenig als möglich überformt. Ihre Funktion als Teil des Gesamtwegesystems wird mit Wegeleiten deutlich gemacht.
Signifikante „topografische Bauten“ bilden demgegenüber deutlich erkennbar neue Hinzufügungen. Sie sind sparsam als präzise Stiche gesetzt und bilden dennoch eine sofort erkennbare Informationsebene. Sie überlagern den Zeugnishorizont ohne ihn zu zerstören.
Erkundung 1[das Bauwerk]: Ein einfacher Stichsteg auf das Trümmerfeld der gesprengten Bunkersegmente. Er macht damit den ansonsten unzugänglichen Bereich erfahrbar. Der bauliche Aufwand und die Sicherungsmaßnahmen (Geländer) verdeutlichen dem Besucher das „Tabu“ des freien Begehens der Ruine.
Erkundung 2 [der Bau]: Ein Doppelplateau markiert den zentralen Ausstellungs- und Versammlungsort auf zwei Ebenen. Auf dem Basisniveau befinden sich zwei langgestreckte „Kartentische“ als Kern der Freiraumausstellung.
Von der erhöhten Warte über der Böschung aus erlebt man die Längsachse des Bauwerks mit dem Bogen und den Erd-bauwerken. Der im Mittelgrund sichtbare Steg (Erkundung 1) fungiert als Maßstabsgeber.
Gemeinsame Erinnerung
Dieser erhöhte Ort über dem Bogen ist der zentrale Erinnerungsort am Bunker. Historisches Lernen und Gedenken berühren sich an dieser Stelle.
Aktives Gedenken
Der Lichtungssaum um den Bunker stellt sich nur auf den ersten Blick als Waldidyll dar. In Augenhöhe sind auf den dunklen Fichtenstämmen die Namen der Opfer angebracht. Der Saumbereich wird damit als Ganzes zum Gedenkort für die Opfer vom Mühldorfer Hart und eine Annäherung an das Relikt ohne Wahrnehmung der Opfer ist nicht möglich.
Das Aufbringen der Namen auf die Stämme mit weißer Farbe ist Gegenstand eines gemeinsamen Handelns von Jugend-gruppen, Schulklassen, Vereinen. Es erweitert die Funktionsweise des Gedenkortes hin zu einem Ereignisort der aktiviert und eine dauerhafte Verbindung schafft.

Das Massengrab
Schrein der Namen

Der Ort des ehemaligen Massengrabes ist mit diesem gemeinsamen Handeln verknüpft.
Auf einer gerodeten Lichtung ist die Mulde freigestellt sichtbar gemacht. Das eigentliche Relikt des leeren Grabes ist nicht spektakulär, und dennoch ist das namenlose Massengrab Sinnbild für den Totalverlust menschlicher Individualität.
Zwischen Weg und Grab ist ein kastenförmiges Behältnis platziert in dem die Schablonen für die Beschriftung der Stämme aufbewahrt werden. Ein Teil der Schablonen werden herausgenommen um die verwitterten Schriften am Bunker zu erneuern. Auf diesem einfachen Schrein sind die Namen der Opfer in alphabetischer Folge aufgebracht.

Das Häftlingslager
Verortung

Wie am ehemaligen Massengrab ist es am Häftlingslager vor allem das Relief das an die verschwundenen Baulichkeiten des Lagers erinnert. Es wird vorgeschlagen etwa zwei Drittel des Baumbestandes zu fällen und das Relief des Geländes freier zu stellen. Die Schnittflächen der Fällungen werden geweißt und bilden so eine neue Horizontlinie.
Es wird vorgeschlagen die Baumstümpfe mit einer einfachen Kennung (z.B. Buchstaben für Reihen) zu versehen um eine Orientierung im Gelände näherungsweise zu ermöglichen. Die Kennungen sind gekoppelt an eine Abschnittsbildung die auf einer historischen Karte dargestellt ist.
Begleitend zur jährlichen Aktion der Namensgebung wird das Häftlingslager zum Ort temporärer akustischer Installationen in denen überlieferte Zitate von Häftlingen verarbeitet werden.