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Bewerbungsverfahren zum begrenzt offenen Ideenwettbewerb | 12/2003

Nöldnerplatz

2. Preis

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Landschaftsarchitektur

ErlÀuterungstext

Wie das Schwein auf den Nöldner Platz kam...

Zur Ausgangssituation:
Erreicht man den Nöldnerplatz von den nördlichen Quartieren findet man sich in einer Situation wieder die eher an den Stadtrand erinnert. Der Raum ist weitgehend ohne Fassung und muss mit nur zwei RĂ€ndern auskommen. Die heutige fragmentierte Stadtstruktur lĂ€sst auf einen konsolidierten Zustand in der Geschichte schliessen. Der Platz war gemessen an den klassischen MaßstĂ€ben der kompakten europĂ€ischen Stadt nie vollstĂ€ndig und immer ein Torso. Die unbefriedigende Situation resultiert aus einer Kette gut gemeinter Maßnahmen bedingt durch spontane Anforderungen, die ein Gesamtkonzept vermissen lassen.
Die Schule dominiert weite Teile des Platzes, kann aber den Raum nur bedingt fassen. Der dominante Eindruck einer vorstĂ€dtischen Situation lĂ€st sich nicht negieren. Eine kompakte Bebauung die in der Lage wĂ€re diese RĂ€ume zu fassen ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Die funktionalen Aspekte des Durchgangsverkehrs und der Erschließungswege dominieren die Gestalt des Platzes bis heute. Der direkte Weg vom S-Bahnhof zur Schule ist bestimmend fĂŒr den Platz die Bereiche zu den Seiten werden zu AbstandsgrĂŒn degradiert. Nach eigenen Beobachtungen wird der Platz heute kaum genutzt. Er ist fĂŒr einen Platz zu groß und fĂŒr einen Park zu klein. Die verkehrliche Belastung lĂ€sst sich absehbar nicht reduzieren.

StĂ€dtebauliche Maßnahmen
Die in der Auslobung aufgeworfene strukturelle Frage zum weiteren Umgang mit dem Betrachtungsraum bietet zwei mögliche Antworten.
1. Zusammenfassen der 3 PlatzflÀchen zu einem erlebbaren Raum.
2. Etablieren von eigenstÀndigen TeilflÀchen
Die vorliegende Arbeit schlÀgt eine klare Zonierung in unterscheidbare unabhÀngige RÀume vor.
FĂŒr die mittlere Platzinsel wird ein Jugendhotel vorgeschlagen, der vorgesehene Standort auf den heutigen Kinderspielplatz wird dafĂŒr dem Park zugeschlagen.
Durch die Bebauung entstehen zwei unabhÀngige Platzbereiche:
1. Der Nöldnerplatz wird als ĂŒberschaubar gegliederter Quartierspark hergerichtet mit diversen Nutzungsangeboten in den kleineren Einheiten.
2. Der Platz vor der Schule wird zum reprĂ€sentativer Platz mit großzĂŒgigen BelagsflĂ€chen (Flohmarkt) und einer integrierten Vorfahrt. ParkplĂ€tze sind auf seiner Ostflanke vorgesehen. (kiss + ride)
Das neue GebĂ€ude gegenĂŒber der AuslĂ€nderbehörde beherbergt im EG weitere quartiersbezogene Nutzungen (BĂŒrgerladen, Cafe etc.) und ergĂ€nzt das soziale Leben im Kiez. Die stĂ€dtische Nutzung wirkt sich positiv auf die Situation auf dem Vorplatz der Behörde aus. Die Besucher sitzen nicht lĂ€nger ausgegrenzt im Park, sondern werden wieder in eine stĂ€dtische Situation integriert.

StÀdtisch - LÀndlich
Die Geschichte des Nöldnerplatzes ist die Geschichte des Scheiterns, der Ort ist gekennzeichnet durch den Versuch Stadt zu simulieren.
Die vorliegende Arbeit beruht auf der Annahme, dass durch eine konventionelle Aufwertung des Platzes durch Steigerung der OberflÀchen- und AusstattungsqualitÀten die baulichen und sozialrÀumlichen Probleme nicht zu lösen sind.
Vorgeschlagen wird eine Teilung der PlatzflÀche in einen lÀndlich und einen stÀdtisch geprÀgten Bereich
Der zukĂŒnftig rĂ€umlich gefasste Quartiersplatz wird inhaltlich umgedeutet.
So soll der dörfliche Charakter des Platzes zunĂ€chst angenommen und ĂŒberhöht werden.
Die gesamte FlÀche wird als landwirtschaftliche ProduktionsflÀche aufgefasst.

lÀndlich (Weide-Schweine)
Um diesen Charakter glaubhaft umzusetzen, werden auf der FlĂ€che in den ersten Jahren ca. fĂŒnf Hausschweine gehalten.
Die Schweine benötigen rĂ€umliche Separierung, genĂŒgend Auslauf, rĂ€umliche DiversitĂ€t (Offenland Baumschatten, Suhle)

Die Gegenwart der Tiere in Freilandhaltung wirkt zunĂ€chst befremdlich und verstörend. Nach einem Moment der Reflexion wirkt die PrĂ€senz der Schweine jedoch vielschichtig lesbar und ganz „normal“.
Die Schweine sind tÀglich zu sehen. Sie sind die Haustiere des Quartiers, die Anwohner kennen sie schon.
Nach einer Weile der Beobachtung lassen sich bei den Tieren individuelle Eigenarten und tĂ€gliche Rituale feststellen. Es entwickelt sich ĂŒber die alltĂ€gliche Begegnung zwischen Mensch und Tier unterschiedliche Bindungen. Sie werden zu kollektiven Haustieren.

Schweine sind:
- selten lebendig zu sehen, aber dann quicklebendig
- soziale Wesen, gesellig und kontaktfreudig
- lustig anzusehen, wachsen schnell
- fabelhaft
- sauberer als vermutet
- robust, daher das ganze Jahr draussen

stÀdtisch (Pocketparks)
Eingestanzt in das lÀndliche Feld sind kompakte Inseln stÀdtischer Programme, sie erscheinen als spannungsreiche Negativfigur. Die Platzkanten reichen bis an die Strassen und bilden so weite Gehwege.
Die gerichtete Struktur der Wege und Achsen wird aufgegeben. Eine neue hirachielose Struktur wird etabliert.
Die dezentrale Struktur besteht nicht aus einem Platz sondern aus 10. Demnach gibt es auch 10 EingÀnge statt Einem. Die einzige Durchwegung existiert entlang des Bahndamms. Hier findet sich eine breite Promenade, die das erste Drittel des Damms in die ParkflÀche einbezieht. Diese Promenade setzt sich als Sportband hinter der AuslÀnderbehörde fort. Hierzu wird dieser Bereich erschlossen und der Baumbestand ausgelichtet.

Parkgliederung von West nach Ost
- Bewegung Spiel und Sportfeatures entlang des Damms fĂŒr alle Altersgruppen (Sandspiel, Roll-Landschaft, Micro-Macro-Golf)
- Naturnahe Erholungszonen ( Liegehang, Holzdecks)
- Artifizielle Umgebung zur Kontemplation und Anregung (Lustgarten, Rabatten)
- Informelle Treffpunkte sozialer Alltagspraktiken (Campingtische, Laptop-Wiese, Unterstand, Pissoir)

Wie in einem englischen Landschaftspark ergeben sich aus der Bewegung und dem Verweilen durch die einzelnen Pocketparks unzĂ€hlige Panoramen die sich zu einem Gesamteindruck fĂŒgen.

SchutzgĂŒter (Kultur-Denkmale, Baumschutz)
GegenĂŒber dem S-Bahnhof befindet sich eine Referenz des alten Parks, hier ist der Standort der Brunnenfigur. Dieser Vorplatz bildet mit der gegenĂŒberliegenden Eckbebauung den Eingang ins Quartier.
Alle BestandsbÀume bleiben erhalten!
Sie bilden eine autonome Struktur unabhÀngig von der Zonierung der FlÀchen, die BÀume werden nach Bedarf ausgelichtet.

Landwirtschaftliche Motive
Durch eine Folge landwirtschaftlicher Motive soll der Platz bespielt werden. Die FĂŒtterung und Betreuung erfolgt ĂŒber eine Patenschaft mit einem Biohof der die FlĂ€che pachtet und in Stand hĂ€lt. Die Schweinefreilandhaltung ist exemplarische fĂŒr eine ĂŒber mehrere Jahre andauernde agraische Nutzung der FlĂ€che.

Weitere Nutzungen könnten in GÀnsemast oder Sonnenblumenfeldern bestehen.
Ein Teil der Bausumme wird zur Subventionierung der landwirtschaftlichen Nutzung eingesetzt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit ist ein außergewöhnlicher Beitrag im Rahmen des Wettbewerbs. Sie macht als einzige den Vorschlag einer Bebauung des mittleren Platzsegments. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, die gesamte PlatzflĂ€che in drei unterschiedlich genutzte und gestaltete Bereiche zu trennen. Es entstehen zwei klar abgegrenzte PlĂ€tze mit unterschiedlichen Charakteren. Positiv dabei ist, dass der stĂ€dtebaulich prĂ€gnante Baukörper der Max-Taut-Schule einen Vorplatz mit rĂ€umlicher Fassung erhĂ€lt, dass perspektivisch ein Baufeld erhalten bleibt – welches Investitionen im 1. Bauabschnitt nicht in Frage stellt – und dass das nördliche Segment (1. BA) deutlich als eigenstĂ€ndiger Freiraum definiert wird. (...)

Die verbleibenden FlÀchen des Nöldnerplatzes, zugleich 1. BA werden sinnvoll als einheitliche FlÀche gestaltet. Innerhalb der FlÀche wird ein interessantes, vielfÀltiges Nutzungsangebot geschaffen, dabei bilden Ruhezonen und AktionsrÀume einen spannungsvollen Kontrast und sind rÀumlich klar voneinander abgegrenzt. (...)