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Verhandlungsverfahren | 11/2013

Neubau Amtsgericht

Neubau Amtsgericht Haßfurt. Außenperspektive

Neubau Amtsgericht Haßfurt. Außenperspektive

Zuschlag

Nieto Sobejano Arquitectos

Architektur

Frank Kiessling landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Vis-à-vis zur Silhouette der historischen Altstadt von Haßfurt, die hier an ihrem östlichen Eingang besonders durch die mittelalterliche Ritterkapelle geprägt wird, entsteht durch den Abriss des Einkaufszentrums an der Hofheimer Straße ein Freiraum in exponierter Lage, der die Möglichkeit bietet, die in der Vergangenheit städtebaulich nur unzureichend gelöste Situation durch die Neuerrichtung des Amtsgerichtes an dieser Stelle neu zu interpretieren und in einen adäquaten Rahmen zu fassen.

Der Entwurf nimmt die im Norden vorherrschende offene Siedlungsstruktur auf und setzt durch die Platzierung eines frei stehenden, kompakten Volumens einen Abschluss für die Bebauung an der Hofheimer Straße und markiert auf diese Weise zugleich den östlichen Eingang zur Haßfurter Altstadt.

Das Gebäude präsentiert sich in selbstbewusster und zugleich zurückhaltender Art und Weise gegenüber dem historischen Kontext und der umliegenden Bebauung, indem es auf der neu angelegten Platzfläche von den umliegenden Straßen abrückt. Auf diese Weise baut es ein angemessenes Verhältnis zu der kleinteiligen umliegenden Bebauung auf und schafft zugleich einen sich aus allen Erschließungsrichtungen heraus öffnenden Raum, dessen Zentrum es als solitäres Element besetzt.

Den Haupteingang des Amtsgerichtes erreicht man barrierefrei über den neu geschaffenen Vorplatz an der Hofheimer Straße. Im Süden des Grundstücks verbindet eine Freitreppe die an der ‚Oberen Mühle‘ angelegten Stellplätze auf dem unteren Niveau des Gebäudesockels.

Im Norden schließt sich als räumlich und funktional verbindendes Element der Amtsgerichtsgarten an, dessen rampenartig angelegten Wege nicht nur eine barrierefreie Verbindung zurück zum Stellplatzbereich ermöglichen, sondern auch einen Ort des Wandelns und des Verweilens schaffen.

Auf dem benachbarten städtischen Grundstück sind zwei weitere, kleinere Baukörper angedacht, die die städtebauliche Figur vervollständigen. Dabei nehmen die unterschiedlich großen Kuben die Form des prägenden Gerichtsgebäudes auf und vermitteln spielerisch zwischen dessen Größe und der nachbarschaftlichen Bebauung. Zwischen den kleineren Gebäuden entsteht ein weiterer Platz am Rand des Gerichtsgartens. Die Anordnung und Proportionierung der Gebäudevolumen folgt hierbei dem Prinzip eines „Setzkastens“, innerhalb dessen einzelne Elemente vertauscht oder auch rotiert werden können.

Die quadratische Grundform des Gerichtsgebäudes stellt nicht nur die konsequente architektonische Antwort auf die Summe der wirtschaftlichen und energetischen Zwänge der Bauaufgabe dar, sondern ist vor allen Dingen ein ordnendes Element im heterogenen Kontext des Ortes.

Umgeben von verkehrsreichen Straßen, indifferenter Siedlungsstruktur und der historisch bedeutsamer Altstadtkulisse strukturiert der ruhende Gebäudekubus den umgebenden Raum und verkörpert gleichermaßen das neutrale Selbstverständnis des Gerichts.

Die Funktionen des Gebäudes gliedern sich in drei Schichten: Über dem Gebäudesockel mit Nebenräumen befindet sich das Erdgeschoss, dessen Grundriss von drei freistehend platzierten Kuben mit Gerichtssälen bestimmt wird. Darüber beherbergt ein dritter Körper zwei Obergeschosse, die die Büronutzungen beherbergen.

Neben den Sitzungssälen nehmen die quaderförmigen Körper des Erdgeschosses die vertikale Erschließung sowie weitere Funktionen des öffentlichen Bereiches auf. Die großzügigen und gegenüber der Fassade eingerückten Verglasungen in den Zwischenräumen machen die innere Gliederung auch nach außen hin ablesbar und verknüpfen den Innenraum zugleich durch visuelle Bezüge mit dem umgebenden Außenraum.

Über dem Foyer ruht der funktional und sicherheitstechnisch klar abgegrenzte Bürobereich, der sich um einen überdachten Luftraum herum gliedert. Gleichzeitig versorgt er durch sein verglastes Dach das Gebäudeinnere von oben mit Tageslicht. Eine vertikale, akustisch wirksame Lamellenstruktur aus Holz fasst diesen Raum in seiner Kontur und setzt die Geschosse untereinander in Bezug.

Die Schichtung der Funktionen im Innenraum wird durch die Gestaltung der Fassaden auch nach außen hin wahrnehmbar. Im Bereich des Erdgeschosses ist ein grauer Basalt mit vertikaler Gliederung vorgesehen, der sich auf der Oberfläche der Kuben auch im Innenraum fortsetzt und sie so durch ihre Materialität als Ganzes wahrnehmbar werden lässt. Die Außenfassaden der Obergeschosse und des Sockels verwenden großformatige Natursteinelemente aus hellem Sandstein. Die variierte Fassadengliederung interpretiert dabei das Motiv der Lochfassade auf zeitgemäße Art und legt sich wie eine Textur um den Baukörper. Alle verwendeten Fassadenmaterialien sind wie auch die Hölzer im Innenbereich lokalen oder regionalen Ursprungs und tragen so zum identitätsstiftenden Charakter des Gebäudes bei.

Neben der Nutzung regenerativer Energien und der Minimierung von Energieverlusten stehen auch wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit im Fokus des Entwurfes. Das nutzerzentrierte Gebäude bietet zudem hochwertige Arbeitsplätze für eine soziale Nachhaltigkeit und die notwendige Flexibilität für sich verändernde Erfordernisse, um einen langen Lebenszyklus des Bauwerks zu ermöglichen.

Die kubische Form des Gebäudes bietet mit einem A/V-Verhältnis von 0,23 eine exzellente Grundlage für das integrierte Passivhauskonzept. Die schwere Bauweise in Stahlbeton sorgt für sehr gute Speichermasse und verbessert so den klimatischen Komfort im Sommer. Durch das Atrium werden alle öffentlichen Bereiche mit natürlichem Tageslicht versorgt. Die Kombination von Geothermie und einer Photovoltaikanlage erlauben den nahezu energieneutralen Betrieb des Gebäudes.
Neubau Amtsgericht Haßfurt. Innenperspektive

Neubau Amtsgericht Haßfurt. Innenperspektive

Neubau Amtsgericht Haßfurt. Modellfoto

Neubau Amtsgericht Haßfurt. Modellfoto