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Offener Ideenwettbewerb (auch für Studenten) | 02/2014

AIV-Schinkel-Wettbewerb 2014: Spandau bei Berlin

Spandau Sequenzen

Anerkennungspreis Landschaftsarchitektur

Preisgeld: 1.000 EUR

Frithjof Hamacher

Student*in Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Ausgangslage
Spandau hat durch seine Lage in der Havellandschaft eine besondere und attraktive Qualität. Es gibt ein großes Angebot an Naherholungsgebieten (z.B. Spandauer Forst, Tegeler Forst, Schanzenwald, Döberitzer Heide, Wannsee) in unmittelbarer Nähe. Die Stadtstruktur ist auffallend heterogen: besonders prägend sind der historische Altstadtkern sowie die Zitadelle, im Umfeld finden sich entsprechend der historischen Stadtentwicklung unterschiedliche Bebauungsstrukturen (Blockrand, Zeilen, Sonderbausteine, Industriebebauung). Bei der Betrachtung der Nutzungsstruktur fällt auf, dass sich auf den beiden Seiten der Havel zwei kontrastierende Nutzungsschwerpunkte entwickelt haben: westlich überwiegend Wohn- und Mischnutzung, östlich Industrie- und Gewerbenutzung. Dadurch ist der östliche Teil der Havel nur in Ansätzen öffentlich nutzbar und erschlossen. Innerhalb des städtischen Gefüges finden sich unterschiedliche Freiräume mit hohem Gestaltungs- und Nutzungspotential welche jedoch unzureichend vernetzt sind. Insbesondere das östliche Havelufer ist kaum erschlossen sodass ein erleben des Ufers nicht möglich ist. Besonders markant ist die ehemalige Geschützgießerei mit ihrem Standort direkt an der Spreemündung.


Konzept
Die vorhandene Erschließung weist insbesondere auf der Ostseite der Havel Defizite auf. Es sollen Lücken geschlossen und fehlende Verknüpfungen ergänzt werden um einen durchgehenden Rundweg zu ermöglichen. Das gesamte Wegenetz wird an das umliegende Stadtgefüge angeschlossen.
Im Bereich der Spreemündung soll eine neue Fußgängerbrücke, der Spreeschwung, die Verbindung zur Zitadelle schaffen und den besonders markanten Bereich der Spreemündung aufwerten. Um den Rundweg vollständig zu schließen macht dieser an der Schleuse in Form einer zweiten Fußgängerbrücke einen Schwung über die Havel.
Die vorgefundenen Grünflächen und Parks sind vielfältig, sowohl in ihrer Funktion als auch Qualität.
Insgesamt stellt sich jedoch ein stark fragmentiertes Bild der Grünanlagen dar, welches es zu einer Einheit zusammenzufügen gilt. Dazu werden vorhandene Anlagen gestalterisch aufgewertet und Lücken ergänzt. Eine durchgängige Gestaltungssprache verknüpft die Einzelteile zusätzlich miteinander und wirkt identitätsstiftend für den gesamten Stadtteil.
Die Grünräume bieten unterschiedliche Möglichkeiten der Nutzung und sind entsprechend ausgestaltet: Es finden sich Flächen für Sport und Spiel, Ruhe und Erholung, Bewegung und Aktivität, Kunst und Kultur.
Einzelne Grünbausteine werden im Stadtgefüge über klar ausgebildete Gehölzstrukturen in Form von Baumreihen und Alleen zusätzlich verknüpft.
Die Havel soll durch 3 Arten der Uferbefestigung zugänglich und erlebbar gemacht werden: Kaimauer, Stufen, weiche Uferkante mit Stegen. Vorhandene Spundwände werden in Teilbereichen aufgebrochen und in urbanen Bereichen durch Stufen ersetzt um einen direkten Wasserzugang zu ermöglichen. In naturnaher gestalteten Abschnitten werden Stege die aufs Wasser führen eine Erlebbarkeit des Naturraumes ermöglichen.
Städtebauliche Strukturen werden ergänzt und erweitert um auf den hohen Wohnungsdruck zu reagieren. Im Bereich des alten Postamtes entsteht nach dessen Abriss das neue Quartier „Im Zentrum“. Am Stresowplatz soll sensibel nachverdichtet und attraktives „Wohnen am Havelufer“ ermöglicht werden. In direkter Nähe zur Zitadelle wird ein Teil der gewerblich und industriell genutzten Gebäude zurückgebaut und ein neues Quartier geschaffen. Dies dient als Impulsgeber für die Erschließung des Ostufers der Havel geben. Am Südhafen soll ein großzügiges Wohnquartier geschaffen werden.


Sequenzen
Verbindendes Hauptelement ist der Rundweg, welcher die einzelnen Stadt- und Freiraumbausteine, die Sequenzen, miteinander verknüpft und ein Erleben der unterschiedlichen Ufersituationen entlang der Havel und der Spree ermöglicht. Entlang des Rundweges lagern sich vielfältig nutzbare Freiräume und Quartiere an welche in sich zusätzlich vernetzt sind und sich mit dem Stadtgefüge verzahnen.

Am Rathaus entsteht durch das Entfernen des Parkhauses ein großzügiger, repräsentativer Platz der dem markanten Bauwerk auch auf dieser Seite einen angemessen Freiraum bietet. Davor lagert sich zum Havelufer hin der Havelpark an. Dieser entwickelt sich aus dem schon bestehenden Stabholzgarten und ist der Auftakt zum Havelrundweg. Großzügige Rasenflächen bieten Raum für verschiedenste Nutzungsansprüche.
Auf dem Gelände des alten Postamtes wird die Stadtstruktur durch Neubauten ergänzt. Das Quartier „Im Zentrum“ bietet attraktiven Wohnraum und ergänzt die bestehenden städtebaulichen Strukturen.
Die Uferpromenade setzt sich nach Süden hin weiter fort. Der Bullengrabenweg wird strukturell an das Havelufer angeschlossen. Ein Stadtplatz ergänzt das Freiraumgefüge an dieser Stelle und markiert den Auftakt zum Bullengraben.
Auf der gegenüberliegenden Havelseite entsteht am Südhafen ein neues Stadtquartier welches sich in seiner Bebauungsstruktur zum Haveluferhin immer weiter auflöst (Townhouses). Davor lagert sich ein großzügiger, landschaftlich gestalteter Freiraum an, welcher insbesondere für Nutzungen mit hohem Flächenanspruch dient. Der Hafenpark zieht sich entlang der Kleingärten bis zur Dischinger Brücke hin richtung Norden. Hier ermöglichen Holzstege ein direktes herantreten an und auf das Wasser, charakteristische Ufervegetation ergänzt das Bild eines Naturnah gestalteten Ufers.
In Stresow werden die Freiräume aus dem Bestand heraus entwickelt und spiegeln somit den einzigartigen Charme der vorgefundenen Situationen wieder. Der Inustriepark, welcher sich direkt an den Bahndamm anlagert, ist in seiner Ausgestaltung entsprechend der vorherigen Nutzung „industriell“ geprägt: grober Schotter als Bodenbelag aus dem Birken in Gruppen heraus sprießen, Sitzgelegenheiten aus rauem Beton und der alte Lastenkran welcher als Relikt erhalten bleibt bilden eine besondere Freiraumqualität.
Entlang des Quartiers „Wohnen am Havelufer“ führt der Weg über eine schmal ausgebildete Grünfläche zum Stresowpark. Dieser wird strukturell und gestalterisch aufgewertet und durch eine klare Wegeführung an das Freiraumgefüge angeschlossen.
Das städtebaulich markante Bauwerk der ehemaligen Geschützgießerei soll als Relikt der industriellen Nutzung erhalten und zum „Kreativzentrum“ umgenutzt werden. Im Gebäude finden sich Ateliers und Handwerksbetriebe sowie Ausstellungsflächen. Der Freiraum bietet Platz für Veranstaltungen und bleibt in seiner Gestaltungssprache ähnlich zurückhaltend wie der Pocketpark: Wassergebundene Wegedecke und teilweise Befestigte Flächen werden ergänzt von Pflanzflächen und den charakteristischen Pionierbaumarten.
Die neue Fußgängerbrücke, der „Spreeschwung“, verbindet die Ufer der Spree und ist identitätsstiftendes Bauwerk für den Stadtteil. Die Baulichen Strukturen des Zitadellenquartiers, welche an der „Spitze-Spandau“ mit einem markanten Landmark ein Gegengewicht zur Geschützgießerei bilden werden durch unterschiedlich gestaltetet Freiräume ergänzt. Die „Spitze Spandau“ ist ein großzügiger urbaner Platz mit Wasserzugang über Stufen und Rampen. Weitere Platz- und Grünflächen ergänzen das neue Quartier durch das sich der Rundweg weiter richtung Zitadelle fortsetzt.
Hier entsteht, angelagert an den Rundweg, ein Holzsteg, welcher einen einzigartigen Blick auf das markante Bauwerk der Zitadelle mit Juliusturm ermöglicht. Ein Aussichtsturm im Bereich der Schleuse bietet einen einzigartigen Rundumblick über Havellandschaft, Spreemündung, Altstadt und Zitadelle. Der Havelschwung ermöglicht ein barrierefreies Queren der Schleuse und bildet den nördlichen Abschluss des Rundweges.
Das Lindenufer wird in seiner Gestaltung und Struktur aufgewertet und geordnet. Klare Wegeführung und Eingangssituationen zonieren den Uferbereich und bilden somit Flächen für differenzierte Nutzungen. Ein Spielplatz ersetzt den Parkplatz, Mietergärten fördern das schon begonnene städtische Gärtnern, die Rasenflächen unter den Linden sind vielseitig bespielbar.
Die Lindenpromenade führt den Rundweg zurück zum Rathaus. Stufenanlagen ermöglichen einen direkten Antritt an die Havel, die eingeschobenen Pflanzflächen gliedern diese in großzügige und kleinräumige Bereiche. Entlang der Promenade bieten sich immer wieder reizvolle Ausblicke auf das gegenüberliegende Ufer der Havel.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit 318 „Spandau Sequenzen“ untersucht weit über das eigentliche Wettbewerbsge-biet hinaus Potentiale für eine freiraumplanerische und städtebauliche Neuordnung und Nachverdichtung entlang der Flussräume von Spree und Havel.

Mit ihren Vorschlägen zur Reparatur, Ergänzung und Entwicklung von Freiräumen und Stadtquartieren demonstrieren der/die Verfasser einen hervorzuhebenden Mut und Weitblick. Konzeptionell sollen Frei- und Stadtraumbausteine, sogenannte Sequenzen, durch eine ge-meinsame Gestaltsprache verknüpft und durch einen Rundweg entlang der Flussufer, ein-schließlich des zweimaligen Brückenschlags über Spree und Havel, verbunden und mit den angrenzenden Quartieren vernetzt werden. Zur Vereinheitlichung der heterogenen Raum-struktur, dient darüber hinaus die Typisierung der Uferbefestigung unterschiedlicher Fluss-abschnitte, die als „Kaimauer“, „Uferzugang Stufen“ und „Weiche Uferkante“ formuliert wer-den.

Mit der individuellen, jeweils aus der örtlichen Situation abgeleiteten Schaffung neuer Frei-räume, wie dem Rathausplatz anstelle des Parkhauses, dem angrenzenden Havelpark und dem gegenüberliegenden Industriepark, treffen der/die Verfasser richtigen Entscheidungen hoher gestalterischer Qualität, die jedoch dem gesetzten Ziel einer einheitlichen Gestaltspra-che entgegenstehen. Kritisch gesehen wurde auch die Überformung der Lindenpromenade mit der überdimensioniert wirkenden Stufenanlage zum Wasser, die Segmentierung des li-nearen Uferfreiraums und der generell sehr hohe Versiegelungsgrad der Freiräume.

Die Setzung der Landmarke am Zusammenfluss von Spree und Havel und die damit einher-gehende Urbanisierung des nördlichen Spreeufers wird sehr kontrovers und leidenschaftlich diskutiert.

Obwohl die Gesamtleistung des/der Verfasser, die umfassende und professionelle Durchar-beitung des Beitrags auf konzeptioneller und gestalterischer Ebene sowie die herausragende graphische Darstellung, gewürdigt wird, bleibt die über Absichtserklärungen hinausgehende landschaftsarchitektonische Haltung und Intention unklar.