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Offener Ideenwettbewerb (auch für Studenten) | 02/2014

AIV-Schinkel-Wettbewerb 2014: Spandau bei Berlin

ANERKENNUNGSPREIS ARCHITEKTUR

Preisgeld: 1.000 EUR

Sandro Ruiu

Student*in Architektur

Erläuterungstext

Die Entstehung einer kulturellen Mitte in Spandau darf nicht von der momentan vorherrschenden problematischen Verkehrssituation und deren Verbesserung abhängig gemacht werden. Aufkommende Kosten und großer Planungsbedarf würden die Entstehung des Kulturcampus nur auf nicht absehbare Zeit verschieben. Hinzu kommt die wirtschaftliche Situation Spandaus beziehungsweise Berlins, die die Finanzierung eines kostspieligen Komplexes nicht möglich macht. Zudem stellt sich die Frage, wie beziehungsweise ob ein solcher kostspieliger Komplex von einer Bewohnerschaft, welche unter hoher Kinder- und Altersarmut, sowie Jugendarbeitslosigkeit leidet (Stadtentwicklungsstudie Machleidt + partner; Mack & Partner), angenommen würde. Daher wird eine phasenweise Realisierung vorgeschlagen, welche zunächst mit geringen Eingriffen initiiert werden kann. Jede dieser Phasen agiert stets sowohl auf den östlichen als auch auf den westlichen Arealen des Altstädter Rings. Die Verkehrswunde aus den 1960er Jahren wird somit durch eine programmatische Verbindung geschlossen, welcher mit der Zeit wachsen und „sich stärken“ kann. Dabei soll Bestehendes erhalten bleiben und Neues sorgsam und stufenweise ergänzt werden.
Alle Bestandteile des Campus werden möglichst schwellenlos aufgebaut, um einerseits die Möglichkeit zu geben sich zu zeigen und zu konfrontieren und andererseits Menschen die noch nicht angekommen oder auf der Durchreise sind eine möglichst leichte Integrations- und Informationshilfe zu geben.

Die Phasen teilen sich im Groben wie folgt auf:

Phase 1 / zugänglich machen
Das Öffnen der vorhandenen Areale steht im Mittelpunkt der ersten Phase. die großen Freiflächen um die Bestandsbauten werden mittels minimaler Programmbausteine, wie beispielsweise einem Kräutergarten oder einem öffentlichen Bücherschrank ergänzt. Das obere Deck der Parkgarage wird von Pkws befreit und soll der Jugend als großzügiger Freibereich dienen, auf dem geskatet, gesprüht und getanzt werden kann. Eine erste Aneignung soll stattfinden. Der Altstädter Ring wird verringert und neue Straßenräume für den Radverkehr werden geöffnet. Der Kreisel macht mittels großflächiger Informationstafeln auf die neue kulturelle Mitte Spandaus aufmerksam.

Phase 2 / Bestandsbauten
Die beiden, an die Freiherr-vom-Stein-Oberschule angrenzenden Bestandsbauten werden durch neue Programmbausteine im Inneren der Gebäude ergänzt und dienen fortan als Kantine mit Veranstaltungsmöglichkeiten und großer Werkstatt. Das neu gewählte Programm und die Struktur der Gebäude ermöglichen eine kostengünstige Reaktivierung der Gebäude. Erste Schnittpunkte zwischen Schulalltag, AnwohnerInnen und BesucherInnen entstehen. Das Parkdeck wird durch ein Jugendhaus ergänzt und die Jugend bekommt eine Adresse.

Phase 3
Haus 4 und Haus 6 werden zu einem neuen Musikhaus zusammengefasst. Beide Häuser werden mit einer Art Gewächshaus umbaut. der Rückgriff auf industriell vorproduzierte Materialien ermöglicht eine sehr kostengünstige Reaktivierung der Gebäude. Zudem entsteht eine spannende Zwischenwelt aus alt und neu, welche programmatisch durch eine kleine Bühne, eine Bar und Sitznischen ergänzt wird. Dieser Bereich dient künftig als Begegnungsfläche. Das alte Gemäuer, welches als Wärmespeicher dient und die sich schnell aufheizende dünne Außenhülle unterstützen sich thermisch optimal. Eine aufwändige Sanierung würde der historischen Bedeutung der beiden Gebäude nicht entsprechen. Durch das Umbauen bleiben die Gebäude erhalten, werden neu belebt und verlieren ihre Funktion als Zeitzeuge nicht.
Das Musikhaus wird zu einem weiteren Schnittpunkt zwischen dem Alltag der SchülerInnen, den AnwohnerInnen und den BesucherInnen. Die großzügigen Begegnungsflächen ermöglichen ein schwellenloses Aufeinandertreffen.

Phase 4 / Die Box / Der Kulturspeicher
Der sich selbstbewusst am Altstädter Ring platzierende Kulturspeicher stellt den größten baulichen Eingriff da. Das Tragwerk der geforderten Sporthalle wird sowohl in seiner Länge aber vor allem in seiner Höhe modifiziert, sodass darin eine mehrgeschossige Zusatzfläche angeboten werden kann. Mittels Vierendeel-Trägern kann der Raum durch vertikale Stützen strukturiert werden. Die langlebige und anpassungsfähige Struktur wird unter dem Einsatz von industriell vorgefertigten Materialien realisiert. Dies ermöglicht eine kostengünstige Ausführung und bei gleichen Kosten kann ein deutlich größeres Raumvolumen geschaffen werden - eine Ermöglichungsarchitektur entsteht. Sowohl die gewünschte Multifunktionshalle, als auch die Mediathek, die Volkshochschule, die pädagogische Werkstatt und die Kinderbetreuung finden darin Platz. Zusätzlich bleiben große Flächen unbespielt, welche als Aneignungsflächen dienen sollen. Die Archivräume der Mediathek dienen als ständig wachsender Speicher Spandaus, in dem besondere aber auch beiläufige Momente, Ereignisse und Geschehnisse gespeichert werden. Der Speicher wird zum stetig wachsenden Gedächtnis Spandaus. Das Festhalten und Archivieren dieser Momente wird über eine Art Artist in Residence Programm organisiert, welches in bestimmten Zeitintervallen von Künstlern, Studenten oder auch Anwohnern betreut werden kann. Über einen gewissen Zeitraum werden Daten gesammelt und zum Abschluss präsentiert. Die Art und Weise der Präsentation, sei es in Form eines Ausstellungsobjektes oder einer Sammlung, obliegt dabei dem Künstler. Es entsteht eine Spandau spezifische Sammlung, welche über die Jahre hinweg wachsen und im Kulturspeicher archiviert werden kann. Ein Ort für Großes und Kleines, Wichtiges und Unwichtiges. Dingen die gemeinsam erlebt oder geschaffen wurden, wird die Möglichkeit gegeben, gezeigt und nicht vergessen zu werden.
Auch hier werden hauptsächlich aus der Industrie vorproduzierte Materialien verwendet. Dies ermöglicht zum einen eine kostengünstige Realisierung, zum anderen entsteht ein weiterer Nutzbau, womit sich an die bestehenden Reiterhallen angelehnt wird.

Phase 5 / Der Kreisel / Die Kreuzung
Durch den Rückbau des Kreisverkehrs zu einer Kreuzung und somit zu einem gefassteren Straßenraum, wird die Verbindung zwischen den einzelnen Programmbausteinen gestärkt. Das Verringern der Ost-West-Achse scheint aufgrund seiner Wichtigkeit als Verbindung zur Berliner Innenstadt eher unrealistisch. Die Positionierung des Kulturspeichers und dessen Vorfeld zur neuen Kreuzung hin weckt zum einen Aufmerksamkeit und dient zugleich als kulturelles Tor zur Spandauer Altstadt.

Phase 6 / Erweiterungsbauten
Die Bereiche nördlich des Falkenseer Damms bieten großflächige Verdichtungsmöglichkeiten. Diese können weitere Parkmöglichkeiten im Untergeschoss anbieten und durch ein öffentlich zugängliches Erdgeschoss den offenen Charakter des Kulturcampus in Richtung der Spandauer Neustadt fortführen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit zeigt entlang einer Zeitachse eine Projektentwicklungsstrategie für den neuen "Kulturspeicher" am Falkenseer Platz auf. Die stadträumliche Aneignung wird in Phasen be-schreiben. Ziel der Phase 1 ist das "zugänglich machen" der Fläche und der Parkpalette am Mühlengraben mit Minimaleingriffen, erwähnt werden hier z.B. ein Kräutergarten und ein öffentlicher Bücherschrank. In der Phase 2 sollen die Bestandsbauten nahe der Freiherr-vom -Stein-Oberschule instandgesetzt und zu einer Kantine mit Veranstaltungsraum und großer Werkstatt umgebaut werden. Auf dem Parkdeck soll ein Jugendhaus entrichtet werden. Haus 4 und 6 werden in der 3. Phase mit einem "Gewächshausüberbau" zu einem Musikhaus zu-sammengefasst. Dieser, in den Erläuterungen als kostengünstige Reaktivierung angebotene Vorschlag wurde als architektonische Vision mit der Blickrichtung "ein" Haus im Dialog zwi-schen Alt und Neu durchaus gewürdigt, die bautechnische Realisierbarkeit jedoch kritisch gesehen. Zudem liegen Teile des "Gewächshauses" samt der vorgeschlagenen Außen-raumgestaltung im Vorfeld zum Altstädter Ring nicht mehr auf dem engeren Wettbewerbs-grundstück, sondern auf dem Grundstück des Polizeiabschnitt 21.
Der "selbstbewusst" als Kopfbau vor der Altstadt platzierte Kulturspeicher bietet mehr Raum als im Programm gefordert. In den die Veranstaltungs- /Dreifachsporthalle überspannenden Vierendeelträgern wird ein zweigeschossig organisierter "Ermöglichungsraum" angeboten, der unter anderem auch die Flächen der Mediathek, Volkshochschule, pädagogische Werk-statt und Kinderbetreuung aufnimmt. Die zusätzlichen, noch freien Flächen sollen als Aneig-nungsraum und Archivräume für den "Gedächtnisspeicher" dienen.
Die Freiräume im sheddachgezahnten, doppelschalige verglasten Kubus sollen "Momente" und Erinnerungen, z.B. gespeist aus Artist in Residenz-Programmen vor Ort aufnehmen.
Teile des Kulturspeichers an der Ecke Altstädter Ring, Falkenseer Damm, also nordöstlich der inneren, räumlich spannend organisierten "Kulturpassage" liegen ebenfalls außerhalb des Grundstückes.
In der 6. Phase soll der Um- und Rückbau Straßen und des Kreisverkehrs zu einer Kreuzung erfolgen. Darüber hinaus wird eine Stadträumliche Verdichtung mit weiteren Parkmöglichkei-ten in den Untergeschossen nördlich des jetzigen Kreisverkehrs in Richtung Spandauer Neustadt vorgeschlagen.
Alle Abgabebedingungen sind erfüllt, die Arbeit ist in den ausgewählten Aspekten verständ-lich und nachvollziehbar aufgebaut. Das Verhältnis von programmatischer zu architektoni-schen Durch- und Ausarbeitung wurde kontrovers diskutiert. Leider wurden die beschriebe-nen Qualitäten z.B. der direkten- und indirekt einsehbaren Bereiche in der zum Teil mehr-und gegenläufig offenen inneren Erschließung bis zur Besucherterrasse durch die Schaltung, Überlagerung oder inneren Aufbau der doppelschaligen Fassaden nicht dargestellt.