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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2014

Citybahnhofsplatz

Anerkennung

Preisgeld: 5.000 EUR

SCALA Architekten und Stadtplaner

Architektur

Pfrommer + Roeder Freie Landschaftsarchitekten BDLA IFLA

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Prolog
„Vom Transitraum zum Ort- eine neue verortete Visitenkarte für Ulm“

DER ORT UND SEIN UMFELD/ GRUNDLAGEN
Der Bahnhofsplatz wird als integraler Bestandteil der Platz- und Raumfolge um die historische Altstadt verstanden.
Diese an die Altstadt angelagerte Platz-Raumfolge ist geprägt durch geordnete, eher rektanguläre Räume und einprägsame eingelagerte, teilweise auch expressive Einzelarchitekturen (z.B. Theater, Gerichte …u.a.m.).
Dem gegenüber steht das weitverzweigte Netz aus Gassen und kleinen Plätzen innerhalb des historischen, steinernen Stadtkerns, um das Herz mit dem Münster u.a.m.
Beides gilt es -sich gut ergänzend- besser zu vernetzen.
Vervollständigt wird diese Stadtrauminterpretation durch den Bezug zu den Bach- und Flussläufen, insbesondere zu dem Grünzug entlang der Donau im Süden, der bis in den Bahnhofsbereich einwirken kann. Die Grünstrukturen in der Olgastraße und darüber hinaus sind Teil dieser Rauminterpretation, die einerseits den steinernen Stadtkern stärkt, andererseits den Bahnhofsvorplatz in einen übergeordneten Kontext stellt.
Die Schwierigkeit verkehrsgeprägter Räume dieser Art liegt nicht nur in der Komplexität der Verkehrsströme, sondern oft in der trennenden Linearität der Funktionen, die den Raum meist unverortet verschwimmen lassen. Insofern werden alle Raumstrategien darauf ausgelegt, dieser Linearität dahingehend entgegenzuwirken, daß der neue Bahnhofsvorplatz über seine infrastrukturellen Anforderungen hinaus als Visitenkarte einer Stadt, als einprägsamer und klar verorteter Platzraum wirksam werden kann. Dies betrifft auch die Querung auf der „Minus 1-Ebene“, die nicht neutralisiert der internationalen Passagenwelt geopfert werden darf, sondern Bestandteil einer verorteten Platzstrategie wird, in der die Bezüge zum Stadtboden, der primär das öffentliche Stadtleben ausmacht, gestärkt angeboten werden.

EIN NEUER ÖFFENTLICHER RAUM UND SEINE BAUSTEINE
Einerseits bedingt durch die zukünftigen, teilweise noch unklaren Platzränder, andererseits abgeleitet aus den o.a. Grundlagen, gilt es, einen klaren, identitätsstiftenden Stadtboden vorzutragen, der in weiteren Schritten auch eine gewisse Reaktionsfähigkeit in Bezug auf die Ränder zuläßt.
Quer aufgespannte Bänder aus Pflasterplatten (Granit, z.B. Flossenburger Granit) verspannen ein klar definiertes, eingelegtes Rechteck mit einem umlaufenden Rahmen, der flexibel auf die bestehenden und zukünftigen Architekturen reagieren kann. Diese farblich kontrastierende Randzone besteht aus unterschiedlich breiten Pflasterplattenstreifen (ebenfalls Granit, s.o.) und inszeniert den Eintritt in den Platzraum. Diese Strategie erlaubt es darüber hinaus, daß im Hinblick auf die in Teilen offenen Platzränder eben diese Randbereiche schrumpfen, aber auch wachsen können.
Der klare, großzügige Binnenbereich bleibt jedoch stets als Mitte unverändert bestehen und nimmt alle für den Platz wichtigen Funktionen auf. Als Idealtypus einer Platzfläche hebt er sich vom Umfeld über einen hellen, durchgängigen „Possehl-Belag“ ab. Diese Deckschicht besteht aus mit Kunstharz gebundenen mineralischen Natursteinsplitten, die hochabriebfest sind und eine fugenlose Herstellung –auch bei Reparaturen- zulassen. Durch die Bänderung ist eine abschnittsweise Bauweise problemlos möglich.
Die wesentlichen Querungen (mit der Hauptquerung zwischen Bahnhofsplatz und Sedelhöfe/ Altstadt) werden in diesem homogenen Teppich durch sich verdichtende kürzere Pflasterbänder lesbar, als Abstraktion von Laufspuren.
Die Fahrbahnen für den MIV erhalten entsprechend den Anforderungen der Stadt ebenfalls einen „Possehl-Belag“ (oder einen farblich angepaßten Asphaltbelag mit Splitteinstreuung) und bleiben so Teil der Gesamtfläche. Der gestalterisch „einfache“ Schwarzbelag der Fahrbahnen wird durch eine höherwertige Deckschicht aufgewertet und somit optisch integraler Bestandteil der hochwertigen Platzfläche.
Die Verknüpfung der Platzebene mit der Minus 1 Ebene wird so plaziert, dass diese auch bei einem neuen Bahnhofsempfangsgebäude als integraler Bestandteil einer öffentlichen Raum-/Platzidee erhalten werden kann: alle Bewegungsströme gleichwertig aufnehmend schraubt sich dieses Erschließungselement selbstsicher in den Raum und übergibt als skulpturales Element gestisch an die sich daran anschließenden eingestellten Einzeldächer, die den Raum zusätzlich verorten.
Der jetzige Bahnhofszugang, bzw. ein evtl. neuer, weiter nördlich gelegener können damit stets „abgeholt“ werden.
Größere Einschnitte in die Platzebene werden vermieden, anstelle der langen Fahrradrampe werden zwei großzügig dimensionierte Aufzüge (für Fahrräder einschl. LenkerInnen) vorgeschlagen, der Flächengewinn wird an dieser hochwertigen Stelle in Südlage einer entsprechend angemessenen Nutzung zugeführt (s.u.).
Die Überdachung (der Haltestelle) wird einerseits als Bestandteil der Süd- Nord-Verknüpfung und ihrer grünen Bausteine verstanden, andererseits werden hier Raumeinstellungen vorgetragen, die ganz bewusst über ihre frei eingestellten, sich über- und unterschiebenden Dachscheiben die linearen, trennenden Transferfunktionen überspielen.
Dieser Grundsatz wird dahingehend noch unterstrichen, dass durch ein leichtes Abrücken der Einzelelemente in der Fortführung der „alten“ Wegebeziehung vom und zum Münsterplatz, jegliche Linearität überspielt wird und annähernd zwei Gruppen mit Dacheinstellungen entstehen.
Die einzelnen Dächer verorten den jeweiligen Raum und definieren ihn eindeutig als identitätsstiftendes Stadtentree. Durch ihre freie Form, ihre Anordnung untereinander und ihren grundsätzlich modulhaften Charakter sind auch diese Einstellungen in der Lage, auf zukünftige Entwicklungen und Veränderungen reagieren zu können: evtl. kommt ein Element hinzu…. oder ein Element muss weichen…, ohne dass die Gesamtstruktur verloren geht.
Andererseits sind die Elemente so stark, dass sie auch innerhalb der jetzigen Situation raumprägend bleiben. Über wenige, schlanke Stützen (z.B. Rundrohr 406 x 10 mm, ca.1,00 m bis 1,50 m Mindestabstand über der Leitungsführung Bahn) wird ein sich zu den Ränder verjüngender Trägerrost vorgeschlagen (Raster ca. 5.00m/5.00m, z.B. Stahlrandträger: Rundrohr 300 x 80 mm Strahlträger: T-Profil 900 x 300 x 20 mm (veränderliche Bauhöhe) der auf der Oberseite metallisch matt verkleidet und unterseitig mit einem lichtstreuenden Gewebe (z.B. PTFE o.ä.) verhüllt wird.
Über optische Glastuben wird das Tageslicht auf das streuende, lichttechnische PTFE-Gewebe o.ä. (mit ebenfalls eingewobene Kleinstlinsen) geführt, so dass trotz der Anforderungen an einen Witterungsschutz eine enorme Tageslichtausbeute ermöglicht wird. Die Membran kann auch mit stadtprägenden und -bezogenen Motiven, Informationen o.a. bedruckt werden, so dass über den reinen Witterungsschutz und die o.a. Tagelichtausbeute hinaus auch ein dekorativ-informativer Charakter die Verortungsabsicht im Transitraum unterstützten kann.
Die Stützen werden in Teilbereichen über Öffnungen bis hinab in die Passage geführt, die Untersicht der Passagendecke wird ebenfalls mit dem selben PTFE- Material, die freie Form der eingestellten Dächer nachzeichnend, ausgestattet so dass „Unten“ und „Oben“, die Untersicht und die eingestellten Raumskulpturen eine zusammenhängende Einheit bilden.
Auch wenn dies nur eine kleine Facette eines vielfältigen Stadtlebens darstellt:
über ein innovatives Leichtbautragwerk mit einprägsamer Wirkung könnte eine gewisse Referenz an den „Wissenschaftsstandort Ulm“ vorgetragen werden.
Im Belag über der Passagendecke finden sich ebenfalls (wo funktional möglich) die o.a. optischen Lichtröhren, so dass neben den größeren Öffnungen (Erschließung/ Stützen) das Tageslicht in die darunterliegende Streulichtdecke eingeleitet werden kann. Die eingestellten Dachelemente und der Stadtboden werden auch über diese Lichtröhren zusammengeführt.
Der Wartebahnsteig kann zur Straße hin über Bänke (entsprechend hohe Lehnen) und transluzente Gewebebahnen abgesichert werden, zusätzlich eingestellte und eingehängte „Sitz-und Warte-Kapseln“ bieten geschützte Bereiche bei extremeren Witterungssituationen an.

GRÜNKONZEPT
Abgeleitet aus den großräumlichen Grünbezügen werden die freiräumlichen Qualitäten des Donauufers und des Kobelgrabens über prägnante Grünstrukturen auf den Bahnhofsplatz geholt: Baumpaare aus Zierkirschen wandern entlang der Friedrich-Ebert-Straße über den Busbahnhof –wo sie auf zukünftige Entwicklungen flexibel reagieren können-, flankieren den Steg zur Schillerstraße, schaffen Aufenthaltsqualität vor dem Intercity-Hotel und bilden einen Hain vor der Alten Post. Durch diese markanten Setzungen wird der Platz in Nord-Süd-Richtung verspannt.
Die Straßenbahn wird beidseitig exakt bis an die Platzkanten in ein "grünes Bett" gelegt, danach werden die Schienenstränge in der steinernen Fläche integriert.

NUTZUNGS- , MÖBLIERUNGS (1) UND LICHTKONZEPT (2)
1) Nutzungs- und Möblierungskonzept

Die oberirdischen Taxistände werden im Nord-Westen und im Ostbereich angeboten, die oberirdischen Fahrradabstellflächen im Nord-Westen, in der Fuge zwischen Bahnhof und Post -nahe dem Eingang Hauptbahnhof- sowie in der Nähe der Brücke über das Gleisfeld- die übrigen Flächen werden damit weitgehend freigehalten.
Weitere Abstellmöglichkeiten werden gastronah bei den Baumstandorten angeboten.
Ziel dieser Flächenbelegung ist es, den Schwerpunkt des Platzes im Bereich der Hauptquerung Bahnhof-Sedelhöfe offenzuhalten und den wertvollen Verweilflächen Flexibilität und Großzügigkeit zu verleihen.
Den Hauptaufenthaltsbereich mit einer Bewirtung werden eher im Vorfeld der jetzigen Post vorgesehen, südorientiert unter einem Baumhain, mit Wasser- bzw. Brunnenschale, mit Blick auf die Hauptquerung zu den Sedelhöfen und zum (alten/oder zukünftigen) Bahnhof.
Der Bereich vor dem Hotel und die zum Busbahnhof führenden Platzfelder bleiben ebenfalls frei und offen bespielbar. Das bestehende Hotel kann sich (trotz seiner im Moment eher bescheidenen Architektur) über eine Außenbewirtungsfläche im öffentlichen Raum präsentieren.
Die Ostflanke steht in räumlich engeren Kontakt mit den Platzrändern und darüber hinaus zum öffentlichen Raumnetz der Altstadt und wird dementsprechend nicht weiter belegt.
Die übrigen Sitzgelegenheiten, z.B. unter den Bäumen, inszenieren einerseits den Raum an sich, andererseits sollte der Blick in die Weite schweifen können, so dass Ort und Umgebung immer neu miteinander kommunizieren.

2) Lichtkonzept
Primär sollte der Raum über das Licht spürbar gemacht werden.
Über eine dezente Beleuchtung könnte die wertvolle, hier in Teilen auch neue Bausubstanz gestärkt werden.
Da diese aber in Teilbereichen (noch) unsicher ist oder nicht durchweg die notwendige architektonische Qualität aufweisen kann, wird der Raum primär durch die eingestellten, skulpturalen Einzeldächer ausgeleuchtet.
Großen eingestellten Leuchten gleich, kann über die Untersicht, die lichtstreuende Membran und die dahinter eingebauten LED Strahler eine eigenwillige und ortsprägende aber auch wandelbare Lichtsituation angeboten werden. Wandelbar insofern, dass sich die Strahler entsprechend der Umgebungshelligkeit anpassen können, wandelbar evtl. auch durch Farbspiele.
Eine gleichmäßige Grundausleuchtung ist aber in jedem Fall gegeben. Zusätzlich sind in den optischen Lichtröhren einzelne LED-Punktstrahler eingebracht, so dass die Untersicht innerhalb der wandelbaren Lichtszenarien einem „Sternenhimmel“ gleich eine eigenständige Lichtstimmung anbieten kann.
Die Einzelbäume erfahren durch einzelne Baumstrahler eine zarte, fast skulpturale Ausleuchtung-
Die einzelnen, kleineren, fast „eingestreut“ wirkenden flächenbündigen, optischen Lichtröhren ergänzen das nächtliche Lichtszenario dahingehend, dass die Passagenausleuchtung bei Dunkelheit umgekehrt in den Platzbelag wirken kann.
Insbesondere die o.a. „Sternenhimmel-Einstellung“ lässt in diesem Falle den „leuchtenden“ Stadtboden und die eingestellten Dachelemente in einen direkten Dialog treten. Eine darüber hinaus notwendige, rein funktionale Beleuchtung (außerhalb der eingestellten Lichtdächer) kann direkt im Kontext zu den einzelnen noch notwendigen Abspannungsmasten für die Stadtbahn mit integriert werden.

All diese Lichtelemente müssen nicht gleichzeitig in Erscheinung treten, vielmehr kann über ein präzise gewähltes Szenario die eine Lichtstimmung die andere ablösen oder ergänzen.
Zu besonderen Ereignissen können auch die eingestellten „Lichtschirme“ ein wechselvolles und farbig inszeniertes Lichtspiel anbieten.
Zu einem präzisen Zeitpunkt (z.B. 00.00 Uhr) können einzelne Beleuchtungselemente auch zurückgenommen werden, lediglich die Baumstrahler und die Grundausleuchtung innerhalb der „Lichtschirme“ bleiben spürbar.
Diese Lichtwechsel sind aber jederzeit wandelbar, verhelfen dem "neuen Bahnhofsvorplatz“ zu jeder Zeit, bei Nacht und Tag und über alle Jahreszeiten hinweg, zu einem gestärkten identitätsstiftenden Ort in Ulm.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Bemühen der Verfasser mit großzügig dimensionierten, unterschiedlich hohen Dachelementen dem Platz eine neue Identität von hoher Ausdruckskraft zu schaffen, wird anerkannt.
Analog steht dazu im Spannungsverhältnis eine Platztextur von strenger Ost/West-Linearität, die die Fahrbahnen richtigerweise darin ausnimmt.
Die Positionierung der Baumsetzungen vor dem Hotel- und Postbereich erscheinen willkürlich und lassen keine atmosphärischen Aufenthaltsbereiche entstehen.
Die Verknüpfung von Passage und Tiefgarage mit der Platzfläche ist richtig positioniert, jedoch nicht ausreichend dimensioniert. Der separate Zugang zur Tiefgarage fehlt. Die dadurch erzwungene Wegeführung aller Nutzer über die Passage ist inakzeptabel. Die Fahrradgarage wird nur durch einen Aufzug erschlossen, die geforderte Rampe fehlt. Ebenso fehlt die Ausweisung eines selbstständigen Radweges, die daraus resultierende freie Führung des Radverkehrs über die gesamte Platzfläche ist konfliktreich.
Die hohe Signalkraft der Dächer geht insbesondere bei den überhohen Dächern zu Lasten des Witterungsschutzes. Die reduziert angebotenen, kleinen Wartekapseln können dieses nicht kompensieren. Gleiches gilt auch für den ebenerdigen Fußgängerübergang im Norden, der von den Dächern nur tangiert wird.
Auch wenn die Dächer als Alleinstellungsmerkmal eine hohe Signalkraft entfalten, kann diese die funktionalen Mängel der Arbeit nicht ausgleichen.
Lageplan

Lageplan

Beleuchtungskonzept, Perspektive

Beleuchtungskonzept, Perspektive

Entwurf

Entwurf

Modell

Modell

Modell

Modell

Modell

Modell

Detail

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