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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2019

Besucherzentrum und städtebauliche Entwicklung Mathildenhöhe in Darmstadt

1. Preis / Zuschlag

Preisgeld: 25.000 EUR

Marte.Marte Architekten

Architektur

WES LandschaftsArchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die Planung des Besucherzentrums ist einerseits ein wichtiger Teil der Bewerbung Darmstadts für die Mathildenhöhe als UNESCO-Welterbe, andererseits ist diese auch als erster Schritt zur zukünftigen Wiederbebauung des Osthangs zu sehen.

Ziel
Durch seine Ausrichtung und Lage stellt das Besucherzentrum einen Übergang dar zwischen Ernst-Ludwig-Haus, Hochschule für Gestaltung, dem Ateliergebäude und dem daran anschließenden Parkbereich im Osten. Das Besucherzentrum steht im Spannungsfeld zwischen den bedeutenden kulturellen Einrichtungen und dem Übergang zum großen Landschaftsraum mit Rosenhöhe/Oberfeld im Osten. Die Gestaltung des Freiraums folgt der Schlichtheit der Architektur und vermittelt zwischen diesen beiden Qualitäten.

Lage am Osthang
Ab dem Jahr 1800 lässt Prinz Christian den ehemaligen Weinberg in einen Park im Stil eines englischen Landschaftsgartens umgestalten. Der Osthang war zu diesem Zeitpunkt Teil des Parkgeländes. Den „landschaftlichen Formen“ des Parkgeländes Richtung Westen steht ab 1914 im Zuge der dritten und letzten Ausstellung mit mehrgeschossigen Gebäuden (Planung: Albin Müller) eine Bebauungsstruktur gegenüber, die sich orthogonal zum Ausstellungsgebäude entwickelt. Diese Ausrichtung der Gebäude wird später auch mit dem Bau der Hochschule für Gestaltung übernommen. Als einziges von 1914 noch erhaltenes, denkmalgeschütztes Gebäude ist das Ateliergebäude von Albin Müller Teil der ursprünglichen Struktur. Schon früh wurde auf die Bedeutung des Osthangs als Bindeglied zwischen dem großen Landschaftsraum mit Rosenhöhe/Oberfeld und der Mathildenhöhe hingewiesen. Deren Bespielung erfordert größte Sorgfalt. Zukünftig soll der Osthang der Kultur vorbehalten bleiben. Langfristig soll dort ein Gebäude für die städtische Kunstsammlung und das Institut für Neue Technische Form (Intef) errichtet werden.

Freiraum am Besucherzentrum
Westlich des Gebäudes befindet sich ein städtischer Platz als Entrée, welches in seiner Farbigkeit und Materialität den Bereich zwischen Ausstellungsgebäude, Ernst-Ludwig-Haus, Hochschule für Gestaltung und Besucherzentrum als eine einheitliche, ruhige Fläche darstellt. Dem Erscheinungsbild der Architektur entsprechend schlagen wir vor, diese Fläche und die übrigen an das Gebäude anschließende Flächen als helle Ortbetonfläche herzustellen. Die erforderlichen Dehnungsfugen sollen möglichst weit auseinander liegen (Quadrate von 6m x 6m). Die Oberflächenentwässerung erfolgt sehr zurückhaltend über eine an der Grundstücksgrenze liegende Schlitzrinne. Die südlichen und östlichen Freiflächen werden als Rasenflächen ausgebildet. Der grüne Park des Osthangs umschließt das in die Topografie eingebettete Gebäude.

Topografie
Das Gelände fällt nach Osten hin sanft ab. Übergeordnete Parkwege werden unaufgeregt und zurückhaltend ausgebildet. Die Oberflächen der leicht geschwungenen Wege bestehen aus wassergebundener Decke.

Übergang zum Ateliergarten
Auf historischen Photographien sieht man sehr schön, wie sich der Ateliergarten einst zu den Seiten hin als erhabene Fläche terrassenartig von der Umgebung abgesetzt hat. Er war nicht „hortus conclusus“ sondern ganz im Gegenteil – ein räumlich markanter Garten, der sich durch eine Stützmauer von der Umgebung abhob. Er war eingefasst von einem Geländer und umrahmt von einer pergolaartigen Struktur. Der Blick auf die hohe, südliche Stützmauer des Ateliergartens soll wieder hergestellt werden. Zwischen dieser Wand und der Nordfassade des Besucherzentrums vermittelt eine lang gezogene „Eselstreppe“ zwischen dem Niveau des östlichen Parks und dem begehbaren Bereich südlich der Hochschule für Gestaltung.

Tief liegender Hof
Von den Büroräumen und dem Workshop-Raum in der Grundrissebene -01 aus gibt es Ausblicke nach Norden in einen kleinen Innenhof. Der Blick wird frei auf eine Mauer, die einerseits die nördliche Abgrenzung des Hofs bildet, gleichzeitig auch die südliche Stützwand für den Fluchtweg der Hochschule für Gestaltung darstellt. Die ca. 4,50m hohe Wand bildet den Hintergrund für ein grünes Gemälde: Von einem Stahlrahmen eingefasst können Rankpflanzen (z.B. Wilder Wein) an der Mauer oder entlang eines Klettergerüstes wachsen. Die Entwässerung des Innenhofs erfolgt über eine Schlitzrinne am nördlichen Rand der Ortbetonfläche.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Wertschätzung des Osthang als stark be- und durchgrüntes Areal wird der städtebaulichen Entwurfsstrategie zugrunde gelegt. Damit verbunden ist ein vergleichsweise reduziertes Angebot an sichtbaren baulichen Erweiterungsflächen und -Volumen.
Der Bebauungsvorschlag im Norden hat wenig raumbildende Wirkung, der sensible Umgang mit dem Osthang wird jedoch gelobt. Die Blickbeziehung zum Ateliergebäude von Albin Müller ist schon vom Olbrichweg vorhanden. Mit der Außenterrasse vor dem Ausstellungsraum wird die Verbindung zum Osthang hervorragend inszeniert. Allerdings wird durch den Bau des Besucherzentrums ein schützenswerter Baum entfallen müssen.
Der Vorschlag für die auf den ersten Blick zurückhaltend erscheinende, den Osthang respektierende Bebauung entspricht der städtebaulichen Haltung. Die Konsequenz die geforderten Flächen großteils unterirdisch unterzubringen und dazu den Hang großflächig zu unterbauen ist jedoch nicht akzeptabel, da dadurch nahezu alle Bestandsbäume entfallen würden. Bei Beibehaltung der Parkfuge erscheint jedoch eine maßvolle Nachverdichtung möglich und sollte überprüft werden. Die eingefügten Wasserelemente auf dem Platzraum sind nicht nachvollziehbar.
Das Besucherzentrum funktioniert aufgrund der Gesamtdisposition auch ohne die vorgeschlagenen Erweiterungen aus dem Ideenteil. Das Gebäude positioniert sich als eigenständiger Baukörper in seinem städtebaulichen Umfeld zwischen Park und Platzraum.
Im Preisgericht wird der direkte Bezug des Besucherzentrums auf die Traufhöhe des Hochschulgebäudes kontrovers diskutiert. Die Qualität der öffentlichen Räume wird positiv bewertet. Erschließung und Anlieferung funktionieren gut.
Das Haus erfüllt die Aufgabe eines Durchgangsraum für die Vorbereitung auf das Areal der Mathildenhöhe sehr gut und ist als ein Ort der Informationsvermittlung klar auszumachen. Es öffnet sich im Eingangsgeschoß konsequent nach Südwesten zum Platz und nach Nordosten zum Ateliergarten. Das Gebäude lässt aber eine eindeutige Haltung im Umgang mit der Topographie vermissen und opfert dem Spiel der geschlossenen und offenen Volumen zwischen Eingangsgeschoß und dem sich darunter entwickelnden Geschoß die erforderliche Arbeitsplatzqualität für die Büroräume. Speziell die Bereiche, wie und wo das Gebäude mit der Landschaft in Berührung kommt, bedürfen aber der gestalterischen, funktionalen und konstruktiven Überprüfung.
In Bezug auf seine räumlichen Angebote ist es durch seine offene und vielseitig nutzbare Grundstruktur flexibel und zukunftsfähig. Der fünften Ansicht des Daches wird durch die spezielle Ausgestaltung der Dachbekleidung mit dem flächenbündig integrierten Oberlicht für das Treppenhaus Rechnung getragen.
Die Barrierefreiheit ist gewährleistet. Das Flächenangebot ist unterschritten, erscheint aber durch seine funktionalen Zuordnungen ausreichend.
In der Materialisierung wollen die Verfasser Bezug auf das vorkommende Material auf der Mathildenhöhe nehmen und entwickeln eine Fassade aus Stampfbeton, welche im Kontrast zu den großzügigen gläsernen Öffnungen steht.
Das Tragwerk und Konstruktion ist folgerichtig gewählt, auch wenn sie im Bereich der Auskragungen mit einem entsprechenden bauphysikalischen Aufwand erkauft werden müssen.
Das Gebäude ist durch seine Kompaktheit wirtschaftlich und lässt sich mit überschaubarem Aufwand betreiben.
Die unprätentiöse Entwurfshaltung fokussiert sich auf die Inszenierung des landschaftlich geprägten Osthangs mit dem Ateliergebäude von Albin Müller und dem urbanen Gefüge mit den Gebäuden von Olbrich und der Hochschule. In seinem zweigeschossigen Aufbau ist das Gebäude sehr übersichtlich organisiert und entspricht in hohem Maße den funktionalen Anforderungen an ein Besucherzentrum.
Lageplan

Lageplan

Schwarzplan

Schwarzplan