Nichtoffener Wettbewerb | 11/2022
Bildungscampus Gallus in Frankfurt am Main
©h4a Architekten
Perspektive
ein 1. Preis / Zur Weiterbearbeitung empfohlen
Preisgeld: 144.600 EUR
h4a Gessert + Randecker Architekten | h4a Gessert + Randecker + Legner Architekten
Architektur
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Verfasser:
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Mitarbeitende:
Leonard Beltramo, Alexander Heimbuch, Philipp Dornhof, Sarah Fischer, Alexander Zemtsov
P-38 Landschaftsarchitekten + Stadtplaner Part mbB
Landschaftsarchitektur
Beurteilung durch das Preisgericht
Das Konzept des Projektes liefert eine sehr gute und der Aufgabe in vielerlei Hinsicht angemessene Antwort auf die komplexe Frage, wie ein offener zeitgemäßer Bildungscampus aussehen und mit dem bestehenden städtischen Kontext zwanglos verwoben werden kann. Der Bildungscampus wird als offene Bildungs –„Landschaft“ aufgefasst. Die umgebenden Bestandsbauten des Quartiers mit ihrer weitestgehend geschlossenen Bebauung bilden hierfür den städtebaulichen Rahmen, in dem die von den Verfasser:innen entwickelten quadratischen 3–4-geschossigen Bauvolumen präzise platziert werden. In den Erdgeschossen sind die quadratischen Baukörper teilweise miteinander verbunden, was zu einer Steuerung der Wegebeziehungen und zur Raumfassung der Freiräume beiträgt, ohne die entstehenden Räume hermetisch erscheinen zu lassen. Wie selbstverständlich werden die bestehende Kita und das Café an der Frankenallee in das Konzept mit eingebunden. Der Schulaltbau wird in seiner Großmaßstäblichkeit über einen vorgestellten kleineren Neubau geschickt in die Gesamtanlage integriert, so dass in der Summe eine gelungene wohlproportionierte Abfolge aus Gebäuden und Freiräumen entsteht. Die Wegebeziehungen aus dem Quartier werden unprätentiös in den Campus, auf und über einen zentralen Platz, der Campusmitte geführt. Es wird auf jegliche Achsenbildung oder hierarchische Geste verzichtet, gleichwohl wird mit der Baukörperstellung sensibel auf die unterschiedlichen städtebaulichen Randbedingungen reagiert (z.B. Anschluss Parkachse).
Die Campusmitte ist von zentraler Bedeutung und konsequenterweise gruppieren sich um diese Mitte die wichtigsten Nutzungen, die von Schülern und den Quartiersbewohnern gleichermaßen genutzt werden können. Alle entwurflichen Entscheidungen tragen dazu bei, den Campusplatz mit Leben und Bedeutung zu füllen und lassen im besten Sinne auch das soziale Miteinander und die damit verbundene Kontrolle der öffentlichen Räume im Campus erwarten. Bei allen Qualitäten der städtebaulichen Setzungen ist es schwierig, der Paul-Hindemith-Schule eine eindeutige Pausenfläche zuzuordnen. Ein offenes Konzept scheint in diesem Punkt noch nicht ausgereift. Grundsätzlich wird die geplante Teilung der Schulhofflächen der PHS von der Schulleitung unter dem Aspekt der Aufsichtspflicht sehr kritisch gesehen.
Rund um die Campusmitte sind die Nutzungen angeordnet, die in der Phase 0 als Campusherz definiert wurden. Die Eingänge der unterschiedlichen Institutionen erhalten richtig positionierte, gut auffindbare Adressen. Die inhaltlichen Ziele des Bildungscampus und die in der Leistungsphase 0 erarbeiteten Anforderungen sind im Wesentlichen sehr gut umgesetzt. Die Lage und Grundrissorganisation des Jugendhauses, sowie die äußere und innere Organisation der Turnhallen, Mensa/ Aula und der Bibliotheken überzeugen die Jury in ihrer Durcharbeitung. Gleiches gilt für die Anordnung der TSO und PHS und deren innerer Organisation, insbesondere der von den Verfasser:innen entwickelten Lerncluster. Leider gibt es deutliche Schwächen in der Durcharbeitung des Bausteins Kinderhaus, das in der Lage zwar richtig, in der räumlichen Durcharbeitung und Belichtung aber ungenügend ist. Gleiches gilt für das Kinderzentrum (Krippe/Kita/ Hort). Hier werden insbesondere die teils großen Raumtiefen, bzw. innenliegenden Aufenthaltsräume kritisiert. Dem gesamten Baustein fehlen angemessene Außenflächen. Die Überplanung der Freiflächen Bolzplatz und Kinderspielplatz am Quäkerplatz ist nicht möglich.
Die gestalterischen und technischen Voraussetzungen für eine barrierefreie Nutzung aller Teile des Bildungscampus sind durchgängig umgesetzt. Die eigentliche Qualität des Entwurfes liegt darüber hinaus in der Niederschwelligkeit der Angebote und der guten Vernetzung mit dem Quartier und der Institutionen untereinander, so dass ein hoher Grad an Inklusion und Teilhabe aller angesprochener Zielgruppen zu erwarten ist.
Die von den Verfasser:innen vorgeschlagenen Konstruktionen als Kombination von Beton und Holzbau sind kohärent mit der gewählten Gebäudeform und demonstrieren gute Kenntnis zum Thema CO2 reduziertes Bauen im Verhältnis zu brandschutztechnischen Anforderungen. Wirtschaftliche Errichtung und Betrieb sind auch unter dem Aspekt der vorgeschlagenen einfachen technischen Konzepte plausibel. Themen der Nutzung regenerativer Energien, „Cradle to Cradle“ und stadtklimatisch relevante Begrünungen sind glaubhaft adressiert.
Die Fassadenentwürfe wirken ruhig, atmosphärisch heiter und wohlproportioniert. Es wird ein gestalterisches Grundthema entwickelt und daraus für die unterschiedlichen Nutzungen Varianten und Spielarten abgeleitet, was den Quartiersgedanken unterstreicht. Darüber hinaus gelingt es den Verfasser:innen über Farb- und Materialwahl den Altbau überzeugend zu intergieren.
Das Projekt liefert in vielen Aspekten einen wertvollen Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit. Über die Verwendung zeitgemäßer technischen Lösungen hinaus überzeugt die Haltung der Entwurfsverfasser vor allem durch die gewählte Entwurfsstrategie, mit der es gelingt in dieser Arbeit ein offenes System für den Bildungscampus zu entwickeln, der über große Flexibilität in der Gestaltung und der Nutzung verfügt. Aus der Rationalität und der Flexibilität dieser nachhaltigen Designstrategie entsteht eine große Resilienz der entwickelten Strukturen gegen nutzungstechnische Änderungen und architektonischen Moden. Auch gestalterisch darf diese Arbeit als zukunftsträchtig gelten, da sie sich formal wohltuend zurückhält. Aus dieser Haltung entsteht ein neuer Lebensraum, der– analog der vielgelobten und geschätzten Gründerzeitbauten einen Rahmen und Hintergrund für alle Aktivitäten der Nutzer bildet, ohne sich selbst in den Vordergrund zu spielen und gleichzeitig über sehr lange Zeit auch Änderungen an Geschmack und Nutzung standhalten kann. Eine abschnittsweise Realisierung ist über einen längeren Zeitraum hinweg innerhalb der getroffenen Entwurfsstrategie sehr gut möglich.
Die klare Geometrie der Bebauung und der Platzflächen werden durch amorphe Pflanzinseln gebrochen, die auf natürliche Weise die Besucher innerhalb des Campus und auf den Wegeverbindungen zu den angrenzenden Quartieren leiten. Lediglich der Zugang gegenüber dem Lotte-Specht-Park wird innerhalb der Hauptwegeachse durch die dichte Baumstellung als zu geschlossen empfunden. Als störend und abriegelnd werden in diesem Bereich auch die intensiv genutzten Freiflächen der Paul-Hindemith-Schule gesehen. Die orthogonale Zonierung der verschiedenen Nutzungen und deren Zuordnungen korrespondieren mit der Architektur der Hochbauten und bilden, verstärkt durch die unterschiedlichen Belagsarten, ein belebendes Element innerhalb der Gestaltung der Freiräume. Problematisch erscheinen insbesondere die auf den Dachflächen des Kindergartens positionierten Spiellandschaften, aufgrund der eingeschränkten Aufbaumöglichkeiten (Begrünung) und der aufwändigen Sicherungsmaßnahmen. Die Geländebeanspruchung von öffentlichen Spielflächen, im Süden des Kindergartens, widerspricht den Vorgaben der Auslobung! Ebenso kritisch wird die Anlage von zwei voneinander getrennten Pausenhöfen an der Paul-Hindemith-Schule gewertet, da somit der Aufwand für die Pausenaufsicht nicht mehr geleistet werden kann. Insgesamt gesehen, sind die räumlichen Kompositionen und Zuordnungen in den Freiräumen schlüssig und werden dem Anspruch für eine Vernetzung des städtebaulichen und sozialen Umfeldes gerecht.
Im Rahmen der sehr komplexen Aufgabenstellung ist es den Verfassern gelungen, eine Entwurfsstrategie zu entwickeln, die die Idee des offenen und zukunftsweisenden Bildungscampus in weiten Teilen sehr gut umsetzt. Sie haben damit einen robusten Rahmen geschaffen, der eine erfolgreiche Umsetzung in Hinblick auf stadträumliche, gesellschaftliche und die Bildungslandschaft betreffenden Ziele erwarten lässt.
©h4a Architekten
Perspektive
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