Award / Auszeichnung (auch für Studenten) | 11/2023

competitionline CAMPUS Award 2024

©Andreas Kretzer

Übersicht Dioramen

Preis Fakultätsprojekte - Protest/Architektur – Architektur-Dioramen von Protestcamps
Preisgeld: 1.000 EUR

Hochschule für Technik Stuttgart | HFT Stuttgart

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Technische Universität München | TUM | TU München

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Prof. Andreas Kretzer

Architektur

BETEILIGTE HINZUFÜGEN

Erläuterungstext

Protest/Architektur – Architektur-Dioramen von Protestcamps

Zeitkapseln baulicher Strukturen, in denen sich Protest räumlich manifestiert

Szenografie-Studierende konservieren flüchtige Architekturen in ultrarealistischen Dioramen

Anlässlich der Ausstellung „Protest/Architektur. Barrikaden, Camps, Sekundenkleber“ im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt am Main untersuchten Bachelor-Studierende der TU München (Wintersemester 2022/23) sowie Bachelor- und Master-Gaststudierende der HFT Stuttgart (Sommersemester 2023) bauliche Strukturen, in denen sich Protest räumlich manifestiert, und erarbeiteten neun detailreiche Architektur-Dioramen ausgewählter Protestarchitekturen als Exponate im Maßstab 1:10.

Mit detektivisch-forensischem Blick wurde der „Tatort“ Protestcamp wörtlich genommen und aufwendige Spurensuche betrieben, um visuelle Charakteristika in das Architekturmodell zu überführen. Planzeichnungen existierten nur spärlich oder gar nicht und mussten aus Fotografien neu bzw. rekonstruiert werden, da die Studienobjekte größtenteils nicht mehr existieren.

Entwerfen ist eine Serie richtiger Entscheidungen – in diesem Fall bei der Übersetzung in den Modellmaßstab. Dabei kamen szenografische Arbeitsweisen zum Einsatz. Welcher Zeitpunkt bzw. welches Zeitfenster (baulicher Zustand im Verlauf des Protests, Jahreszeit, Wetter) wird gewählt? Welche Szenografie und welcher Ausschnitt sind signifikant für die Protestarchitektur? Welche Bauten sind signature buildings und waren medial besonders präsent und prägend?

Pars pro toto – der Ausschnitt wird zur Bühne und dreidimensionalen Konserve. Wie im Film spielt das Off auch im Closeup mit, muss deshalb mitgedacht werden und in den Modellraum hineinwirken. Verdichten, aber nichts dazu erfinden. Zentrale Elemente des Protests – Menschen, Bewegung, Geräusche – fehlen. Props sind die Protagonisten der Szene und werden sorgfältig komponiert. Im Unterschied zu gewöhnlichen Entwürfen werden benutzte Strukturen (Patina, Korrosion, Schmutz) und Spuren menschlicher Handlungen zum Thema.

Durch den hohen Improvisationsgrad mit Ready-mades und die Aneignung des Vorhandenen (Stadtmöbel, Straßenlaternen etc) setzten sich die Studierenden mit anonymen, experimentellen und temporären Bauten sowie besonderen Formen des Re-Use auseinander und reproduzierten deren Entstehungsprozess en miniature. Auf diesem Weg entdeckten sie, dass auch Proteste gestaltet werden, ihre eigene Architektursprache entwickeln und als Selbstdarsteller für die Kamera posieren: Zeichen, Gesten und Symbole.

Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum, Frankfurt am Main: 6. September 2023 bis 14. Januar 2024

https://dam-online.de/veranstaltung/protest-architektur/

Ausstellung im MAK - Museum für angewandte Kunst, Wien: 14. Februar 2024 bis 25. August 2024

https://www.mak.at/protestarchitektur

Euromaidan, Kyiv: Henry Höcherl und Lukas Müller, TU München

Freie Republik Wendland, Gorleben: Tuvanna Gül und Maria Karaivanova, TU München

Hüttendorf Startbahn West, Frankfurt am Main: Todor Rusev und Selin Uyarlar, TU München

Lobau bleibt, Wien: Laurie Castella und Mathilde Larose, TU München

Movimiento 15-M, Madrid: Gamze Ceylan, Beyza Günaydin, Christina Krammer, Alexandra Delgado Reboll, Müge Özkan und Nazlican Yesilyurt, HFT Stuttgart; Nini Huang, TU München

Occupy Wall Street, New York: Tang Yishui und Xu Xiaoru, TU München

Resurrection City, Washington: Juliana Baumgart und Anggiolina Garcia, TU München

Tahrir Square, Kairo: Tanushree Arya, Billur Duru, Sayali Khadse und Annet Thomas, HFT Stuttgart

Umbrella Movement, Hong Kong: Revna Elif Çelik, Stefan-Alin Fulop, Iulia-Alexia Hent, Chan Man Hiu, Ceren Ìzgi und Tam Wan Ting Wylie

Beurteilung durch das Preisgericht

"Die Ausstellung ist ein Spiegel unserer Zeit", so Oliver Hantke. Die Jury lobt, dass ein aktuelles gesellschaftliches Thema in der Lehre aufgegriffen und in einer Ausstellung thematisiert wurde. Vor dem Hintergrund von Kriegen, Klimakrise und sozialer Spaltung seien Protestcamps ein architektonisches Mittel, um Stellung zu beziehen. "Gesellschaftliche Problemstellungen mit Architektur zu verknüpfen, stärkt die Relevanz des architektonischen Schaffens", so Henning von Wedemeyer. Das Seminar sei gut geeignet, Studierende für andere architektonische Ausdrucksformen zu sensibilisieren. Dirk Bonnkirch-Reineau lobt die handwerklich professionell gefertigten Miniaturen, die als Grundlage für einen Diskurs mit der Öffentlichkeit dienen können.

"Die Arbeit dokumentiert bis ins kleinste Detail, welche Strukturen und Architekturen entstehen, wenn Protest räumlich übersetzt wird", sagt Ramona Schwertfeger. Die Protestcamps sind laut Jury auf eine ursprüngliche Form der Architektur reduziert, die sich auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse beschränkt. So entstünden einzigartige räumliche Situationen. "Die Studierenden haben auf beeindruckende Weise Momente eingefangen, in denen die Protestcamps den Stadtraum verändert haben", sagt Max Malte Messner. Die Ausstellung demonstriere, wie sich Menschen den öffentlichen Raum aneignen und als temporären Lebensraum umwidmen, um durch räumliche Präsenz auf Missstände aufmerksam zu machen. "Dieser Aspekt macht das Projekt besonders zeitgemäß und relevant", betont Petra Vondenhof-Anderhalten.

Die realistischen Fotografien und der Modellbahncharakter der Miniaturen erwecke einen "lieblichen Eindruck", doch dahinter verberge sich ein ernstes Anliegen. "Mit der Ausstellung wurde ein toller Weg gefunden, um die Botschaften der kurzlebigen Protestcamps einzufangen und zu konservieren", sagt Leon Radeljic. Dirk Bonnkirch-Reineau betont: "Es gibt eine gesellschaftliche Erwartungshaltung gegenüber Architekt*innen, bei wichtigen Themen Haltung zu zeigen." Die bewusste Auseinandersetzung damit im Studium könne ein Signal für Studierende sein, den Mut zum Engagement aufzubringen.

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Detailaufnahmen

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Detailaufnahmen

©Moritz Bernoully