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Einstufiger, nicht offener, regional begrenzter Realisierungswettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren | 02/2023

Grünes Viertel Stephansstift in Hannover

Perspektive 01

Perspektive 01

3. Preis / Baufeld 3

raumwerk Gesellschaft für Architektur und Stadtplanung mbH

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

GHP Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebauliche Einbindung, ein lebendiger Stadtbaustein

Das Baufeld 3 befindet sich an einer wichtigen Position im neuen Grünen Viertel Stephanstift in Hannover Kleefeld. Es fungiert als lebendiger Treffpunkt für Sport, Fitness, Mobilität und Einkaufen. Ein Großteil der Quartiersbewohner:innen nutzt das vollautomatische Systemparkhaus die Möglichkeit zum Einkaufen oder kommt zu gemeinsamen Fitnessübungen in den Innenhof und geht zu Fuß weiter in das Viertel. Das Gebäudeensemble wird zum lebendigen Stadtbaustein, der über die öffentlichen Nutzungen im Erdgeschoss in das neue Quartier eingebunden ist. Die offene Blockstruktur in Form windmühlenartig angeordneter Baukörper sorgt für einen gut belichteten Innenhof und gut organisierbare Wohnungsgrundrisse. Durch die offenen Blockränder entsteht ein interessantes räumliches Wechselspiel von grünen Fugen und Fassaden, von Blockaußen- und Innenseiten. Die beiden Erker an den Gebäudeecken der Häuser 3.1 und 3.4 setzen stadträumliche Akzente und markieren die Zugänge zu den öffentlichen Durchwegungen. Wechselnd ausgeprägte privaten Freibereiche mit Loggien und in die Vorgartenzone auskragende Balkone sorgen für abwechslungsreiche Straßenräume.

Materialität und Wertigkeit, Bezug zum Ort

Die neuen Gebäude im Baufeld 3 sollen durch die Materialität und Wertigkeit ihrer Fassaden das 1897 errichtete historische Hauptgebäude der Pflegeanstalt Annastift weiterentwickeln. Aus diesem Grund werden die gestaltprägenden Prinzipien des von Heinrich Wegener errichteten Gebäudes aufgenommen und transformiert. Die neuen Häuser präsentieren sich mit leicht unterschiedlich gefärbtem rotem Ziegel an den Hauptfassaden und dem Dach sowie mit weißen Fensterelementen. Die artikulierte Sockelzone mit einer vorspringenden Rollschicht aus Ziegelsteinen, Gesimsen aus Beton und den farblich markierten Eingängen verleiht den Häusern eine klassisch anmutende Wertigkeit. Die plastische Durcharbeitung mit Vertiefungen gliedern die Fassade und sorgen für eine Ablesbarkeit der unterschiedlichen Hauseinheiten. Markante Loggien an der Gebäudeecke, die beiden erkerförmigen Überhöhungen und die einzelnen Dachgauben setzen zusätzliche städtebauliche Akzente. Im Kontrast zur äußeren Stadtfassade steht die innere Hoffassade, die durch warme Materialien wie hellgraue Putzflächen und Holzwerkstoffe geprägt sind. Begrünte Rankgerüste als vertikale Fassadengliederung an den Balkonen sorgen für ein angenehmes Mikroklima und gewährleisten als Sichtschutz die Privatheit für die Bewohner:innen.

Baukonstruktion

Alle Mehrfamilienhäuser und die Tiefgarage werden in Massivbauweise errichtet. Sowohl die tragenden Wände wie auch die Wohnungstrennwände werden in Mauerwerk ausgeführt. Die Geschossdecken bestehen aus 22cm dicken Stahlbetondeckenplatten nach statischem Erfordernis. Die Außenwände werden aus 24cm Ziegelmauerwerk mit einer 12cm dicken Wärmdämmung und unglasiertem Vollsteinklinker hergestellt. Loggien und Balkone sind als thermisch getrennte Stahlbetonfertigteile ausgeführt. Die Aussteifung der Gebäude erfolgt über die Treppenhaus- und Aufzugskerne aus Stahlbeton sowie in Teilen über die Wohnungstrennwände. Das Untergeschoss der teilunterkellerten Mehrfamilienhäuser sowie die Tiefgarage (Bodenplatte und Außenwände) sind aus WU-Beton geplant. Nichttragende Innenwände sind unter Berücksichtigung des erforderlichen Schallschutzes als Leichtbauwand/Trockenbauwand ausgeführt.

Brandschutz

Die neuen Gebäude können für die Rettungskräfte der Feuerwehr über die öffentlichen Verkehrsflächen und die Durchwegungen im Quartier erreicht werden. Hier befinden sich auch die erforderlichen Aufstellflächen für die Feuerwehr. Die baulichen Rettungswege für die Wohnungen in den Obergeschossen sind über die Treppenräume der Gebäude sichergestellt. Der alternative Fluchtweg erfolgt mit dem Hubrettungsfahrzeug über die anleiterbaren Fenster bzw. auf der Gartenseite bis zum 2. OG mit tragbaren Leitern der Feuerwehr. Die gewerblichen Flächen im Erdgeschoss wie auch die Tiefgarage haben jeweils zwei voneinander unabhängige bauliche Rettungswege.

Erschließung und Mobilität
Das autoarm entwickelte Wohnquartier wird über die beiden angrenzenden Hauptstraßen erschlossen. Die Tiefgaragenabfahrt ist zusammen mit der Anlieferung des Nahversorgers an der Ostseite des Hauses 3.4 integriert. Oberirdische Kfz-Stellplätze sind nur im südlichen Bereich für den Nahversorger vorgesehen. Die nachzuweisenden Fahrradabstellplätze befinden sich jeweils an den Gebäudeeingängen (10% Besucher) und in den Fahrradräumen im Untergeschoss. Zusätzliche kleine Abstellräume, die durch die Bewohner:innen des Viertels angemietet werden können sind in zwei Geschossen an der Rückseite der Quartiersgarage vorgesehen. Die Unterflursysteme für die Müllentsorgung sind an zwei zentralen Sammelstellen für alle Bewohner gut erreichbar positioniert, sodass die Laufdistanz bis zur Entsorgungsstelle max. 50m beträgt. Für die Abholung sind die Sammelstellen durch den Entsorgungsbetrieb einfach anzudienen.

Energetisches Konzept und Nachhaltigkeit

Alle Gebäude sind klimaneutral über ihren Lebenszyklus von mind. 50 Jahren konzipiert. Durch ihre kompakte Bauweise und den Einsatz von nachhaltigen Baustoffen erfüllen Sie den KfW 40 Standard gem. DIN 4108 Beiblatt 2. Als aktive Komponenten sind hierfür auf allen Dächern fest in die Dachhaut integrierte Photovoltaikmodule installiert. Agri PV Module über den Dachflächen der Quartiersgarage und des Nahversorgers ergänzen die vorgesehenen Flächen für die Stromerzeugung und dienen gleichzeitig als Schattenspender für die darunter liegende Nutzung. Die Beheizung der Wohnungen erfolgt über regenerative Energiequellen wie Holzpellets oder Wärmepumpen.
Bei der Konstruktion des Gebäudes werden Rückbau- und recyclingfähige Materialien eingesetzt, wie zB. Außenwände aus Proton, Vollsteinklinker und Dämmung aus Mineralwolle, welche die Voraussetzungen für eine sortenreine Trennung der später anfallenden Reststoffe schaffen. Die durch dem Abriss der vorhandenen Gebäude anfallenden Klinker werden für die Wiederverwendung im Neubau gereinigt und aufbewahrt.

Wirtschaftlichkeit, Flächeneffizienz

Die geforderte Wirtschaftlichkeit für das Projekt wird durch eine hohe Flächeneffizient und ein stringentes Achsraster in allen Gebäuden erreicht. Wohnungstrennwände sind über alle Geschosse konsequent ohne Versprünge bis zur Bodenplatte geführt, sodass eine einfache Lastabtragung möglich ist. Eine einfache Hausinstallation ist möglich, da die meisten Wohnungen nur über einen Steigeschacht versorgt werden. Der Dachraum über dem 4. OG wird als Abstellraum für die Bewohner:innen nutzbar gemacht, sodass auf kostenintensive Kellerabstellräume verzichtet werden kann. Im Untergeschoss sind lediglich die Hausanschlussräume und die Fahrradabstellräume angeordnet.

Barrierefreiheit

Alle Gebäude und deren Zugänge zu den Außenbereichen sind barrierefrei erreichbar. Insgesamt können 15 Wohnungen (entspricht 36%, gefordert ist 12,8%) als rollstuhlgerechte Wohnungen ausgeführt werden.

Freiraum, Privatheit und Gemeinschaft

Das Freiraumkonzept ist durch drei Raumtypen gekennzeichnet, welche sich jeweils aus der städtebaulichen Grundstruktur ergeben und im Zeichen des gemeinschaft- und nachbarschaftlichen Miteinanders stehen. Die Raumtypen erzeugen dabei unterschiedliche Atmosphären der Privatheit und Vermitteln auf unterschiedliche Weise zwischen dem Außen und dem Innen. So entstehen vielschichtige Räume, die den Bedürfnissen der Bewohnern:innen gerecht werden. Im Zentrum des Baufelds bietet die AKTVE MITTE eine kleinteilige, durch Sport- und Fitnessangebote geprägte Struktur, die sowohl den Bewohnern des gesamten Viertels zugutekommt. Die Sportstationen werden durch hohe Stauden- und Gräserpflanzungen eingefasst und bilden so introvertierte und extrovertierte Flächen aus. Die an den Mobilitäts-Hub angrenzende Außentreppe wird in das Konzept der Aktiven Mitte integriert und erhält einen Fitness-Parkour sowie eine Boulderwand. Die VERTEILER FUGEN bilden die kommunikativen Gelenkpunkte, die zwischen der Aktiven Mitte und den umliegenden Baufeldern vermitteln und die zentralen Anschlusspunkte vernetzen. Diese werden durch eine West-Ost-Verbindung durch den Hof verknüpft und ermöglichen so eine direkte Verbindung zwischen dem Quartiersplatz im Westen und dem Mobilitäts-Hub und der Service-Station im Osten des Baufelds.
Zwischen den Wohngebäuden spannen sich die GRÜNEN WOHNZIMMER auf. Unter Obstgehölzen entstehen hier grüne, introvertierte Treffpunkte für die Hausgemeinschaften, welche Raum für spontane Begegnungen sowie geplante Zusammenkünfte bieten. Die Wohnzimmer werden durch dichte Pflanzungen umschlossen und ermöglichen so eine konfliktfreie Koexistenz von privaten Gärten und Gemeinschaftsflächen. Auch die Dachflächen des Studierendenwohnheims und der Quartiersgarage werden aktiviert. So entsteht auf dem Dach des Mobilitäts-Hubs ein gemeinschaftlich nutzbares FARM-DACH mit Kräuter- und Gemüsenbeeten sowie Gewächshäusern. Die Dachfläche des Studierendenwohnheims wird als grünes LERN-ZIMMER entwickelt, welches zur Erholung, zum Austausch und zum Lernen genutzt werden kann. Um einen möglichst geringen Versiegelungsgrad zu erreichen ist der größte Anteil der Freiflächen entweder als Grün- oder als wasserdurchlässige Fläche (Wassergebundene Wegedecke, Rasengitterstein) geplant. In der Aktiven Mitte sind zusätzlich zwei großzügig dimensionierte Retentionsmulden vorgesehen, die zusammen mit den Verdunstungsbeeten entlang der Nord-Südverbindung eine natürliche Regenwasserversickerung ermöglichen. Ein Teil des anfallenden Regenwassers wird in Zisternen gespeichert und zur Bewässerung des Farm-Dachs, sowie den Grünflächen des Baufelds genutzt.

Insgesamt entsteht ein facettenreicher naturnah gestalteter ökologischer Freiraum, an dem sich die Bewohner:innen und die Quartiersgemeinschaft begegnen können.


Beurteilung durch das Preisgericht

Unter dem Motto der ‘aktiven Mitte’ formulieren die Verfasser:innen einen lebendigen und vielfältigen Stadtbaustein. Die offene Blockstruktur in Form der windmühlenartig angeordneten Baukörper wird genutzt, um einen großzügigen zentralen Freiraum als neues aktives Zentrum für das gesamte Quartier zu entwickeln.
Selbstverständlich und angemessen wird die aktive Mitte durch ein klar strukturiertes und ruhiges Gebäudeensemble gerahmt. Wichtige stadträumliche Zugänge werden durch die plastische Ausarbeitung in Form von Erkern betont. Ein Wechselspiel von Balkonen und Loggien sowie leichten Vertiefungen lassen zudem ein abwechslungsreiches Straßenbild entstehen.
Die äußere Stadtfassade wird durch Ziegel in unterschiedlichen Farbtönen zusammengefasst. Die Hoffassade dagegen wird aus hellen Putzflächen und Holzwerkstoffen bewusst kontrastierend ausformuliert. Es entsteht ein interessantes Wechselspiel zwischen Innen und Außen. Erschließung und Grundrissgestaltung der nördlichen Baukörper sind solide und nachvollziehbar. Die Grundrisse für Housing-First und studentisches Wohnen sind dagegen wenig überzeugend.
Besonders hervorzuheben ist das differenzierte Freiraumkonzept. Neben der durch Sport- und Bewegungseinheiten geprägten aktiven Mitte werden schlüssige private und hausöffentliche Freiräume angeboten. Sogenannte ‘grüne Wohnzimmer’ bieten beispielsweise geschützte Treffpunkte für die Hausgemeinschaften und ein ‘grünes Lernzimmer’ aktiviert die Dachflächen des Studierendenwohnheims. Die von den Verfasser:innen entwickelte ‘Verteiler Fuge’ formuliert zudem eine sehr klare Ost-West-Verbindung durch den Hofbereich und bindet diesen über kleinere Platzflächen gut an den Quartiersplatz an.
Das vorgegebene Mobility-Hub wird ebenfalls gut in das Gebäudeensemble und in die Konzeption der aktiven Mitte integriert. Die Nutzung der Wandflächen als Kletter- und Boulderwände ergänzen das Sport- und Spielangebot sinnvoll. Die beschriebene Nutzung der Dachfläche als ‘Farm’-Dach wird jedoch kritisch diskutiert. Ein Dachgarten erscheint aus wirtschaftlicher Sicht nicht realistisch. Zudem fehlt neben einem barrierefreien Zugang die Möglichkeit zur Anlieferung von Materialien für den urbanen Garten.
Die Einbindung des Nahversorgers orientiert sich an den Vorgaben. Die Lage des Haupteingangs zur ‘grünen Quartiersachse’ ist einerseits nachvollziehbar, wird aber auch kontrovers diskutiert. Eine stärkere Adressbildung in südlicher Richtung wäre hier wünschenswert gewesen. Weiterhin überzeugt die dargestellte Warenanlieferung nicht vollständig. Ihre Funktionalität muss nachgewiesen werden. Die Verfasser:innen reduzieren das Stellplatzangebot sehr stark und schlagen lediglich im Bereich des Nahversorgers eine Tiefgarage vor. Generell muss diese Thematik überprüft werden.
Problematisch ist zudem das entwickelte Entfluchtungskonzept. Die Entfluchtung an der Anna-von-Borries-Straße ist nicht wie dargestellt möglich.
Insgesamt stellt die Arbeit einen qualitätsvollen Beitrag im Verfahren dar.
Lageplan

Lageplan

Perspektive 02

Perspektive 02

Perspektive 03

Perspektive 03

Erdgeschoss

Erdgeschoss

Ansicht

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