Einladungswettbewerb | 03/2024
Neuer Innovations-Campus in Stühlingen-Weizen
©Renderbar / bez+kock architekten
Blick über die Wutach
2. Preis
Preisgeld: 35.000 EUR
koeber Landschaftsarchitektur GmbH
Landschaftsarchitektur
Tragwerksplanung
Visualisierung
Architekturmodelle Boris Degen Modellbau
Modellbau
Erläuterungstext
Zur Bundesstraße hin zeigen sich die drei in Grundriss und Aufriss gestaffelten Volumen mit ihrer markanten Stirnseite. Die Staffelung im Grundriss vermittelt dabei zwischen den unterschiedlichen Richtungen der Bundesstraße und des städtebaulichen Achsensystems. Es entsteht eine prägnante Komposition von Kuben, die sich ins Blickfeld der vorbeifahrenden Autos schiebt und somit zu einer wirkungsvollen Corporate Identity des Sto-Areals beiträgt.
Das umfangreiche Raumprogramm des Innovationscampus wird in acht rechteckige Module unterteilt, die auf einem imaginären Raster angeordnet wurden. Durch die Höhenstaffelung der einzelnen Module ergibt sich trotz der großen Baumasse ein gegliedertes Volumen, welches sich verträglich in die Maßstäblichkeit des Ortes einfügt. Die intensive Begrünung der Dachflächen und die Fassadenbegrünung des Parkhauses tragen zu einer guten Integration in den Landschaftsraum des Wutachtales bei, die auch von den angrenzenden Hügeln wahrnehmbar ist.
Der fünfgeschossige Labor- und Bürobau bildet den adressbildenden Gebäudekopf des Innovations-Campus am südöstlichen Ende der Brückenachse. Vom baumbestandenen Platz aus gelangen Mitarbeiter und Besucher in das einladende Foyer mit angrenzenden Besprechungs- und Schulungsräumen. Es bildet das kommunikative Herz des neuen Campus. Zwei Treppenhäuser erschließen die vier darüber angeordneten Labor- und Büroetagen, die nach den Maßgaben von Flexibilität und Funktionalität organisiert wurden. Die Labore auf der Nordwestseite blicken über den Vorplatz zum bestehenden Sto-Areal, während die Büros auf der Südostseite zum bewaldeten Hügel auf Schweizer Territorium orientiert sind. Die Kernzone des dreibündigen Grundrisses nimmt die notwendigen Nebenräume auf. Durch die gewählte Grundrissstruktur sind alle Arbeitsplätze in Büros und Laboren direkt an der Fassade angeordnet und werden somit hervorragend mit Tageslicht versorgt.
Beurteilung durch das Preisgericht
Die Arbeit überrascht mit ihrer städtebaulichen Setzung, die die orthogonale Ausrichtung des bestehenden Campus auf den neuen Innovations-Campus überträgt. Damit gelingt auf subtile Art und Weise eine Verbindung zwischen „Alt“ und „Neu“. Die großen Baumassen sind somit nicht parallel zur Bundesstraße angeordnet, was an dieser Stelle großzügige Freiräume ermöglicht und lange Gebäudefluchten entlang der Straße vermeidet. Die Drehung des Parkhauses in die Ausrichtung wäre wünschenswert. Die Möglichkeit müsste gegebenenfalls überprüft werden.
Der angemessene große Vorplatz verbindet folgerichtig den Zugang vom Parkhaus, die Brücke zum Bestand und den Hauptzugang zum neuen Innovationscampus. Die Gestaltung der Freianlagen lassen hier Aufenthaltsqualitäten erwarten.
Die sonstige Gestaltung der Freianlagen nutzt die Optionen, die sich aus der gewählten städtebaulichen Disposition ergeben, leider nur unzureichend. Die Flächen im Norden sind wenig gestaltet, im Süden wird die Chance vertan z.B. die Ausbildungsräume mit Aufenthaltsorten im Freien zu verbinden.
Die Gliederung des Gebäudevolumens kann grundsätzlich nachvollzogen werden. Hier treten jedoch erste Widersprüche auf. Sprechen die Verfasser von einem Gebäudeensemble, ist die Wahrnehmung des Preisgerichts eher von einem, zwar gegliederten, jedoch zusammenhängendem Gebäudekomplex geprägt.
Auch der Grundriss im EG bestätigt diesen Eindruck. Das Gebäude wird von den Mitarbeitern als ein Raumkontinuum erlebt. Dies ist für die Funktionalität durchaus von Vorteil, jedoch ist die Orientierung nicht optimal gelöst. Eine übergeordnete Erschließungsstruktur mit Bezügen zum Landschaftsraum wäre hier wünschenswert. In den Obergeschossen (1.OG) treten die einzelnen Gebäudevolumen deutlicher in Erscheinung.
Die architektonische Fügung der Gebäudeecken „spitz auf Knopf“ wir jedoch kritisch gesehen. Hier wird leider die Chance verpasst, die Gebäude so miteinander zu verbinden, dass die Mitarbeitenden auf der Ebene von einem Gebäude zum anderen gelangen und nicht den „Umweg“ über das EG nehmen müssen. Die sonstigen Trennungen von Anlieferverkehr und fußläufigen Erschließungen funktionieren gut. Kritisch sind die innenliegenden Fluchttreppenhäuser, die im EG keinen direkten Ausgang ins Freie haben.
Die architektonische Anmutung wird größtenteils über ein Kleid aus vertikal verlaufenden weißen Verolith-Leisten geprägt. Die leichte Raffung dieses Vorhangs wird kontrovers diskutiert. An einzelnen, ausgewählten Stellen mag dieser Vorschlag überzeugen. In der seriellen Anwendung bei unterschiedlichen Gebäudehöhen nutzt sich der Effekt der Einund Ausblicke jedoch ein wenig ab. Es entsteht eher die Assoziation zu einem Kulturbau. Der Einsatz des Materials wird grundsätzlich sehr positiv gewürdigt.
Das Raumprogramm weist innerhalb der einzelnen Räume erhebliche Abweichungen auf. Die wirtschaftlichen Kenndaten liegen insgesamt leicht über dem Durchschnitt.
Während der angemessene Fensterflächenanteil im Geschossbau für gute Tageslichtverhältnisse in den Büroräumen sorgt, können einige innenliegende Besprechungs- und Schulungsräume nur maschinell belichtet und belüftet werden. Der geringe Fensterflächenanteil in den Hallen soll über Oberlichter kompensiert werden. Hierdurch wird eine effiziente Querlüftung in den Hallen ermöglicht. Der Sonnenschutz über PV-Bedruckung wäre hinsichtlich Tageslichteintrag und Effizienz noch einmal zu überprüfen. Ein Nachtlüftungskonzept ist nicht vorgesehen.
Durch die Ausbildung der Holzbetonhybridkonstruktion mit Fassaden aus Holzrahmenbau erfordert der Beitrag wenig „Graue Energie“. Auch im Betrieb können die Treibhausgasemissionen reduziert werden, indem der geringe Energiebedarf durch die großzügige PV-Fläche in den Brüstungselementen gedeckt werden kann. Der Gebäudefußabdruck liegt im Wettbewerbsmittel, wobei Ausgleichsmaßnahmen bspw. über begrünte Parkhausfassaden angeboten werden.
Insgesamt eine Arbeit, die einen positiv überraschenden und qualitätsvollen städtebaulichen Auftritt hat, die in der Funktionalität, der Fügung der Gebäude und architektonischen Anmutung jedoch nicht gänzlich überzeugen kann und in diesen Themen Optimierungsbedarf hätte.
©bez+kock architekten
Lageplan
©bez+kock architekten
Grundriss Erdgeschoss
©bez+kock architekten
Grundriss 1. Obergeschoss
©bez+kock architekten
Modellfoto
©bez+kock architekten
Schnitt A-A / Schnitt B-B
©bez+kock architekten
Längsschnitt/ Ansicht Süd
©bez+kock architekten
Detail Laborfassade / Detail Hallenfassade