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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2022

Neugestaltung Potsdamer Straße in Michendorf

Perspektive Am Teltomat

Perspektive Am Teltomat

1. Rang

Preisgeld: 25.000 EUR

WES LandschaftsArchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

„Wir sehen uns im Dorf!“ Treffpunkt: Potsdamer Straße

Wir stellen uns ein Dorf vor, das Treffpunkt unter Nachbarn ist; die erste Anlaufstelle, um die Frühstücksbrötchen zu kaufen und für den schnellen Einkauf nach Feierabend auf dem Weg nach Hause. Ein bisschen Gemüse und gemischtes Hack aus dem Dorfladen für einen schnellen Auflauf. So bleibt noch Zeit die Abendsonne im Garten zu genießen.

Wie kann die Potsdamer Straße zu diesem Szenario beitragen?

STÄDTEBAULICHES KONZEPT
Mit der Errichtung der Eisenbahnlinie ist Michendorf über seinen historischen Kern mit kleinem Dorfanger hinausgewachsen und entwickelte sich entlang der Potsdamer Straße in Richtung Bahnhof. Die dortige Bebauungsstruktur lehnt sich an die Brandenburger Straßendörfer an. Trotzdem an der Potsdamer Straße die traditionellen Bauernhoftypologien fehlen, ist der Einfluss alter Feldflure dennoch spürbar. In der zweiten Siedlungsebene hinter der ehemaligen Hauptverbindungsstraße sind noch deutlich Straßendorftypologien mit lockerer, freistehender Bebauung und angrenzenden, in die Landschaft reichende Hufenparzellen zu erkennen.Hinter dem Bahnhof, westlich der Gleise, haben sich im Rahmen der Suburbanisierung der letzten Jahrzehnte deutlich dichtere Wohnquartiere gebildet. Diese haben wesentlich zum Bevölkerungswachstum des Ortsteils Michendorf beigetragen. Durch die stark trennende Wirkung der Gleistrasse konnte das historische Dorfzentrum zwischen Anger und Bahnhof jedoch nicht von der höheren Kaufkraft profitieren. Dies lässt sich einerseits auf eine schlechte Fußläufigkeit mit langen Wegen zurückführen, andererseits lässt die mangelnde Aufenthaltsqualität entlang der Potsdamer Straße keine Zentrumsfunktion zu. Das Zentrum bleibt durch die undifferenzierte Gestaltung undefiniert. Auf der städtebaulichen Ebene sieht das Konzept eine deutliche Stärkung der Stadträume vor, die als Bindeglied zwischen Wohnnutzung und Dorfzentrum dienen können: Dorfanger, Teltomatgelände und Bahnhofsvorplatz. Während Anger und Bahnhof bereits als Verbindungsknoten über die Gleise dienen, wird die Ergänzung einer fußläufigen Verbindung über die Gleise am Teltomatgelände als wichtiger Baustein betrachtet.

ZONIERUNG
Der Entwurf stärkt die bereits vorhandenen, städtebaulichen Situationen durch eine Gliederung in fünf Abschnitte mit unterschiedlichem Charakter und Angeboten. Eine schlichte Materialität und ein einheitlicher Querschnitt verbinden die Abschnitte. Ein breites, helles Bord zwischen den Fußgängerbereichen und dem Straßenraum dient als gestalterisches Rückgrat, welches sich durch alle Abschnitte zieht.
DIE DORFSTRASSEN (bzw. die Übergangsbereiche in die umgebende Landschaft) orientieren sich am Bestand. Es ist eine Gestaltung mit asphaltierter Fahrbahn, Hochborden und Tempo 50 km/h vorgesehen. Neben den Parkplätzen werden die Randbereiche als begrünte Retentionsmulden ausgebildet. Der Fußweg weitet sich in regelmäßigen Abständen zu kleinen „Hain-Plätzchen“ auf. Die Abschnitte sind von Wohnhäusern geprägt. Sie richten sich insbesondere an Anwohner*innen, dienen aber auch als Rastplätze für ältere Personen und Begegnungsstellen für Rollstuhlfahrer*innen.
DER ANGER wird über den Bearbeitungsperimeter hinweg als Einheit betrachtet und durch den Einsatz traditioneller Materialien und Zonierung wieder als historisches Zentrum erlebbar. Diese Bedeutung wird durch eine einheitlich gepflasterte Fahrbahnoberfläche und niveaugleich angrenzende Seitenräume hervorgehoben. Eine angepasste, reduzierte Fahrgeschwindigkeit von 20 bzw. 30 km/h erleichtert die Überquerbarkeit. Lange Grünstreifen mit Banknischen bieten eine höhere Aufenthaltsfunktion.
IM DORFKERN ist ein asphaltierter, mittlerer Fahrbahnbereich mit ebenerdiger Pflasterung der beidseitigen Schutzstreifen vorgesehen (gebundene Bauweise für Standfestigkeit Lkw/Bus). Die optische Reduktion der Fahrspur und Aufweitung der gepflasterten Fußverkehrsbereiche (je nach Nutzung bis an die Hausfassaden heran) führt zu einer deutlichen Verkehrsberuhigung. Fahrräder können je nach Tempo sowohl die gepflasterte Radspur als auch auf die 20-30km/h verlangsamte asphaltierte Fahrspur benutzen. Gestärkt durch die gerasterten Baumscheiben entsteht im Bereich der Gewerbeflächen eine platzartige Typologie, die das Queren der Straße vereinfacht und zum Bummeln einlädt. AM TELTOMATEINGANG wird die Potsdamer Straße analog zum Anger zoniert und markiert so aus dem Norden kommend den Eingang ins Dorfzentrum und den Beginn der Tempo-30-Zone. Die gestalterische Weiterführung in Richtung Rathaus und Teltomatgelände schafft vor dem Rathaus einen angemessenen Vorplatz. Hochbeete mit Kirschbäumen und Felsenbirnen unterstreichen die Bedeutung des Standortes. VOR DEM BAHNHOF wird der Freiraum in einen offenen Vorplatz mit Wasserspiel und einen parkartig angelegten Teil mit Sitzgelegenheiten unter Baumkronen gegliedert. Die durchgehend gepflasterten Oberflächen betonen die Bedeutung des Bahnhofs als Ankunftspunkt für Pendler- und Besucher*innen. Er ist wie selbstverständlich an die Potsdamer Straße angebunden ohne seine Eigenständigkeit einzubüßen.

VERKEHR
Eine einheitliche, verkehrssichere Radverkehrsführung wird mit durchgehend regelbreiten Schutzstreifen gewährleistet. Der Übergang vom einseitigen Rad-/Gehweg aus Richtung Norden erfolgt signalgesichert am Knotenpunkt Potsdamer Straße/Bahnhofstraße. Dezentral sind zahlreiche Fahrradabstellmöglichkeiten vorgesehen. Die Pflasterung der Schutzstreifen im Zentrum führt zu einer Trennung unterschiedlicher Geschwindigkeiten bei Radfahrenden. Die Gehwege werden unter Berücksichtigung der Baumstandorte und durch Unterbrechung der Grünstreifen bereichsweise verbreitert. Gesicherte Überquerungsstellen sind am signalgesichertem Knotenpunkt Potsdamer Straße/Teltower Straße und Potsdamer Straße/Langerwischer Straße (Fußgänger-LSA) sowie am südlichen Minikreisverkehr (Einmündung Luckenwalder Straße) vorgesehen. Weitere Überquerungsstellen werden durch Materialwechsel in der Fahrbahn (punktuelle Pflasterung) verdeutlicht. Die linienhafte Überquerbarkeit der Fahrbahn wird durch die reduzierte, zulässige Höchstgeschwindigkeit verbessert, die dem Kfz-Verkehr durch entsprechende Oberflächenbeläge verdeutlicht wird. Die Bushaltestellen „Luckenwalder Str.“ und „Saarmunder Str.“ werden als Buskaps ausgebildet. Am Bahnhof sind wegen der erforderlichen längeren Haltezeiten Bushaltebuchten in regelkonformer Ausbildung hinter dem Knotenpunkt vorgesehen. Punktuell sind Parkstände (insgesamt ca. 50) im Seitenraum hinter einem 0,50 m breiten Sicherheitstrennstreifen zum Schutzstreifen vorgesehen. Durch Beschilderung können die Stellplätze zeitweise für den Lieferverkehr vorgehalten werden. Stellplätze für Behinderte sind nahe den Geschäftsbereichen angeordnet. Am Bahnhof werden ca. 55 Stellplätze inklusive drei Carsharing-Standorte angeboten. Taxiplätze sind zentral zwischen Bushaltestellen und Bahnhofsgebäude angeordnet. Für Fahrräder stehen neben abschließbaren Boxen (je nach eingesetztem System) bis zu 200 Stellplätze und ein Bikesharing-Angebot zur Verfügung. Die Straßenräume, Bushaltestellen und der Bahnhofsvorplatz werden im gesamten Planungsgebiet barrierefrei gestaltet und mit entsprechenden Leitsystemen ausgestattet.

MATERIALITÄT
Die Zonierung der Potsdamer Straße in Anger, Dorfmitte und Dorfstraße spiegelt sich auch in der Materialisierung wider.Die Bedeutung des historischen Angers wird durch hochwertiges Natursteinpflaster unterstrichen. Dieses muss nicht neu beschafft werden, sondern kann zu großen Teilen aus der Pflasterung der bestehenden Parkbuchten im nördlichen Teil der Potsdamer-Straße gewonnen werden (s. Piktogramm Bauabschnitte). Im Bereich der Geh- und Radwege wird das Pflaster für Rad- und Rollstuhlfahrer*innen geschnitten. Über die Gehwege zieht sich ein grau-beige changierendes Betonpflaster in einem ungerichteten Verband. In den zentralen Bereichen wird die Pflasterung auf den Radstreifen erweitert, um die Flächen für den unmotorisierten Verkehr großzügig hervorzuheben. Ein breites Bord am Übergang des Gehwegs zum Radschutzstreifen und ein Bord (3 cm) an der Grenze zu den Privatgrundstücken heben sich durch ihre helle Farbgebung hervor. Sie grenzen die dem Fußverkehr vorbehaltenen Bereiche ein und sind taktiler und visueller Leitstreifen. Zwischen Fußweg und gewerblich genutzten Vorplätzen läuft das Bord weiter, setzt diese vom Straßenraum ab und ermöglicht eine durchgehende Leitlinie. Die traditionelle Trennung von Straße und Vorgarten wird damit auch in den urbaneren und geschäftigeren Abschnitten gewahrt. Gepflasterte Fahrspuren werden als lineare Verbände aus großformatigem Pflaster in entsprechende Stärke eingebaut. Damit setzen sie sich sowohl in der Dimension als auch durch den Verband von den Geh- und Radwegen ab.

VEGETATIONSKONZEPT
Die historisch prägende, hoch aufgeastete Baumallee und der starke Bezug zur brandenburgischen Landschaft wird durch sorgfältige Ergänzungen gestärkt und dabei an das veränderte Klima angepasst. Das Konzept orientiert sich an den vorherrschenden Baumarten Stileiche und Winterlinde und schlägt als Ersatz nahe Verwandte mit höherer Trockenheitsverträglichkeit und Schädlingsresistenz vor: Die Ungarische Eiche und im freien Stand die Silberlinde, welche beide ebenso mit Salzeintrag zurechtkommen. Zur Unterstützung der räumlichen Gliederung wird das Baumdach unterteilt und schafft an wichtigen Abzweigungen offene Platzsituationen, die durch niedrige Obstgehölze und Sitzgelegenheiten oder Café-Bestuhlung (Anger) betont werden. Am Anger lockert sich die Allee zum räumlich-grünen Rahmen auf, um hinter dieser besonderen Situation wieder zur Allee zusammenzufließen. Die Baumscheiben werden mit einer Wildrasenmischung angesät, die mit 1-2 Maaten pro Jahr auskommt und Lebensraum für Insekten und Vögel bietet. In beengten Verhältnissen werden quadratische Baumgitter eingesetzt.

BAUABSCHNITTE
Der Entwurf lässt sich bedarfsorientiert in 6 Bauabschnitte unterteilen. Aus Sicht der Verfasser bietet sich folgende Priorisierung an:
1.BA Dorfmitte zur Aufwertung der Einkaufsumgebung und Stärkung der lokalen Wirtschaft.
2.BA Anbindung Teltomat, idealerweise mit gleichzeitigem „Sprung über die Gleise“
3.BA Dorfstraße zum Bahnhof. Anfallendes Natursteinpflaster aus BA 1-3 wird für die Aufwertung des Angers (5.BA) gereinigt und eingelagert
4. BA Bahnhofsvorplatz
5. BA Anger - Die Schaffung eines „Freundeskreises Michendorfer Anger“ kann die Finanzierung erleichtern und die Wertschätzung des historischen Zentrums im Dorf und damit Identifizierung steigern
6. BA Südlicher Abschnitt am Dorfeingang

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit mit dem Titel „Treffpunkt im Dorf“ legt ein starkes Konzept vor. Es überzeugt mit der Leitidee der sektoral gegliederten Hauptachse mit Schwerpunkt der Querungen zu wichtigen Bereichen der Ortsmitte.

Die Querungen historische Ortsmitte (Anger), Bereich des Cafés zum Kreuzpunkt, Am Diek und der Anschluss zum Teltomatgelände werden als sinnvoll erachtet. Vermisst wird eine vergleichbare Aufwertung der Querung am Bahnhof in Richtung der Gymnasien. Das „Anbinden“ der Kirche bzw. der Reste der alten Angerstrukturen an die zentrale neue Achse des Ortes ist sinnvoll und wünschenswert. Auf die Ausweitung nach Süden könnte verzichtet werden. Die Stärkung der Allee wird positiv gewertet, die Ergänzung im Hauptbereich mit Obstbäumen wird kritisch und schwächend gesehen. Die Vorschläge zur Nutzung des Regenwassers für die Bäume und Pflanzstreifen sollte insbesondere für Neupflanzung umgesetzt werden.

Die unterschiedliche Gestaltung der einzelnen Straßenabschnitte wird als zweckmäßiges, abwechslungsreiches Konzept erachtet, um eine neue Aufenthaltsqualität zu erreichen. Der Bahnhofsvorplatz erfährt eine attraktive und angemessene Gestaltung, mit deutlich erhöhter Aufenthaltsqualität. Die optische Reduzierung durch die Materialwahl und Ausgestaltung wurden durchweg positiv zur Kenntnis genommen. Der Vorschlag, die Beläge von Fahrradwegen, Fahrspuren und Querungen häufig zu wechseln um das Tempo ohne Schilder zu regulieren, wird für umsetzbar gehalten. Das wiederverwenden des Bestandspflasters wird begrüßt. Die Verlegung der östlichen Bushaltestelle am Bahnhof ist nicht umsetzbar.

Perspektive Bahnhofsvorplatz

Perspektive Bahnhofsvorplatz

Raumfolgen und Dorfentwicklung

Raumfolgen und Dorfentwicklung

Zusammenführung getrennter Dorfteile

Zusammenführung getrennter Dorfteile

Gesamtlageplan

Gesamtlageplan

Planausschnitt Bahnhofsvorplatz

Planausschnitt Bahnhofsvorplatz

Planausschnitt Am Teltomatgelände

Planausschnitt Am Teltomatgelände

Planausschnitt Kreuzungsbereich Saarmunder Straße

Planausschnitt Kreuzungsbereich Saarmunder Straße