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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2023

Weiterentwicklung Ostendareal mit Neubau Wohn- und Gewerbeeinheiten in Stuttgart

Anerkennung

Preisgeld: 10.000 EUR

Architektur 6H

Stadtplanung / Städtebau, Architektur

Pfrommer + Roeder Freie Landschaftsarchitekten BDLA IFLA

Landschaftsarchitektur

Béla Berec Architektur-Modellbau-Gestaltung

Modellbau

Erläuterungstext

In den historischen Bereichen aus dem 19 Jahrhundert prägen Blockränder und Gebäude aus Backstein das Bild im Stuttgarter Ostendareal. Mit den Bausteinen des Entwurfs wird zum einen die städtebauliche Struktur des Stuttgarter Ostens weiter geschrieben und mit selbstbewussten Bausteinen zu einem öffentlicher Raum mit vielfältigen sozialen und kulturellen Nutzungen als ´Neuer Ostendplatz` interpretiert.



Der Entwurf setzt sich im Wesentlichen aus fünf raumbildenden Bausteinen zusammen:
- ein gestaffelter „steinerner Riegel“ schließt die geklinkerte Gebäudeabfolge von der Ostendstraße zur Schönbühlstraße als Raum- und Blockkante.
- die Flucht aus der Lehmgrubenstraße aufnehmend leitet ein Holzbau in den Platz. Der Flügel ergänzt den Block von der Landhausstraße.
- ein bepflanztes Stadtregal, als mehrgeschossiger Park, wird dem Depot als Erschließungs- und Aufenthaltsraum vorgelagert. Der vertikale Park bildet die grüne östliche Platzfassade.
- ein Hochpunkt markiert den Quartierseingang von der Schönbühlstraße mit einem Holzbau am Kopf des Depotgebäudes, als Pendant und Vis-a-vis zu der Wohnscheibe vom nördlichen Ende des Depots und zu dem Wohnhaus Ostendstraße 79.
- als Ergänzung wird im Innenhof der Schönbühlstraße die Anlieferung und TG Ausfahrt mit einem hölzernen Riegel gefasst und akustisch abgeschirmt.

Zwischen den Raumkanten wird der `Neue Ostendplatz` als kulturelles, gesellschaftliches und soziales Zentrum für den Stuttgarter Osten gebildet. Von hier werden die Zugänge des Musikzentrums, das Wohncafé, die Stadteilbibliothek mit Lesecafé, die Wohnungen, das Gewerbes und über das Stadtregal Jugendhaus und Kita erschlossen. Der Platz bietet urbanen Raum für den Wochenmarkt, Stadtteilfeste, als einem lebendigen Treffpunkt im Quartier für alle Bürger.


Abstellmöglichkeiten für Fahrräder werden zum einen dezentral oberirdisch verteilt und zentral in der Tiefgarage an den Zugängen zu den Wohnungen an die Treppenhäuser angebunden (ebenso wie die Müll- und Wertstoffsammelräume). Die Zufahrt zu den PKW- Abstellmöglichkeiten erfolgt von der Schönbühlstraße in eine Tiefgarage. In der Ebene unter dem Innenhof befinden sie die Carsharingfahrzeuge, mit direktem Ausgang ins Freie. An die zweite Parkierungsebene sind die Treppenhäuser und Keller der Wohnungen angeschlossen. Eine zweite Tiefgarage wird von der Landhausstraße erschlossen und erschließt unterirdisch die dort vorhandene Tiefgarage.
Die Supermarkt- Anlieferung und die beiden Zu- und Abfahrten der vorhanden Garagen werden mit dem bewachsenen hölzernen Co- Working- Riegel gefasst und überbaut. Für den Anlieferhof ist ein ständig geschlossenes Schiebetor zur Lärmminimierung vorgesehen. Darüber hinaus ist das Quartier, abgesehen von der Anlieferung der Marktbeschicker und der Zufahrt zur Tagespflege, oberirdisch frei von individuellem PKW- Fahrverkehr konzipiert.

Der Mix aus geförderten Mietwohnungen und frei finanzierten Eigentums- und Mietwohnungen ist bewusst über die Gebäude und Geschosse verteilt, um über die soziale Durchmischung den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.

Der Stuttgarter Osten bezieht seinen Charme durch seine Vielzahl unterschiedlicher Fassaden. Dieser Charme soll auch in den Neubauten aufgenommen werden. Die Bausteine der Neubauten werden unterschiedlich konstruiert und gestaltet.

- der Blockabschließende „steinerne Riegel“, mit den Familienwohnungen, ist als Ziegelmauerwerksbau mit Klinkerverkleidung konzipiert.
- der „hölzerne Flügel“ in Richtung der Landhausstraße, mit den Seniorenwohnungen und Tagespflege soll mit vorgefertigten Holzrahmenelementen mit einer hinterlüfteten Fassade und Brettstapeldecken konstruiert werden.
- das bepflanzte Stadtregal ist als Stahlbau mit Aufenthaltsdecks und den eingehängten Pflanzgefäßen dem Depotgebäude vorgelagert.
- der Wohnturm, mit Gemeinschaftsraum und Waschmaschinenraum im EG hat eine Mischung aus kleineren Wohnungen und Loftwohnungen. Konstruiert ist er als Holrahmenbau mit Brettstapeldecken und Brettschichtholzstützen. In dem Holzhochhaus wird das Treppenhaus aus Reyclingbeton erstellt und es erhält aus Brandschtzgründen eine Sprinkleranlage.
- Der Riegel im Innenhof der Schönbühlstraße ist ebenfalls als Holztafelbau vorgesehen. Die Anlieferung soll mit einer Stahlbetonkonstruktion überspannt werden.

Kompakte gut gedämmte Baukörper ermöglichen eine hohe Behaglichkeit bei geringem Energieverbrauch. Mit vorwiegend passiven Komponenten, Wärmeschutzfenstern, außenliegendem Sonnenschutz, einer hoch wärmegedämmten Außenhülle und einer Komfortlüftung über die Sanitärkerne, mit effizienter Wärmerückgewinnung, ist das Konzept ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz. Durch sorgfältig gewählte und natürliche Materialien sorgen für Nachhaltigkeit und Werterhalt. Sortenrein trennbare Baustoffe sollen einen einfachen Rückbau und Recycling als cradle to cradle Kreislauf gewährleisten.

Die erdberührenden Bauteile der Konstruktion, Streifenfundamente und Bodenplatten werden in Ortbetonbauweise aus Recylingbeton ausgeführt. Der Rest der Konstruktion ist ein Holzbau. Die Außenwände sind Holzrahmenelemente mit einer hinterlüfteten Fassade. Innen bleiben die Elemente, je nach Funktion des Raumes, roh oder werden in Teilbereichen verkleidet. Alle Innenwände sind aus 12 cm dicke Brettsperrholzblatten. Die Decken bestehen aus gedübelten Brettstapeldecken. Bei den größeren Spannweiten kommen quer gespannte Brettschichtholzträger hinzu. Auch hier richtet sich eine allfällige Verkleidung nach den erforderlichen bauphysikalischen oder architektonischen Anforderungen. Bei der Dachkonstruktion besteht die Dachscheibe aus Brettsperrholzplatten als Basis für den weiteren Dachaufbau. Die untere Beplankung der Hohlkasten ist im Gebäudeinnern gelocht um die notwendige raumakustische Qualität der Räume zu unterstützen.

Die Flachdächer werden mit blühende bienenfreundlicher Begrünung versehen. Wo möglich werden über dem Gründach Photovoltaik Elemente angeordnet.



Energiekonzept
Das Konzept der nachhaltigen Energieversorgung soll sich an der Version 4 der Energie-und Nachhaltigkeitsuntersuchung vom Büro Transsolar aus der Auslobung - Effizienzhaus KfW 55 + Optimierte Energieerzeugung + (überwiegender) Holzbauweise orientieren. Der energetische Kreislauf wird mit einer geothermischen Wärmepumpe EWS realisiert. Photovoltaik Elemente auf den begrünten Dächern speisen einen Pufferspeicher und unterstützen die Stromversorgung der Wärmepumpen. Zur Warmwasserversorgung wird eine solarunterstützte Warmwasserversorgung installiert. Die Heizenergie soll über Sole- Wärmepumpen in Verbindung mit den PV-Modulen der Dachflächen erzeugt werden. Der generierte Strom wird je nach Bedarf zur Wärmegewinnung oder einem Pufferspeicher oder dem Netz zugeführt.
Die Gebäude werden über eine flächige Niedertemperatur- Fußbodenheizung temperiert. Eine Komfortlüftung über den Sanitärkernen mit Wärmerückgewinnung unterstützt die ansonsten natürliche Fensterlüftung der Räume.



Freiraumkonzept
Der Freiraum des neuen Ostendareals wird als eine fließende Raumfigur verstanden, die die Anknüpfungen an die umliegenden Quartiere zu einer attraktiven Adresse und Durchwegung verbindet und die unterschiedlichen Bedarfe der Anlieger aufnimmt. Den Schwerpunkt bildet eine Aufweitung zwischen der neuen Stadtteilbibliothek, der Kultureinrichtung am Depot (mit Theater, Musikschule, Jugendhaus und KiTa), Stadtteilkaffee und der Tagespflege. Mit unterschiedlichen Angeboten auf diesem neuen Quartiersplatz sollen sich hier alle Generationen wiederfinden.

Nutzungen
Um der Bedeutung des Theaters am Depot für das Quartier und insbesondere seinen zentralen Platz gerecht zu werden, wird die Westfassade des Depots zu einer “Bühne” erweitert. Als offenes Raumgerüst mit eingehängten Ebenen und integrierter Begrünung entsteht so ein neues raumbildendes Entree, in dem die Nutzer sichtbar werden. Auf verschiedenen Ebenen können die Einrichtungen sich mit ihren Bedarfen nach außen entwickeln. Sitzmöbel und Liegedecks, Spielzonen (KiTa) und Fitnessgeräte (Jugendhaus) in Verbindung mit Grünbeeten und Kletterpflanzen schaffen attraktive Außenräume in Ergänzung zur Platznutzung.
Der Platz wird von den Rändern über einrichtungsbezogene Gastrozonen belebt. Locker gestreute Bänke in Anlehnung an begrünte Baumbeete und ein zentral platziertes Wasserspiel schaffen Aufenthaltsqualität. Der Wochenmarkt wird eingebunden zwischen Baumgruppen und den rasterorienteierten Bankmöbeln und bindet die Jakob-Holzinger-Gasse und den Quartiersplatz zusammen.
Das Seniorenwohnheim und die Wohnnutzung erhalten introvertierte Grünhöfe mit einem Generationenspielplatz und Kinderspielplätzen, die an die Wohngärten anschließen.



Platzgestaltung
Die Durchgängigkeit des Freiraums wird durch einen einheitlichen Pflasterbelag mit unterschiedlichen Formaten im ungerichteten Verband betont. Die natürliche Farbigkeit ist auf die Materialität der Fassaden abgestimmt. Die Schwerlasttauglichkeit ist selbstverständlich.
Die Möblierung besteht aus Bänken mit Holzauflagen, insektenfreundlichen Mastleuchten und Abfallbehältern, die als ein für das Ostend prägendes System entwickelt werden. Die Platzierung erfolgt in Abstimmung auf das Marktsystem, so dass auch außerhalb der Marktnutzung attraktive grünbetonte Verweilzonen entstehen.



Nachhaltigkeitsaspekte und Regenwassermanagement

Der Pflasterbelag ist als sogenannter Klimastein gedacht, der aus möglichst klimaneutraler Produktion stammt und im Gesamtbelagsaufbau wasserdurchlässig bzw. -retendierend ist. Starkregen kann sich über eine leichte Ausmuldung mittig zum Quartiersplatz sammeln und über Zuläufe zu einem Retentionsvolumen abfließen. Das Regenwasser kann für die Baumbewässerung genutzt werden. In den Grünhöfen wird das Oberflächenwasser zusätzlich in die Grünflächen geleitet. Auf den Gründächern wird Regenwasser im Systemaufbau flächig retendiert und über die Vegetationsschicht wieder abgegeben.

Vegetation

Leitthema für die Baumstrukturen ist ein gemischter Hain aus überwiegend mittelkronigen Laubbäumen mit wechselnden Blüh- und Laubaspekten. Klimabäume werden in offenen begrünten Baumquartiere etabliert, Bänke schützen Baum und Unterpflanzung. In den Wohnhöfen sind extensive robuste Stauden-Gräser-Pflanzungen in Ergänzung zu Rasen- und Wiesenflächen vorgesehen. Die Dachflächen werden, wo möglich, als einfache Intensivbegrünungen, im Bereich von PV-Flächen als Extensivbegrünungen angelegt. Die Raumstruktur am „Depot“ wird über Kletter- und Schlingpflanzen aus bodengebundenen Beeten begrünt. Auf den oberen Ebenen sind intensive Trogpflanzungen teilweise in Sitzlandschaften integriert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit überzeugt im Schwarzplan zunächst durch eine schlüssige Komplementierung der Stadtstruktur, sowie eine klare Bildung der Stadträume und deren Zugänglichkeiten. Die Blockränder werden geschlossen und im Bereich der Anlieferung Rewe, sowie am Quartierszugang von der Landhausstraße so ergänzt, dass sinnvolle Zonierungen bzw. Raumhierarchien entstehen. Die gute Platzproportion vor dem ehemaligen Strassenbahndepot wird erkauft durch eine der Fassade vorgelagerte, in ihrer Funktion und Bedeutung kaum beschriebene Pergolastruktur mit eingezogenen Geschossebenen. Diese Zone verschlechtert die Belichtung der bestehenden Kindertagesstätte erheblich, ohne ein adäquates Gegengewicht dafür anzubieten.

Auffälligstes Merkmal des Entwurfes ist ein an der Süd-West-Ecke des Areals platzierter Hochpunkt, dessen polygonale Form sich aus dem Bestand des Depots entwickelt. Die Positionierung im Areal und die Baumasse dieses Hochpunktes wird im Preisgericht kontrovers diskutiert. Einerseits markiert dieser einen der Zugänge zum Quartier, andererseits scheinen Form und Position eher aus den Zufällen der Bestandsgeometrie als aus nachvollziehbarer Entwurfsabsicht entstanden zu sein. Dies ist einer so bedeutenden Geste eher nicht angemessen.

Die Stadtbibliothek liegt an der richtigen Stelle im Quartier, leidet jedoch stark unter den ein- oder davorgestellten Kernen und Einbauten. Trotz im Grunde großem Fassadenanteil erhält die Bibliothek eher wenig Licht und ist wenig nach außen sichtbar. Die sonstigen Erdgeschossnutzungen sind sinnvoll und nachvollziehbar, der darüber liegende Wohnbereich ist rational geschnitten und lässt auch eine gute Wohnatmosphäre erwarten. Der Pflegebereich ist– auch aus der Stadt heraus – funktional erschlossen, positiv gewürdigt wird die Grundrissgestaltung in den Obergeschossen. Auch in diesem Baukörper wird das EG durch gute Nutzungsangebote zur Stadt geöffnet.

Der Hochpunkt bleibt in den beiden Sockelgeschossen funktional undifferenziert und erzeugt unangemessen hohes Bauvolumen. Der Umgang mit dem im 1.OG des Depots an dieser Stelle befindlichen Jugendhaus ist nicht thematisiert. Die Wohnungen sind teilweise schlecht orientiert, auf Grund der baurechtlichen Einordnung des Gebäudes als Hochhaus funktioniert der Brandschutz, wie dargestellt, nicht. Die konstruktiven Fragestellungen, die sich aus der Überbauung des Bestandsgebäudes ergeben, bleiben unbeantwortet. Die anderen Baukörper erscheinen in positiver Weise vielfältig, vom schlichten Co-Working- Riegel über den gegliederten Längsbau am Platz bis zum Hof- und Grünraum bildenden Gebäude für betreutes Wohnen und Tagespflege im Norden.
Die architektonische Durcharbeitung wirkt jedoch noch rudimentär und schematisch. Die Freiräume sind zwar grundsätzlich gut geschnitten, bleiben aber in ihrer Durcharbeitung ebenfalls undifferenziert. Potenziale, die sich z. B. aus der Verbindung zwischen Platz und Pergola ergeben könnten, werden nicht gehoben. Der Platz ist nicht unterbaut, Baumstandorte auch für Großbäume sind möglich.
Die Zufahrt zur TG liegt an der Schönbühlstraße an geeigneter Stelle, während die Lage der Zufahrt an der Landhausstraße kritisch gesehen wird. Nähere Aussagen zur TG fehlen. Die Ausnutzungszahlen liegen – bedingt durch den Hochpunkt – im oberen Bereich, sind aber im Weiteren, beispielsweise bedingt durch Brandschutz und Konstruktion gerade dort noch zu überprüfen.

Insgesamt handelt es sich bei dieser Arbeit um einen im stadträumlich Grundansatz sensiblen Beitrag, der jedoch in der Baumassenverteilung, v. a. beim Hochpunkt und in der Qualität der architektonischen Ausformulierung dieses Niveau nicht einlösen kann.

Bewertung Nachhaltigkeit:
Das Energiekonzept basiert auf der Machbarkeitsstudie. Die teilweise durchgesteckten Wohnungen ermöglichen eine gute Tageslichtausleuchtung, allerdings sind die Plätze weniger begrünt und damit die sommerliche Lüftung reduziert. Über Beton-Holzkonstruktion sollen die CO2 Emissionen reduziert werden. PV Nutzung auf dem Dach wird konsequent ermöglicht. Das Konzept ist insgesamt schlüssig und umsetzbar.
Lageplan

Lageplan

Erdgeschoss

Erdgeschoss

Regelgeschoss

Regelgeschoss