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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2018

Neubau Geschäftsstelle der GWG in Tübingen

Anerkennung

Preisgeld: 3.500 EUR

Lattke Architekten

Architektur

Erläuterungstext

„Trittsteine verbinden“ – das neue Quartier am Güterbahnhof zeichnet sich aus durch eine robuste Blockstruktur und eine geordnete Abfolge von Freiräumen. Durch den Erhalt und die Umnutzung der alten Güterhalle mitsamt dem Verwaltungsgebäude entsteht nordöstlich des Wettbewerbs-gebiets zusammen mit dem vorgelagerten Platz eine neue räumliche Mitte für das Quartier und das Umfeld.
Der Neubau der GWG Geschäftsstelle reagiert räumlich auf den entstehen-den Stadtbaustein an der Eisenbahnstraße. Der Baukörper der Hauptver-waltung eröffnet eine kleine Platzsituation als Trittstein und Verbindung zum Pendant der Räume auf der anderen Straßenseite. Die Gebäudekan-ten spannen einen angemessenen Eingangsraum auf, der sich in seiner Typologie im Stadtbild auch an anderer Stelle als vermittelndes Element findet. Zur Reutlinger Straße entsteht ein Hof, der sich in die Typologie der Abfolge von gebauten Volumen und freien Räumen entlang des Stra-ßenzuges einordnet.
Eine lebenswerte Atmosphäre über drei Geschosse. Das Gebäude ist die Geschäftsstelle der GWG Tübingen und soll als klarer Baukörper ohne Staffelgeschoss wahrnehmbar sein. Transparente und opake Wandflächen wechseln sich ab und ermöglichen Durchblicke. Die Gebäudestruktur als Skelettbau erlaubt eine weitgehend freie und flexible Raumaufteilung. Die Treppe im „Kniegelenk“ verbindet die drei Ebenen und leitet den Nutzer in die Mitte des Grundrisses. Eine breite Mittelzone ordnet die Nutzung in Längsrichtung. Unterschiedliche Büroformen, Funktionsräume und Aufenthaltszonen docken hier an. Die dargestellten Grundrisse sind auf eine intensive Büronutzung ausgelegt. Die hellen Oberflächen der sicht-baren Skelettkonstruktion mit Stützen und Balkendecken aus Buchenfur-nierschichtholz bestimmen den Raumeindruck. Je nach Anforderung der Arbeitsplatzsituation kann der Nutzer kleinere und größere Raumzonen abstecken. Andere, auch lockerer möblierte Einteilungen sind mit wenig Aufwand realisierbar.
Die tragende Struktur des Gebäudes ist ein Skelettbau in Baubuche, ei-nem Furnierschichtholz errichtet. Hauptträger mit einem Querschnitt von ca. 20/40 cm spannen über die Stützen 20/20 cm im Raster von 5,40 m. Über der sichtbaren Balkendecke mit Baubucheträgern 12/32 cm im Ras-ter von 85 cm liegt eine Baubuche-Platte mit 40 mm Stärke. Der Fußbo-denaufbau bringt mit einer Latexgebundenen 12 cm hohen Splitschüttung Gewicht auf die Decke, um das Schwingungs- und Schallschutzverhalten der Konstruktion positiv zu beeinflussen.
Alle Maßnahmen sollen ökologisch und energetisch sinnvoll sein. Es sol-len nur Materialien verwendet werden, die mit geringem Energieaufwand und geringer Schadstoffemission hergestellt, eingebaut und auch wieder entsorgt werden können.
Schnelligkeit durch hohe Vorfertigung. sämtliche Entscheidungen, die Architektur, Konstruktion, energie- und Haustechnik, Ausstattung und Oberflächen betreffen, werden in der Planungsphase getroffen. Ziel ist ein vollständig abgeschlossener Entwicklungsprozess, um Kosten- und Terminsicherheit zu garantieren. Durch die Vorfertigung der modularti-gen Bauweise in mittelständischen Holzbauunternehmen, die fremdüber-wacht sind, entsteht eine hohe Produktqualität und kaum Abfall auf der Baustelle. Das Entsorgungsvolumen wird durch Trennbarkeit der nach-wachsenden Rohstoffe minimiert. Die Produktion und Montage basiert auf durchgängig geplanten und erprobten Detaillösungen. Durch den ho-hen Vorfertigungsgrad der Bauteile erfolgt die Montage in einem schma-len Zeitfenster. Dadurch werden die Störungen des nahen Umfeldes auf ein notwendiges Minimum reduziert.
Der Vorschlag zeigt das Potenzial einer vorgefertigten Holzbauweise auf, die hohe Ausführungsqualität zu einem nachweisbar wirtschaftlichen und bautechnisch sicheren Standard liefert. Die Lebenszyklusbetrachtung weist eine signifikante Einsparung von CO2, Primärenergiebedarf, Ver-säuerungspotential u.a. über Bau, Betrieb und end-of-life aus und ist für vergleichbare Referenzprojekte nachgewiesen.
Die Holzschalung der Fassade und die sichtbare Holzkonstruktion in den einzelnen Geschossen und in der Dachebene lässt den Werkstoff Holz im Bauwerk sinnlich spürbar werden.
Heizen, Kühlen, Lüften. Das Energiekonzept für das hochwärmege-dämmte Bauwerk sieht ein einfaches robustes System vor. Der Heiz-wärmebedarf wird über das vorhandene Fernwärmenetz (Primärenergie-faktor von 0,5) und der Abwärme durch die Nutzung bereitgestellt. Die Beheizung der Räume erfolgt flächig über Heiz-Kühlsegel. Das Haupt-augenmerk liegt jedoch auf der Kühlung, da die hochwärmegedämmten Gebäude mit luftdichter Hülle eher zur Überwärmung neigen. Der Grund-wasserstand in Tübingen liegt an dieser Stelle bei 4-5 m und erlaubt die wirtschaftliche Entnahme der Kühlenergie mittels Grundwasserbrunnen, die über einen Wärmetauscher bereitgestellt wird.
Die Energieverteilung zur Raumtemperierung erfolgt über ein Rohr-system, das in der abgehängten Installationsdecke in der Mittelzone des Grundrisses geführt wird und von dort aus direkt an die energetisch wirk-same Decke angebunden ist. Die Steuerung der Heiz-Kühlsegel erfolgt Zonen- und/oder Raumweise. Die Untersicht der Segel ist perforiert zur Unterstützung einer besseren Raumakustik und reflektiert den Deckenan-teil der abgehängten Beleuchtung.
Die Raumklimaoptimierung der Büronutzung an der stark befahrenen Straße erfordert eine technische Be- und Entlüftungsanlage. Eine zentrale Anlage mit Wärmerückgewinnung trägt zum niedrigen Gesamtenergie-verbrauch bei.
Die Skelettstruktur der Hauptkonstruktion bildet zu den Seiten je eine 5,40 m tiefe Raumzone und einen 2,70 m breiten Mittelflur. Hier liegt in der abgehängten Decke der Hauptversorgungsstrang der Gebäudetechnik für Lüftung, Heizung und Kühlung. Die Führung der unterschiedlichen Me-dien erfolgt getrennt zur Konstruktion in zentralen vertikalen Schächten neben den Sanitärkernen und horizontalen Kanälen über der Mittelzone des Gebäudes. Die leicht demontierbare Decke aus abgehängten Holzpa-nelen erlaubt die maximale Revisionierbarkeit der Leitungen, Steuerele-mente und Brandschutzklappen.
Die nach Süden ausgerichtete Dachfläche kann komplett mit einer PV-An-lage belegt werden und signifikant zur Deckung des täglichen Stromver-brauchs beitragen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf will mit seinem konzeptionellen Ansatz „Trittsteine verbinden“. Über einen Vorplatz entlang der Eisenbahnstraße formt der Entwurf eine Z-Form und vermittelt mit seiner besonderen Geometrie die unterschiedlichen Ausrichtungen von Eisenbahn- und Reutlinger Str. Der Platz macht den Entwurf besonders und wird zusammen mit der Eingangssituation vom Preisgericht gewürdigt, die gewählte Größe wird kontrovers diskutiert. Die entlang der Eisenbahnstr. angeordneten Stellplätze schwächen die positive Wirkung des großen Besprechungsraums auf den öffentlichen Raum. Nachvollziehbar ist die Anordnung der Parkierung an der Reutlinger Straße, die sich durch den an die Straßenkreuzung heranrückenden Baukörper zurücknimmt und damit städtebaulich vertretbar ist.

Einerseits besetzt der Entwurf die richtigen Orte mit nachvollziehbaren Bauvolumen, andererseits versucht der Verfasser über die gewählte horizontale Fassadengliederung und das zurückgesetzte Erdgeschoss eine Leichtigkeit zu erzeugen, die an dieser Stelle problematisch ist und in dem umgebenden Städtebau keine Entsprechung findet, der architektonische Ausdruck wird als wenig poetisch wahrgenommen.

Mit seinem insgesamt dreigeschossigen Konzept erfüllt der Entwurf das vorgegebene Raumprogramm ohne zusätzliche Flächen bereit zu stellen. Diese Entscheidung wird gewürdigt.

Das Erschließungselement und die Kommunikationszonen am Übergang der Geometrien sind gut platziert. Die starke Z-Form führt aber auch zu einem hohen Verkehrsflächenanteil und einem ungünstigen A/V-Verhältnis. Dieses belastet die Wirtschaftlichkeit bei Erstellung und Betrieb.

Die tragende Struktur ist ein Skelettbau aus Baubuche, auch Decken und Fassade sieht der Verfasser in Holzbauweise vor. Hierdurch werden eine hohe Vorfertigung und eine gute Ökobilanz in Herstellung und Betrieb erreicht, diese Entscheidungen erscheinen konsequent und plausibel umgesetzt. Durch die Materialsichtigkeit soll das Gebäude seinen besonderen Ausdruck erhalten.