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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2020

Ersatzneubau Flüelastrasse 16 in Zürich (CH)

1. Rang / 1. Preis

Preisgeld: 36.000 CHF

BS + EMI Architektenpartner AG

Architektur

EBP Schweiz AG

Bauingenieurwesen

ZUEND IMAGES

Visualisierung

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt «Ristretto» komplettiert die Häuserzeile Flüelastrasse mit einem einfachen, aber ausdrucksstarken Kopfbau. Die verputzte Lochfassade führt dank zusätzlichen Elementen wie den umlaufenden Balkonen, den Warenlifttüren mit den typischen runden Fenstern und dem Sheddach zu einer einprägsamen äusseren Erscheinung. Die asymmetrisch gegliederte Stirnfassade schafft die nötige Prägnanz im städtischen Raum als Abschluss der Zeile und verweist zudem auf die unterschiedliche Situation von Strasse und Hof. Die Ausbildung des Erdgeschosses im Kopfbau ist noch nicht im Einklang mit dem Konzept des prägnanten Kopfbaus am öffentlichen Stadtraum.

Dem Ausdruck des Gebäudes unschwer abzulesen, befindet sich der Erschliessungskern rückwärtig an der Stirnfassade. Direkt und unkompliziert funktioniert entsprechend die Anlieferung. Der Haupteingang folgt der Logik des Quartiers und liegt gut auffindbar an der Flüelastrasse.

Das Tragwerk des Gewerbehauses aus Stahlbeton ist effizient. Vier Stützenreihen gliedern jeweils den Grundriss in vier Segmente. Die grösseren Spannweiten zwischen Fassaden- und Korridorstützen sind mit Unterzügen verbunden, was schlanke Deckenstärken begünstigt. Hingegen bleibt die Korridorzone unterzugsfrei, wodurch sämtliche Medien einfach unter der Decke geführt werden können. Der vertikale Hauptschacht liegt dementsprechend am Ende der Korridorzone an der Rückwand. Das gewählte Tragwerk lässt eine grosse Flexibilität in der Nutzung der Räume zu. Auch die industriell anmutende Fassade zeigt sich angemessen strukturiert – mit den filigranen horizontal zeichnenden Balkonen, den feingliedrigen Industriefenstern, die sich in der Nachbarschaft in ähnlicher Form finden lassen.

Der pragmatischen Grundhaltung des Projektes folgend ist die Parkierung oberirdisch. Sechs Doppelparkplätze, je mit einem Baum gepaart, sind an der Flüelastrasse platziert, die im Idealfall den Mietenden im Erdgeschoss zustehen. Hofseitig werden die weiteren zwölf Parkplätze angeboten.

Das Erd- und die beiden ersten Obergeschosse sind reine Gewerbegeschosse. Mit 3,61 m Raumhöhe sind sie gut proportioniert und funktionieren mit unterschiedlichen Grundrisslayouts sehr gut. Das Erdgeschoss kann in maximal drei Einheiten aufgeteilt werden, die direkt von der Flüelastrasse zugänglich sind.

Das dritte Obergeschoss mit einer Raumhöhe von 5,30 m bietet ein zusätzliches Angebot: Die Überhöhe erlaubt Einbauten von Galerien in Leichtbauweise. Je nach Mieterschaft kann das Geschoss um maximal 240 m² verdichtet werden.

Die Gewerbegeschosse profitieren von den umlaufenden Balkonen als direkt zugänglichem Aussenraum. Die Aneignung mit Möblierung und Bepflanzung ist für den Strassenraum eine Bereicherung, widerspricht aber der Funktion als Anlieferung. Leider profitieren die Gemeinschaftsräume weder von den Balkonen noch von einem anderen Aussenraum.

Die beiden obersten Geschosse sind für Dienstleistungsbetriebe vorgesehen und entsprechend etwas niedriger konzipiert. Als Gemeinschaftsort ist der Bereich am Kopf im vierten Obergeschoss mit Pausenraum, Küche und grossem Sitzungszimmer gedacht. Im Treppenhaus wird eine aussen liegende Wendeltreppe vorgeschlagen, die auf die gemeinschaftliche Dachterrasse führt. Die ikonografische Wirkung der Treppe ist unbestritten, ob sie aber vom Fluchtweg her erlaubt ist, ist unklar. Die Treppe wurde kontrovers diskutiert.

Im obersten Geschoss sind die Räumlichkeiten der Stiftung PWG untergebracht. Das Doppelsheddach belichtet die Mittelzone des Grundrisses, wodurch eine mittlere Raumschicht möglich ist.

Hervorzuheben ist die geringe Gebäudetiefe des Projektvorschlages. Diese Eigenheit erlaubt es, alle notwendigen Parkplätze oberirdisch anzuordnen, den Gebäudequerschnitt über die ganze Gebäudehöhe beizubehalten, mehr Gebäudehöhe zu generieren, was das überhohe dritte Obergeschoss erlaubt, sowie keine schwierig zu belichtenden Räume in der Gebäudemitte anordnen zu müssen.

Die kompakte Bauweise mit einfacher Tragstruktur und der Verzicht auf das zweite Untergeschoss wirken sich positiv auf die Gesamtkosten aus.

Das Projekt «Ristretto» überzeugt städtebaulich aufgrund des einfachen Baukörpers und trägt der besonderen Lage am Ende der Häuserzeile Rechnung. Sein einprägsamer Charakter entspricht der Auftraggeberin in hohem Masse. Von der räumlichen Vielfalt über das einfache statische Konzept bis hin zur selbstverständlichen Materialisierung ist der Entwurf durchdacht.

Empfehlungen für die Weiterbearbeitung
Das Projekt «Ristretto» erkennt die besondere Lage als Abschluss der Häuserzeile und bildet entsprechend einen Kopfbau aus. Die Anordnung der Nutzungen im Erdgeschoss und deren gestalterische Ausbildung wirken diesem Anliegen aber entgegen. Mittels eines öffentlicheren Charakters des Erdgeschosses mit einer entsprechenden Ausbildung des Aussenraums davor ist die Anbindung des Hauses an den städtischen Kontext der Flüelastrasse zu stärken.
Das Erdgeschoss wirkt im Verhältnis zu den Obergeschossen in der Raumhöhe etwas gedrungen. Sie soll überprüft und das Erdgeschoss soll eindeutiger als Sockelgeschoss ausgebildet werden.
Die vorgeschlagene Einteilung des Erdgeschosses verunmöglicht es, die gesetzlich geforderten Toilettenanlagen so zu erschliessen, dass das Gebäude nicht verlassen werden muss. Es soll nach einer Lösung gesucht werden, welche die gesetzlichen Vorgaben erfüllt, ohne dass die Effizienz allzu stark in Mitleidenschaft gezogen wird.
Bei der Fassadenausbildung mit Pfeilern in Einsteinmauerwerk sieht das Beurteilungsgremium wegen der erschwerten Lastabtragung konstruktive Schwierigkeiten in der Umsetzung. Die Einsteinpfeiler sollen in der Weiterbearbeitung auf ihre Leistungsfähigkeit überprüft und allenfalls konstruktiv überarbeitet werden.
Das vorgeschlagene Sheddach, als architektonisches Element zur Belichtung der Mittelzone des obersten Geschosses, ist sehr willkommen. In der vorgeschlagenen Form vermag es dies aber nicht zu leisten, weil der Fensteranteil wegen der Dämmung der Terrasse zu stark reduziert wird. Es ist eine konstruktive Lösung zu erarbeiten, welche den Belichtungsansprüchen besser gerecht wird.
Die Dachterrasse ist schwierig zu bespielen, weil sie räumlich abgehängt und nicht mit einer Nutzung attraktiviert werden kann. Sie soll grundsätzlich überprüft werden. Der Zugang über die Wendeltreppe und deren Ausformulierung soll hinterfragt und gestalterisch überarbeitet werden.
Der Pausenraum im Kopf des vierten Obergeschosses wirkt etwas verloren. Es ist schade, dass er gerade dort zu liegen kommt, wo die Balkone als willkommene Erweiterung in den Aussenraum fehlen. Das Beurteilungsgremium empfiehlt, Anordnung und Ausbildung der Gemeinschaftsflächen als identitätsstiftendes Element des ganzen Gewerbehauses neu zu denken.