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Einladungswettbewerb | 09/2018

Neubau eines Kirchenkreis-Verwaltungszentrum

3. Preis

Konermann Siegmund Architekten

Architektur

YLA Ando Yoo Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

„Kein Ort. Nirgends“

…möchte man ausrufen beim Betrachten des Baufeldes – am Rande eines entstehenden Gewerbegebietes, in Zukunft umgeben von banalen, großvolumigen Gebäudehüllen mit überwiegend lagernden und produzierenden Funktionen. Dazu ein öffentlicher Raum, der bestimmt ist von schleppkurvenoptimierten LKW-Fahrspuren.
Auf der anderen Seite aber auch die freie Natur, der Blick auf die leicht hügelige Travelandschaft mit ihren typischen Knicks, wenn auch getrübt durch den potenziellen Autobahnbau mit einer aber beherrschbaren Lärmbeeinträchtigung.
Und hier soll das neue Haus entstehen mit durchaus besonderen Ansprüchen auch an die Außenwirkung, verbunden mit Fragen nach Symbolik und Poesie.

Wie wir es versucht haben, zeigen die Pläne:
Eine zweigeschossige Dreiflügelanlage umfasst einen inneren Gartenbereich, beinahe wie einen Hortus conclusus, der sich aber zum Naturraum nach Süden hin öffnet. Die bauliche Umfassung ist dabei physisch durchaus stringent, aber durch die Fassadengestaltung gefühlt nicht hermetisch: die großen Rundbogenöffnungen im EG verleihen dem Gebäude einen großzügigen, beinahe öffentlichen Charakter, und wirken mit den an der Außenfassade verlaufenden Fluren und Erschließungsbereichen wie offene Arkaden. Denn hier im EG befinden sich die öffentlichen bzw. gemeinschaftlichen Funktionen: Empfang/Foyer, Konferenzbereich, Archiv, Mitarbeiterküche, Sozialräume – der sichtbare „Betrieb“ fördert so einen guten Außen-Innen-Bezug.
Im OG bilden die Fenster, in einem einzigen Format und umlaufend wie ein Fries, das Ausbauraster von 1.35m in der Fassade ab und verweisen eindeutig auf die Nutzung: Verwaltung mit Büros.
Diese beiden Gestaltungselemente - Rundbögen und Fensterfries – generieren durchaus funktionale Fassaden mit „moderner Anmutung bei gleichzeitiger Bescheidenheit“. Was noch fehlt ist Poesie, das Besondere, das „Kirche“ spürbar werden und eine „geistige Mitte“ erkennbar werden lässt – so, wie es die Auslobung beschreibt.
Dazu wird der „Raum der Stille“ mit einer besonderen Bauform auf dem Dach zentral über dem Haupteingang positioniert. Der steile markante Giebel zeichnet sich in der Silhouette der Straßenfassade ab und weist wie ein Pfeil in den Himmel. Man möge das als christliches Zeichen identifizieren - wir wären zufrieden, wenn das Gebäude glaubhaft vermitteln würde: „Ich bin ein besonderes Haus hier!“

Funktionsverteilung
Der Haupteingang zum Verwaltungszentrum befindet sich am Birkenring zentral in der Gebäudemitte. Direkt an das Foyer mit Empfang schließen auf der einen Seite der Konferenzbereich und dem gegenüber die große Mitarbeiterküche an, beide Funktionen mit separaten Gartenzugängen. Über arkadenartige Flure entlang der Fassade werden die Nebenräume und WC-Anlagen, das Archiv mit Gästeleseraum im Westflügel und – nur für das Personal - die Tagespflege im Ostflügel erreicht.
Die Tagespflege hat für Besucher und Gäste einen eigenen Eingang mit Foyer an der Ostseite. Der große Aufenthaltsbereich, der Beschäftigungs- und der Ruheraum liegen kompakt neben einander und haben jeweils einen direkten Außenzugang. Die Büros und Nebenräume für die Pflegekräfte sind von den besucherfrequentierten Bereichen separiert.
Die Verwaltungseinheiten im OG werden über das zentrale Treppenhaus (mit Lift) am Foyer erreicht und sind entsprechend den Planungsempfehlungen mit einer breiten Mittelzone für die Sonderflächen organisiert. Die einzelnen Büros für die Abteilungsleitung mit Sekretariat liegen jeweils an den Gebäudeecken bzw. -enden, so dass die Abteilungen durch entsprechende Belegung der Mitarbeiterbüros „atmen“ können. In Teilbereichen erhält die Mittelzone blendfreies Nordlicht von oben über Sheddächer, welche auch die Photovoltaikelemente tragen.
An den Kopfenden der beiden Seitenflügel befindet sich jeweils eine große Pausenloggia mit Außentreppe – diese baurechtlich notwendig als 1. Rettungsweg, funktional gedacht als „Schnellverbindung“ zwischen den beiden Seitenflügeln oder als direkter Zugang in den Garten (Pause, Besprechung).
Der „Raum der Stille“ liegt als deutlich ablesbare Sonderform als 2.OG zentral über dem Eingang und ist durch das Haupttreppenhaus (mit Lift) gut an alle Funktionsbereiche angeschlossen. Der bis zum First gemessene fast 8m hohe Raum ist ein Ort der Kontemplation, eine einfache geometrisch definierte Kubatur, gebrochen nur durch ein schmales hohes Fenster in der westlichen Dachhälfte. Fast wie ein Raum um des Raumes Willen ist er für Besucher und Nutzer des Hauses ein Ort individueller Besinnung.

Material und Konstruktion
Die Materialwahl für das Gebäude ist Ausdruck einer dezenten, maßvollen Haltung.
Die massiv aus Passivhausziegel gemauerten Außenwände - die Rundbögen mit Schalung und Schlussstein - erhalten einen hellen, freundlichen Außenputz, dessen Struktur zwischen feinkörnig/glatt in den Fensterleibungen bis zu rau an der Außenwandfläche variiert. Der Putz wird ohne Unterbrechung bis zum Boden in traditioneller handwerklicher Verarbeitung ausgeführt und mit Kalk- oder Mineralfarben gestrichen. Die besonderen haptischen Eigenschaften der verputzten massiven Wand strahlen Nachhaltigkeit und Wertigkeit aus - Qualitäten, welche die Akzeptanz durch die Nutzer und deren Identifikation mit dem Gebäude - ihrem Arbeitsplatz - fördern können.
Die Dächer bzw. die Attikaabdeckungen aus Kupfer haben minimale Überstände an Ortgang und Traufe.
Die großen Rundbogenfensterelemente aus Stahl in den öffentlichen Bereichen im EG sowie die hohen Holzfenster in den Büros - aus Lärmschutzgründen mit Dreifachverglasung - unterstreichen den freundlichen Raum- und Materialcharakter.
Das Gebäudeinnere ist geprägt von der Präsenz konstruktiver Materialien. Die überwiegend unverkleideten Geschossdecken sind als sichtige Betondecken mit Beton-Kern-Temperierung ausgestattet und sorgen für eine hohe Behaglichkeit der Büro- und Aufenthaltsräume. Dazu bestimmen warme Materialien die Gestaltung: Sichtbeton, Putz und Holz sind die Oberflächen, die sowohl Beanspruchungen robust standhalten als auch eine angenehme Haptik vermitteln.
Das Flachdach wird extensiv begrünt.
Das insgesamt kompakte Gebäudevolumen schafft gute Voraussetzungen für eine energetisch und auch wirtschaftlich günstige Erstellung. Insbesondere die klare Grundrissstruktur kann mit üblichen Baukonstruktionen, sowohl in statischer, wie in bauphysikalischer Hinsicht, gelöst werden, so dass aus dieser Sicht eine nachhaltige Nutzung des Gebäudes mit kalkulierbarem Unterhaltungsaufwand darstellbar ist.

Energiekonzept
Zur Wärmeerzeugung wird eine Sole/ Wasser-Wärmepumpe, die im Technikraum aufgestellt wird, vorgesehen. Die Energie wird über geothermische Bohrungen in den Freiflächen bis ca. 95m Tiefe gewonnen.
Die Wärmeverteilung erfolgt über eine Flächenheizung, über die auch die Möglichkeit gegeben ist, eine Kühlung der Räume vorzunehmen und damit auch eine Regeneration der Erdsonden für den Winter zu erreichen.
Die Archivräume werden klimatisiert. Die innenliegenden Sozialräume, Lagerräume, der Veranstaltungssaal und die innenliegenden Flurbereiche werden mit mechanischen Be- und Entlüftungsanlagen mit regenerativer Wärmerückgewinnung von ca. 85% ausgestattet.
Die Nacherwärmung der Luft ist ebenfalls über die Wärmepumpe vorgesehen. Im Sommer, wenn keine Wärme im Gebäude erforderlich ist, kann aktiv über die Wärmepumpe gekühlt werden.
Für einen wirtschaftlichen Betrieb werden die Anlagen über eine DDC-Regelung gesteuert.
Die Beleuchtung der Räume ist mit energieeffizienten LED-Leuchten vorgesehen, die über Präsenzmelder mit Tageslichtregelung gesteuert werden.
Für die Stromerzeugung ist eine Photovoltaikanlage vorgesehen. Zur weiteren Minimierung des Strombezugs aus dem öffentlichen Netz wird diese um einen Batteriespeicher erweitert.
Mit diesem Konzept wird ein energieeffizienter Betrieb des Gebäudes gewährleistet.

Freianlagen
Das Freiraum- und Grünkonzept soll auch im Inneren des Gebäudes spürbar werden.
Daher umrahmt das neue Gebäude einen nach Süden ausgerichteten, großzügig bemessenen Hofgarten, der durch seine Flächenaufteilung an einen Klostergarten erinnert. Er ist von allen Seiten des Gebäudes einsehbar und wirkt durch seine intensive Begrünung aus kleinkronigen Zierobstgehölzen und Stauden/Gräserflächen positiv auf das Arbeitsklima im Gebäude. Der Hofgarten soll als Erholungsort für die Mitarbeiter dienen, aber auch zum Teil oder zeitweise für die Gäste der Tagespflege nutzbar sein. Für die Tagespflege steht außerdem ein separater Garten, sowie eine Terrasse neben dem Gebäudeeingang auf der Ostseite zur Verfügung.
Alle Wegebeläge bestehen aus einem robusten und rutschfesten Betonwerksteinbelag, der farblich mit der Fassade abgestimmt ist.
Westlich des neuen Gebäudes ist die Grundstückszufahrt zum Parkplatz für den Großteil der PKW Stellplätze, der 20 überdachten Fahrradstellplätze und der Standort für die Müllbehälter vorgesehen. Weitere Stellplätze, vor allem für Behinderte, sind am Haupteingang auf der Nordseite angeordnet. Dort befinden sich auch Fahrradstellplätze für Besucher. Die PKW Stellplätze sind mit einem wasserdurchlässigen Rasenliner-Plattenbelag befestigt und mit großkronigen Laubbäumen überstanden.
Die Beleuchtung der Außenanlagen wird über Mastleuchten gewährleistet.
Die gemäß Bebauungsplan vorgesehenen Knickpflanzungen werden im Bereich des Parkplatzes zum Birkenring und zum Gebäude hin durch niedrige Laubhecken ergänzt.
Auf der Südseite des Verwaltungszentrums vermittelt zwischen Hofgarten und Knickpflanzung ein extensiv gepflegter naturnaher Knicksaum.