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Realisierungswettbewerb | 06/2021

»Neues Eickhaus« in Essen

Blick Willy-Brandt-Platz

Blick Willy-Brandt-Platz

1. Preis

Preisgeld: 45.000

Architekten Brüning Rein

Architektur

WLP-Ingenieure / Löschmann + Partner

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext

Der Willy-Brandt-Platz am Hauptbahnhof bildet das südliche Entree der Essener Innenstadt. Eingerahmt von Hauptpost und Handelshof soll das ́Neue Eickhaus ́ eine Ära der Essener Innenstadt im Zeichen vielfältiger Nutzungen und ökologischer Transformation einläuten. Der Kopfbau wird mit neuer gläserner Aufstockung prägend für die Wahrnehmung des Eingangs zur Innenstadt werden. Nach Norden staffelt sich das Gebäude mit Dachterrassen ab und bildet so den Übergang zur bestehenden Bebauung.

Nach Kriegszerstörungen wieder aufgebaut und in zahlreichen Umbauten verändert, erhielt das Gebäude anstelle des historischen Pagodendachs der Erbauungszeit im Zuge des Umbaus 1958 einen, dem Zeitgeist entsprechenden, flach auskragenden Dachabschluss, der dem Gebäude jedoch nicht mehr die notwendige Bedeutung zu geben vermochte.

Das Neue Eickhaus setzt nun wieder ein Zeichen als Auftakt zur Innenstadt. In der Höhe am ehemaligen Pagodendach orientiert, ist es mit der filigranen gläsernen Aufstockung eine Symbiose aus Vergangenheit und Gegenwart, die den Aufbruch in eine neue grüne Essener City signalisiert. Üppige Dachgärten in luftiger Höhe setzen die gewünschte Durchgrünung des Stadtraums auf dem Gebäude fort. Das erklärte Ziel ist, mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen und zugleich die ökologische Wende im Zeichen des Klimawandels zu verfolgen.

Die historischen Fassaden des Neuen Eickhauses werden vom Sockel bis zur Traufe denkmalgerecht in Materialität und Detaillierung originalgetreu restauriert und auf den Ursprungszustand von 1915 zurückgeführt. Ein Neubau anstelle des heutigen Derendorfhauses setzt die historischen Natursteinfassaden mit reduzierter moderner Formensprache fort. Als selbstverständliche Ergänzung des Eickhauses bleibt er ablesbar. Oberhalb der Traufen ragt das Neue Eickhaus als Aufstockung auf und signalisiert mit leichter Formensprache den Prozess der Umwandlung in die Green City.

Gestaffelte Terrassen und Fassadenabschnitte mit üppiger Begrünung sind vom Stadtraum erlebbare Elemente der Aufstockung, die mit Low-Tech Konzeption einen wichtigen Impuls für eine lebenswerte Innenstadt setzt. Die Begrünung beeinflusst das Mikroklima am Gebäude positiv und schafft zugleich attraktive Austritte aus den Büroflächen. An geeigneten Stellen werden netzartige Rankhilfen vor den Fassaden installiert, die es erlauben, eine zusätzliche grüne Haut aus Pflanzen aufzuspannen. Besonderen Reiz bietet der windgeschützte große Dachgarten im obersten Geschoss.

Das Eickhaus ist traditionell erste Geschäftsadresse am Willy-Brandt-Platz und an der Kettwiger Straße. Das Erdgeschoss und das 1.Obergeschoss bleiben weiterhin dem Einzelhandel vorbehalten. Das Flair der historischen Fassaden animiert zum entspannten Einkauf an traditioneller Stelle.

Ab dem 2.Obergeschoss wird das Neue Eickhaus als exzellenter Bürostandort in Essen entwickelt. Adresse ist die Rathenaustraße mit bester Infrastruktur in zentraler Lage. Ein großes gläsernes Vordach über dem Erdgeschoss signalisiert die Lobby. Zwischen geschlossenen Fassadenpartien eröffnet sich der Einblick in eine zweigeschossige City-Lounge mit Galerie und in das denkmalgeschützte Treppenhaus. Bepflanzte Wandgobelins als Reminiszenz an die Teppichhalle des historischen Eickhauses und die grüne Balustrade der Loungegalerie künden vom Thema des Green-Office, das das Gebäude durchzieht.

Die Symbiose aus Alt und Neu, flexiblen Büroflächen und gezielten Akzenten mit unterschiedlichen Bepflanzungen ist grundlegender Konzeptansatz für das Green-Office, das durch Wohlfühlkomponenten und zugleich wirtschaftliche Effektivität besticht.
Alle den Büroflächen vorgelagerten Terrassen sind intensiv bepflanzt und begehbar. Von der vorgelagerten großen begrünten Terrasse im obersten Geschoss hat man einen wunderbaren Blick über den Willy-Brandt-Platz und den Hauptbahnhof nach Süden in die Huyssenallee zum Stadtgarten mit Aaltotheater und Philharmonie.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Arbeit 2023 gelingt es, durch ein sehr gut dimensioniertes und proportioniertes Neubauvolumen eine überzeugende bauliche Erweiterung des Bestands als „Neues Eickhaus“ zu formulieren.

Die konsequente Fortführung der südlichen Fassadenflucht und die von seiner Gesamtkubatur her angemessene und klar gesetzte Aufstockung unter Beibehaltung der Bestandsfassaden – auch die des Derendorfhauses – wird vom Preisgericht als schlüssige Alt/Neu-Dialektik gesehen. Auch aus Sicht des Denkmalschutzes erscheint der Umgang mit dem historischen Bestand respektvoll und verträglich.

Die Eckausbildung zur Kapuzinergasse/Kettwiger Straße mit zweifach nach oben verspringenden Baukörpern ist maßstäblich plausibel und wird durch die vorgeschlagenen Dachgärten, die auf den Versatzflächen angeordnet werden, sinnfällig ergänzt. Diese können für die Büroräume als qualitäts-volle Außenbereiche genutzt werden und setzen die Durchgrünung des Stadtraums konsequent in die Vertikale fort.

Die moderne und gleichzeitig filigran erscheinende Fassadenstruktur des Entwurfs wird durch die Darstellung als Nachtansichten überzeugend vermittelt, allerdings ist es für die Jury unerlässlich, dass diese Erscheinung von Leichtigkeit auch bei Tageslicht vorhanden sein muss. Dabei ist ein bei Glasfassaden notwendiger, für den Bestands- und den Neubau korrespondierender Sonnenschutz mit einzuplanen, der das Aussehen ebenfalls nicht beeinträchtigt – hierfür ist unbedingt die Denkmalpflege mit einzubeziehen!

Der gesamte Erschließungskern ist geschickt so zur Rathenaustraße hin angeordnet, dass im EG und im 1. OG gut proportionierte und damit optimal nutzbare Einzelhandelsflächen entstehen; die großzügige Lobby in diesem Bereich, die über 2 Geschosse geht, erscheint zeitgemäß und forciert die Adressbildung. Der in den Obergeschossen komprimierte Kern mit kleinem „Footprint“ generiert einen hohen Anteil an Büroflächen, allerdings ist die Fortführung des unter Denkmalschutz stehenden Bestandstreppenhauses auch über das 3. OG hinaus zu gewährleisten, ebenso eine kleinteiligere Gliederung der Büroflächen.

Die Gastronomie im Dachgeschoss sitzt sinnfällig auf der Südseite Richtung Willy-Brandt-Platz, aus-reichende und gestaltverträgliche Technikflächen sind auf dem Dach allerdings ebenso vorzusehen. Die Tragstruktur aus Stahlbeton mit aussteifendem Kern und hochverdichteten Stützen ist plausibel und erzeugt flexible Raumstrukturen, die für ein nachhaltiges Gebäudekonzept grundsätzlich notwendig sind.

Insgesamt handelt es sich bei dem Entwurf 2023 um eine überzeugende Arbeit, die eine erfolgreiche Umsetzung erwarten lässt.

Blick Kapuzinergasse

Blick Kapuzinergasse