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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2014

Gedenken an die deportierten und ermordeten Kinder, Jugendlichen und Mitarbeiter der „Baruch-Auerbach´schen-Waisen-Erziehungsanstalten für jüdische Knaben und Mädchen“

1. Rang / Zur Realisierung empfohlen

Susanne Ahner

Kunst

Erläuterungstext

Ich war hier

Ein Erinnerungsort für die Baruch Auerbach‘schen Waisen-Erziehungsanstalten 
für jüdische Knaben und Mädchen


Ein „Elternhaus für Waisen zu schaffen“ war der Leitgedanke Baruch Auerbachs.
Die Baruch Auerbach‘schen Waisen-Erziehungsanstalten waren seinerzeit wegweisend, weit über die deutschen Grenzen hinaus.

Der große Gebäudekomplex zeigte sich mit einem Backstein-Portal und repräsentativem Vorgarten zur Schönhauser Allee. Durch die ruhige Lage im Blockinneren war hier ein behüteter Ort, der lange Schutz vor der nationalsozialistischen Verfolgung bot. Doch 1942 wurde das Haus geschlossen, die letzten Kinder und ihre Betreuer_innen deportiert. Die Gebäude wurden im Krieg schwer beschädigt, die Reste wurden in den 50er Jahren abgetragen und der Vorgarten mit einem Wohnhaus überbaut.
Heute ist dieser Ort von der Straße kaum zu erkennen.

Am Straßenrand liegt ein Ball – wo kommt er her? folgt ein Kind?
Der steinerne Ball ist Anstoß für einen Blick in die nähere Umgebung,
auf das Glas hinter dem Ball und die Geschichte hinter den neuen Fassaden:
Eine schmale Glastafel weist auf den Erinnerungsort im Innenhof.

Dort ist noch ein Teil der seitlichen Begrenzungsmauer des Vorgartens des alten „Auerbach“ erhalten. Schon dieses Fragment zeugt von der großzügigen Gestaltung der früheren Anlage.

Die alte Mauer ist in ihrer Würde und Patina durch ein sanft geschwungenes Plateau gefaßt. Die organische Form erinnert an die frühere Gartengestaltung. Die Mauer ist als Denkmal betont. Sie wird als Relikt aus einer anderen Zeit aus dem heutigen Umfeld herausgehoben.

Aus der Nähe werden Namen und Zahlen auf den alten Klinkern erkennbar.
Hell und zart, wie Graffiti aus einer früheren Zeit, wie vorzeitliche Petroglyphen, 
sind die Namen der deportierten Kinder und ihrer Betreuer_innen in die 
historische Mauer eingeschrieben –
als hätten die letzten Bewohner_innen sich noch schnell vor ihrer Abreise 
hier zu einem Gruppenbild zusammengestellt und an der Wand verewigt, 
gerade so hoch wie sie reichen konnten –
als hätten Eltern hier markiert, wie groß die Kinder am Tag X sind –
als hätten Reisende hier ihre Markierung hinterlassen:

Ich war hier.


Eine helle runde Bank um den Baum lädt zum Verweilen ein.
Sie steht für Gemeinschaft und Schutz,
für Kommunikation und Verbindung,
doch auch für einen Wechsel der Perspektive.
Sie ist ein Ruhepol im Durchgangsbereich des Hofes.
Sie ist ein Bindeglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart,
ein Angebot für Nachbarn und Besucher_innen, einmal innezuhalten,
sich zu erinnern und der Atmosphäre dieses besonderen Ortes nachzuspüren.

Eine große Glastafel vor der Mauer benennt die historischen Fakten
und informiert über die wechselvolle Geschichte des Gedenkens an diesem Ort.
Die Tafel zeigt das Portal, die Außenansicht des Auerbach‘schen Waisenhauses.
Wie ein Vorhang schiebt sich von rechts ein helles Feld vor das große Bild.
Wie Fenster eröffnen Text und Bilder einen Blick ins Innere.
Sie zeugen von dem Leben, das hier einmal war.


Elemente und Materialien

Außen

Hinweistafel, Siebdruck auf Glas, beidseitig lesbar. 
Das Foto des Portals als frühere Außenansicht des Waisenhauses – was damals für Passanten sichtbar war wird zum Hinweis auf den Erinnerungsort.

Ball, Granit handgearbeitet, Aufmerksamkeit, Denkanstoß und Schutz für die schmale Glasstele, Erinnerung an die zerstörten Erinnerungsobjekte der Schlüler_innen.

Innen

Plateau – fasst die Mauer als Denkmal und schafft eine Basis für den Erinnerungsort.
 Die geschwungene Stahlkante greift ein Motiv der historischen Gartengestaltung auf.

Namen auf der Mauer – Buchstaben VH ca 25 mm in Sandstrahl-Technik in den Klinker eingeschrieben, Namen/Buchstaben werden zwischen den Fugen ausgeglichen, Anordnung erfolgt alphabetisch nach geschätzen Größen und kann somit gut erweitert werden. Die Namen sind räumlich und haptisch erfahrbar, untrennbar mit der Mauer verbunden, historisch wie praktisch.

Rundbank um den Baum – Bindeglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Ruhepol im Hof und Angebot zum Innehalten für Nachbarn und Besucher_innen.

Erinnerungstafel, Siebdruck auf Glas – verbindet die Namen und die Mauer mit der historischen Information, sowie die gesamte Anlage mit dem täglichen Leben im Hof.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf wird den Anforderungen der Aufgabenstellung auf überzeugende und unspektakuläre Weise gerecht. Im Vordergrund steht die bestehende Mauer mit der Einschreibung der Namen. Das Gedenken an die ermordeten Kinder, Jugendlichen und Betreuer findet hier einen würdigen, angemessenen und zurückhaltenden Ausdruck. Das historische Relikt wird betont und den Namen der Opfer ein prominenter Ort geboten.

Die Namen stellen das Zentrum des Gedenkortes dar und ermöglichen eine würdige Erinnerung. Mit der runden Bank wird eine Brücke in die Gegenwart zur heutigen Nutzung geschlagen. Damit kann dieser Teil des heutigen Innenhofes als Ort der Besinnung dienen. Die Markierung der Bodenfläche verbindet sich assoziativ mit der historischen Gestaltung des Hofes und löst den künftigen Ort auf positive Art von den Wettbewerbsgrenzen und Wegemarkierungen.
Straßenhinweis

Straßenhinweis