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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2021

Erinnerungsort Zwangsarbeiter*innenlager in Neuaubing

2. Preis

Preisgeld: 14.500 EUR

HELGA BLOCKSDORF - ARCHITEKTUR

Architektur

Keller Damm Kollegen GmbH Landschaftsarchitekten Stadtplaner

Landschaftsarchitektur

Studio Miessen

sonstige Fachplanung

Uniola AG

Landschaftsarchitektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebaulich/ denkmalpflegerische Bewertung:
Der Entwurf zeichnet sich durch eine starke Bestandsorientierung aus und stellt mit seinen behutsamen Setzungen einen sehr angemessenen Beitrag dar.
Städtebaulich wird das Entwurfsareal weiterhin als Teil des übergeordneten Grünbandes verstanden, welches die Fuge zwischen der bestehenden Bebauung von Neuaubing und dem weitgehend noch in Planung befindlichen Stadtteil Freiham markiert.
Bewuchs und Funktion als „Spieldschungel“ werden im Bereich entlang der Wiesentfelser Straße folgerichtig erhalten und ökologisch zusätzlich aufgewertet. Diese Entscheidung sorgt dafür, dass auch nach Realisierung der vergleichsweise massiven und hohen Wohnbebauung jenseits der Wiesentfelser Straße, für die Funktionen im Inneren des Planungsareals durch angemessenen Abstand und Blickschutz ein angenehm privater Charakter erhalten werden kann.
Durch das neu vorgesehene Podest in den Ausmaßen der ehemaligen Baracke 10 tritt der Entwurf gleichzeitig auch in Bezug zum neuen Stadtteil Freiham und bietet hier Öffnung und Durchblicke. Während der Rahmen des zukünftigen Erinnerungsortes ähnlich dem heutigen Bestand stark begrünt bleiben wird, sieht der Entwurf vor, einen Großteil der ehemaligen Hoffläche bis auf die bestehenden Großbäume freizustellen, um den Eindruck einer baumkronenüberdachten offenen
Platzfläche entstehen zulassen. Da nur wenige der Bestandsbäume geeignet sind, um eine Ausastung zum Hochstamm vorzunehmen, wird sich die gewünschte Atmosphäre in Realität allerdings nur schwerlich einstellen, gleichzeitig wird der vorgesehene Bodenbelag mit Riesel und Blumenwiesensaat als nicht geeignet eingestuft, um den in der Auslobung formulierten vielfältigen Nutzungsanforderungen gerecht zu werden. Hier wären in der weiteren Bearbeitung Änderungen erforderlich.
Aus denkmalpflegerischer Sicht erfreulich, ist der sehr behutsame Umgang mit dem Baubestand. Gemäß der Ausstellungsprämisse des Entwurfes, nachdem der Bestand das Exponat ist, wird die geschlossene Außenwirkung des Ensembles erhalten. Die Anpassungen im Inneren der Gebäude beschränken sich auch wenige Eingriffe, um die Funktionalität zu gewährleisten.
Die Nutzbarkeit für die Kinder-und Jugendfarm erfährt so eine deutliche Verbesserung, ist aber wegen mehrerer Durchgangssituationen noch immer nicht optimal. Die Umbauten der öffentlichen Räume für die Bürgerschaft und die Künstler sind angemessen und zielführend. Leider wird zugunsten der Bestandstreue auf sonnengeschützte Arbeitsbereiche, die direkt den Ateliers zugeordnet sind, verzichtet. Der hierfür angebotene Pavillon mit Wettermembran überzeugt weder in Hinsicht auf die Standortwahl noch auf die Ausführung. Hier sollte nach Empfehlung des Preisgerichtes eine planerische Überarbeitung erfolgen.
Kuratorisch/ nutzerische Bewertung:
Der Entwurf stellt den dialogischen und diskursiven Charakter des Erinnerungsortes Neuaubing in den Vordergrund. Dabei geht es um eine prozessorientierte Sichtbarmachung der Geschichte, die auf drei Komponenten basiert: den Baumaßnahmen im Außenbereich, der Gestaltung der Ausstellungs-, Seminar- und Werkstatträume, sowie der Konzeption eines inhaltlichen Programms, das den Prozesscharakter von Erinnern in den Vordergrund stellt und einen Ort entwirft, der sich über Teilnahme definiert.
Im Außenbereich sieht der Entwurf vor, den Erinnerungsort gegen Westen hin durch einen dichten Grünstreifen abzugrenzen - nur im Bereich des Zugangsweges und des Betonplateaus werden Vorbeigehenden Einblicke geboten. Der innere Bereich zwischen den Baracken wird hingegen entbuscht und durch Riesel mit Blütenwiesen sichtbar gemacht; der Baumbestand wird aufgeastet und bleibt erhalten; ein Wetterschutzelement bietet einen zweiten Aufenthaltsraum im Außenbereich. Die bewussten, aber zurückhaltenden Setzungen verstärken die Wahrnehmung des Ortes nach außen.
Die zweite Ebene des Entwurfs, die Inneneinrichtung von Baracke 2 und 5, sieht mehrere Versammlungsräume sowie eine Bibliothek vor, die zum dialogischen Austausch einladen. Ausstellungsmöbel sind gezielt einfach und mobil gehalten, die Einrichtung von Baracke 2 findet ausnehmend kreative Lösungen, wo alle anderen Vorschläge konventionell bleiben. Der Entwurf bedenkt eine Vielzahl von Settings und Formaten der Gesprächskultur, die Möglichkeiten wandelnder Bezugsrahmen in der Zukunft einbeziehen.
Die dritte Ebene hebt den vorliegenden Entwurf von allen anderen Einrichtungen ab, da hier auch inhaltlich in die Zukunft gedacht wird, indem immersive Webplattformen, Zeitungsformate und Publikationsreihen in die Arbeit des zukünftigen Erinnerungsortes miteingeplant werden. Der Fokus liegt auf dem gemeinsamen Erarbeiten von Bedeutung. Der Einbezug von open source soll die Teilnahme möglichst Vieler und ein Wachsen des städtischen, lokalen und überregionalen Archivs ermöglichen.