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Offener Wettbewerb | 11/2015

Erweiterung und Erneuerung Regionalgefängnis

BERG - LANDSCHAFT

3. Rang / 3. Preis

Rigert + Bisang

Architektur

Fahrni Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Situation
Das Regionalgefängnis Altstätten liegt im St. Galler Rheintal. Die durch die horizontale geprägte Kulturlandschaft der Ebene wird im Norden und Westen von einer imposanten Bergszenerie der Appenzeller Voralpen umgeben. Dieses Wechselspiel zwischen Ebene und Berge wird zum bestimmenden Entwurfsansatz für die Setzung und Ausbildung der Baukörper.
Das bestehende Regionalgefängnis wird in eine rotierende Figur, welche mit der Horizontale des umliegenden Landschaftsraumes kommuniziert, eingebunden. Die Dachlandschaft der Spazierhöfe hingegen sucht ihre Referenz in der umliegenden Bergwelt. Eine ähnlich der umliegenden Bergskyline durch Zacken geprägte Dachlandschaft kommuniziert mit dem Horizont der Alpenlandschaft.
Der eingeschossige Sockelbau bindet sich mit einer Graseindeckung in den Landschaftsraum ein. Figur und Landschaft vereinen sich.
Die Setzung der Baukörper und deren Figur ermöglicht ein schrittweises Wachsen der Anlage. Die erste und auch die zweite Ausbauetappe unterstützen den Entwurfsansatz und setzen diesen fort.
Sämtliche Zugänge der Anlage werden auf der Ostseite der Anlage zusammengefasst und von der Zentrale überwacht. Die Anbindung an die neu geführte Zugangsachse der Fleuberstrasse ist bestens gewährleistet.

Landschaft
Das Wettbewerbsareal befindet sich in der Ebene zwischen Rhein und dem Bach Rietaach nahe der
Grenze zu Österreich. Die ursprüngliche Auenlandschaft gibt es nicht mehr. Und die ehemalige Riedlandschaft wurde mit geraden Entwässerungsgräben trockengelegt. Das Landwirtschaftsgebiet ist mit feinen Feldwegen durchzogen. Einzelne solitäre Bäume und lineare Bachbestockungen gliedern die weite Ebene, eingebettet zwischen den österreichischen Alpen und der Appenzeller Hügellandschaft.
Dieser Landschaftsraum bestimmt den Entwurfsansatz und findet seine Fortsetzung in den Bepflanzungen des Gebäudes.
Das alles verbindende Flachdach über dem Erdgeschoss weist eine hohe Wiesenbegrünung mit Pfeifengras auf, welche die umliegende Landschaft mit dem Gefängnisbau verbindet.
Die drei schmalen eingestanzten Innenhöfe sind mit einheimischen Auenwald Bäumen und zugehörigen Bodenvegetationen bepflanzt, welche sich in den reflektierenden Glasfronten spiegeln. Entsprechend befinden sich in den Höfen unterschiedliche Pflanzenkombinationen: Birken mit Bärlauch, Ulmen mit Goldglockenblumen und Erlen mit Farne.
Die Hauptgebäude mit den alpinen Dachaubauten ragen aus dem Ensemble heraus und geben den Blick in das Alpenpanorama frei. Das Dach wird bekiest oder mit Platten belegt.

Fassade
Die Konzeption der Anlage kommuniziert mit dem umliegenden Landschaftsraum, mit der Ebene und den Bergen. Die Materialisierung setzt diesen Entwurfsansatz fort und bindet das bestehende Gebäude in die Rotationsfigur der neue Anlage ein.
Der Gefängnisneubau wird als Betonbau vorgeschlagen. Eine zweischalige Betonkonstruktion fasst die einzelnen Gebäudeteile zu einer Einheit zusammen. Die Massivität der Betonfassade kommuniziert mit der Weite und Beschaffenheit der Rheintalebene und vermittelt Schutz und Sicherheit.
Die den speziellen Anforderungen eines Gefängnisses entsprechende Fensterkonstruktion entwickelt sich aus der Betonkonstruktion der Fassade. Diese Fensterausbildung verhindert die Einsicht und unterbindet die Kollusion über die Fenster. Eine schalldämmende Einlage unterstützt diese Absicht.
Die Dachaufbauten werden mit dunkel eigefärbten Betonelementen vorgeschlagen. Diese haben eine raue, durch Stocken oder Abbinden erzeugte Oberfläche. Diese Oberfläche sucht ihre Referenz in der durch Erosion geprägten Bergwelt.
Auch die Innenhöfe spielen mit dem Entwurfsansatz und übernehmen Vegetationen aus den Auenwäldern. Reflektierende Gläser erzeugen einen sich ins Unendliche fortsetzenden virtuellen Raum und verhindern die gegenseitige Einsicht.

Zugänge
Gefangenentransport: Die Zuführung der Gefangenen erfolgt über die Fahrzeugschleuse. Die Abstandszellen und das zugehörige Büro sind dieser unmittelbar angelagert. Über den speziell für diesen Zugang ausgebildeten Kontrollraum gelangen die Häftlinge in den Aufnahmebereich.
Freier Haftantritt: Die Eintretenden melden sich an der Zentrale und gelangen auch über die Kontrollräume in den Aufnahmebereich.
Besucher: Externe melden sich auch bei der Zentrale. Besuche mit Trennscheibe erreichen die Besucherräume vor den Kontrollräumen, Besuche ohne Trennscheibe durchschreiten die Kontrollen und gelangen anschliessend in die Besucherräume. Die Häftlinge erreichen die Besucherräume begleitet über den Gefängnisbereich.
Personal: Das Personal hat einen eigenen, auch von der Zentrale überwachten Eingang und gelangen direkt zu den Garderoben im Untergeschoss. Dieser Personaleingang entlastet die Zugangssituation.
Anlieferung: Sämtliche Zu- und Wegführungen erfolgen über den ummauerten Anlieferungshof. Die Ware gelangt über die Umschlagsräume ins EG und UG.
Untersuchungsamt: Der Eingang ist der Zentrale unmittelbar angelagert und wird auch über diese kontrolliert. Die Gefangen gelangen begleitet über den Gefängnisbereich in die Übergabezellen des Untersuchungsamtes.

Haftbetrieb
Der Haftvollzug wird konsequent zwischen Einzelvollzug und Gruppenvollzug getrennt. Während der Einzelvollzug im 2. Obergeschoss des bestehenden Regionalgefängnis organisiert wird, befindet sich der Gruppenvollzug im Neubau. Die Organisation und Gebäudestruktur des Haftbetriebes erfüllt im Wesentlichen folgende Anforderungen:
Spazierhöfe: Jede Abteilung verfügt über einen eigenen Zugang zu den Spazierhöfen auf dem Dach. Dies erlaubt ohne grossen Personalaufwand flexible Nutzungszeiten der Höfe. Die Höfe auf dem Dach vermindern die Kollusionsgefahr und bieten den Blick in den freien Himmel.
Flexible Zellenbereiche: Zwischen den Abteilungen ermöglichen speziell ausgeschiedene Zellenbereiche flexible Zuordnungen zu den einzelnen Abteilungen. Dies ermöglicht das Reagieren auf unterschiedliche Belegungsbedürfnisse und optimiert den Betrieb.
Mittelkorridor: Im Neubau sowie auch im Umbau bietet ein zentraler Innenkorridor ein unabhängiges Erreichen der Abteilungen. Dies optimiert den Betrieb und ermöglicht auch einen einfachen Gefangenenaustausch von Abteilung zu Abteilung.
Vertikalerschliessung: Beim Umbau wird ein neuer, speziell für den Haftbetrieb im 2. OG genutzter Lift, vorgeschlagen. Dieser trennt konsequent den Haftbereich und die Verwaltungsräumlichkeiten und vermeidet unnötige Überschneidungen der verschiedenen Nutzungsbereiche.

Arbeiten
Die Arbeitsbereiche der gesamten Anlage werden im Erdgeschoss und im Untergeschoss organsiert. Die Häftlinge gelangen begleitet über die Vertikalerschliessungen in den entsprechenden Bereich. Zu den einzelnen Arbeitsbereichen lässt sich folgendes festhalten:
Arbeiten: Die anlieferungsintensiven Arbeitsbereiche befinden sich im EG. Die Ware gelangt über den Umschlagsraum in das Materiallager und wird anschliessend in die Arbeitsräume verteilt. Bei den einzelnen Arbeitsbereichen werden zusätzlich mögliche Zwischenlagerbereiche vorgeschlagen.
Kochen: Die Küche befindet sich an zentraler Lage im Untergeschoss. Die Anlieferung erfolgt über den Warenlift ins Küchenlager. Hier befindet sich auch das Entsorgungsdepot. Die Mahlzeitenanlieferung in die einzelnen Haftabteilungen erfolgt über das UG und die Vertikalerschliessungen im Gefängnisbereich. Beim Umbau wird dafür die neu geschaffene Vertikalerschliessung im Gefangenbereich genutzt.
Waschen: Die Wäscherei befindet sich auch im UG und wird intern über die Vertikalerschliessungen bedient. Externe Anlieferungen können bei Bedarf über den Warenlift und das angelagerte Küchenlager erfolgen.
Die Erweiterungen der 1.- und 2. Ausbauetappe führen im Arbeitsbereich im EG und auch im UG die Strukturen das Grundausbaus fort und integrieren sich bestens ins Nutzungskonzept.

Energiekonzept
Für den Erweiterungsbau ist eine Adaption des Energiekonzeptes des bestehenden Gebäudes vorgesehen. Ein dynamisches Erdspeicherfeld, bestehend aus Erdsonden und Energiepfählen, ist an eine Wärmepumpe gekoppelt und stellt ganzjährig die Wärme für Heizung und Warmwasser bereit. Im Sommerhalbjahr kann der Erdspeicher zur freien Kühlung genutzt werden. Dies führt zur Regeneration des Sondenfeldes und in der Jahresbilanz zu einer Effizienzsteigerung der Gesamtenergieversorgung. Zudem wird der Raumkomfort gesteigert. Die Wärme- und Kälteabgabe erfolgt über die Fussbodenheizung.

Lüftungskonzept: Mechanisch zu belüftende Räume, wie Hauswirtschaftsräume und Toiletten sind sehr kompakt im Untergeschoss und den Obergeschossen angeordnet und lassen sich demnach auf kurzen Wegen erschliessen. Alle übrigen Räume sind individuell über die Fenster zu lüften. In den Zellen sind diese mittels Handtaster durch die Insassen öffenbar. Das Sicherheitspersonal kann diese sodann bei Bedarf übersteuern. Der Treppenaufgang lässt sich über die motorisierte Öffnungen im Oberlicht ebenfalls gut entlüften. Um dies effizient bewerkstelligen zu können, wird im Erdgeschoss eine Nachströmungsöffnung automatisch angesteuert. Im Bürobereich sind die Personen selbst für das Lüften besorgt. Eine CO2-Ampel kann in der Sensibilisierung zum Lüftungsverhalten einen sinnvollen Beitrag leisten.

Nachhaltiges Bauen
Der sommerliche Wärmeschutz wurde als System unter Berücksichtigung von Verglasung, Beschattung und aussenliegendem Sonnenschutz betrachtet. Der Wärmeschutz der Gebäudehülle ist in Abhängigkeit des Energiekonzeptes dimensioniert und schont Ressourcen für einen massvollen Umgang mit Grauer Energie. Die zweischalige Betonkonstruktion ist dauerhaft robust und weist aufgrund des langen Lebenszyklus eine günstige Ökobilanz auf. Die Primärstruktur ist sehr material- und kosteneffizient gestaltet und auch der Innenausbau ist auf einen massvollen Einsatz der Ressourcen bedacht. Das technische und bauliche Energiekonzept, sowie die kompakte und ressourcenschonende Bauweise sind unter dem Gesichtspunkt des SIA-Effizienzpfads Energie betrachtet worden und zeigen ein sehr gutes Ergebnis. Aufgrund der peripheren Lage des Gebäudes wird der Richtwert für die Mobilität deutlich überschritten. Als Kompensationsmassnahme kann eine PV-Anlage im Dachbereich (Verkleidung Spazierhof) in Betracht gezogen werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Situation und Erschliessung
Die neue Anlage erscheint als Komposition aus zwei langen Trakten und zwei beinahe quadratischen Volumen mit umschlossenen Innenhöfen. Im Erdgeschoss verbindet ein niedriger Zwischenbau die vier Elemente. Das bestehende Untersuchungsamt ist - als einer der beiden langen Trakte - vollständig in die neue Anlage integriert, wobei die identischen Dachaufbauten diese Wirkung unterstützen. In allen Etappen vermag die Komposition eine in sich abgeschlossene und ausgewogene Figur zu bilden. Die Anlage wird von der Luchsstrasse von Osten her erschlossen. Die Mitarbeiter- und Besucherstellplätze reihen sich unmittelbar vor den Zugängen auf.
Grundrissorganisation
Der Besucher- und Mitarbeitereingang ist leicht auffindbar und führt auch zum bestehenden Untersuchungsamt. Die Nutzergruppen sind nicht voneinander getrennt. Der Eingangsbereich ist wenig übersichtlich. Die Insassentransporte erfolgen über die nahe gelegene Fahrzeugschleuse. Von der Zentrale aus können die Zugänge wie auch die Kontrollräume gut überblickt werden. In die Zentrale werden ein Personalaufenthaltsraum und Piketträume integriert, was betrieblich ungünstig ist; zudem fehlt diesen Räumen Tageslicht und Frischluftzufuhr. Die Aufnahme-, Besprechungs- und Besucherräume liegen in unmittelbare Nähe zur Zentrale. Der nördliche der beiden Höfe nimmt die Lieferwagen auf. Die Waren können über den Lift direkt in die Lager im Untergeschoss gebracht werden. Die Arbeitsräume befinden sich im Erdgeschoss und sind über die Aussenfassaden oder über Gebäudeeinschnitte gut belichtet. Die Bewegungshalle und der umschlossene Freiraum sind ebenfalls ebenerdig anzutreffen. 32 Die Wohngruppen können aus dem Mittelkorridor des Arbeitsbereichs erreicht werden und sind im zweiten und dritten Obergeschoss untergebracht. Die Grundrissorganisation der drei Etagen ist gleich: Die kleinteilige Zellenstruktur wird von den grösseren Gruppen- und Fitnessräumen unterbrochen. Einzelzimmer wie auch Gemeinschaftsräume liegen an der Fassade und erhalten Tageslicht. Die Spazierhöfe aller Gruppen befinden sich auf dem Dach und sind über zum Teil mehrläufige Treppen direkt aber aufwändig aus den Gruppen zu erreichen. Ein behindertengerechter Zugang dazu fehlt aber. Die Wohngruppen der zweiten Ausbauetappe entsprechen derjenigen der ersten, doch sind einige zur Gewährleistung der Etappierbarkeit über zwei Geschosse angeordnet. Die Wohngruppen im Bestandsbau sind analog organisiert und werden mit neuen Spazierhöfen auf dem Dach ergänzt. Das nördliche Treppenhaus ist direkt mit dem Zwischenbau verbunden und kann für Mahlzeiten- und Wäschelieferungen benutzt werden. Die Aufwertung des Zellentrakts bedeutet, dass in den unteren Geschossen die ehemaligen Lichthöfe geschlossen werden. Die innen liegenden Räume werden zwar adäquat mit neuen Nutzungen belegt, doch erhalten die Korridore kein Tageslicht mehr. Wäscherei und Küche liegen im Untergeschoss. Die dazugehörenden Lager sind nur wenige Schritte entfernt. Zwei lange Lichthöfe gewährleisten auch hier ausreichend Helligkeit und Ausblick.
Fassadengestaltung und äussere Erscheinung
Die Fassaden sind sehr einfach mit einer Addition aus Einzelfenstern im Erdgeschoss und schräg gestellten Blenden in den Obergeschossen gestaltet. Das strenge schuppenartige Relief der Blenden kontrastiert die frei geformte und bewegte Dachkannte, welche die glatten Umfassungswände der Spazierhöfe abschliesst.
Betriebsabläufe
Die betrieblichen Abläufe sind zum grossen Teil überlegt und funktional. Die Orientierung im Gebäude ist durch die klare Organisation von Korridoren und Treppenhäusern gegeben. Die Spazierhöfe auf dem Dach und die aufwändige Erschliessung sind betrieblich nicht optimal. Nicht befriedigend ist der neue, verwinkelte Aussenzugang zum Untersuchungsamt. Die betriebliche Anbindung der Wohngruppen im Bestandesbau an den Gefängnisteil ist nur über das Erdgeschoss möglich. Für die Büros des Untersuchungsamtes steht nur noch das südliche Treppenhaus zur Verfügung.
Würdigung
Die Situationslösung vermag das bestehende Untersuchungsamt vollständig zu integrieren und als gleichwertigen Teil der neuen Komposition zu behandeln. Es entsteht eine neue und in jeder Etappe schlüssige architektonische Gesamtkomposition. Mit der Fassadengestaltung - den kleinteiligen Blenden und der ausgreifenden Dachform - gelingt es, sowohl aus der Nähe wie auch in der Fernwirkung ein ansprechendes und spannungsvolles äusseres Erscheinungsbild zu erzeugen. Es bestehen doch nennenswerte betriebliche Mängel: Die zu schmalen Korridore erschweren die Abläufe und die mehrgeschossigen Treppen zu den Spazierhöfen verursachen einen erheblichen Mehraufwand. Diese aufwendige Erschliessung schlägt sich zudem deutlich in den Erstellungskosten nieder.