Projektwettbewerb im selektiven Verfahren | 03/2021
Neubau Baubereich 04 Inselspital - Universitätsspital Bern (CH)
©AEBI & VINCENT ARCHITEKTEN SIA AG
1. Preis
AEBI & VINCENT ARCHITEKTEN SIA AG
Architektur
Bauingenieurwesen
TGA-Fachplanung
Beurteilung durch das Preisgericht
Die Verfassenden schlagen ein sehr kompaktes, die maximalen Höhenvorgaben aus dem Masterplan, resp. aus der UeO um fast 5 m unterschreitendes, Volumen vor. Die filigrane, in die Tiefe konzipierte Baugestaltung spannt eine „weiche“ Membrane zu ihrer Umgebung auf und verleiht zusammen mit der gekappten Nordecke dem Institut für Infektionskrankheiten eine angemessene Präsenz im Strassenraum. Durch diese städtebauliche Geste wird gleichzeitig ein angemessener Aussenraum zwischen neuem Gebäude und Strasse geschaffen. Das Erdgeschoss wird durch die Markierung eines kräftiger ausgebildeten Geschossbandes und rechteckigen Stützen als Sockel gestaltet, die Fassade wird mit funktionalen Elementen wie Brise- Soleil und den Brüstungen subtil gegliedert. Das 1. Obergeschoss mit seinen raumhohen Verglasungen bringt seine erhöhte Öffentlichkeit zum Ausdruck. Ein letzter, markanter Betonkranz über dem 7. OG bildet zusammen mit den Einschnitten für die Dachgärten den Abschluss des Gebäudes.
Die Vorgaben aus dem Rahmenplan Umgebung wurden grösstenteils übernommen, es erfolgte ansonsten keine weitere Auseinandersetzung mit der Umgebung. Die seitlich platzierten Ein- und Ausfahrten im Vorzonenbereich ermöglichen eine teilweise Integration der im Rahmenplanprojekt angedachten kieselförmigen Inseln. So besteht das Potenzial, die derzeit geplante Asphaltzone aufzuwerten und dem Vorland eine entsprechende Qualität zu verleihen. Durch die Verbreiterung der Eingangszone auf der Seite Pocket-Park erhöht sich das Gefälle auf dem südseitigen Weg auf fast 14%. Die eigentliche Erfindung dieses Projektes ist die ins Gebäudeinnere verlegte, mit einem Kreisverkehr organisierte Anlieferung für die gesamte Spitallogistik. Diese Organisation ermöglicht es Nutzungen entlang der Strasse anzuordnen und dem Gebäude eine strassenbegleitende Fassade zu geben.
Leider wird hier kein zusätzlicher, adressbildender Eingang vorgeschlagen. Mit einem solchen könnte auch der barrierefreie Zugang und vor allem die Entflechtung der Personenströme (Mitarbeiter und Restaurantbesucher) zum Gebäude sichergestellt werden, diese sind mit dem vorgeschlagenen Projekt nicht gegeben. Die städtebauliche Geste und die daraus folgende Platzbildung ist für einen Eingang prädestiniert.
Die Ein- und Ausfahrten zu den Rampenbereiche für die An- und Auslieferung werden an den beiden Enden der Nordfassade angeordnet, damit muss mit Ausnahme der Entleerung des Presscontainers nicht auf der Strasse und im Gehsteigbereich manövriert werden, der Konflikt zwischen dem Anlieferungsverkehr und Fussgängern / Velofahrern wird auf ein Minimum reduziert. Nötige Wartebereiche für die Lieferanten werden im Gebäudeinnere angeboten. Diese Anordnung wird im Hinblick auf Nutzungsanpassungen als zukunftsfähig und damit resilient empfunden, hingegen ist die Fläche für den Warenumschlag und die Eingangskontrolle zu knapp.
Die Anordnung resp. die Zugänglichkeiten der Lifte ist nicht optimal. Die Zugänge zum Velokeller und zum 1. Untergeschoss sind ausserhalb der Baulinien angeordnet und müssen anders gelöst werden. Die Anordnung des Unterflurcontainers muss überdenkt werden, in der vorgeschlagenen Anordnung ist die Entleerung im Zugangsbereich relativ konfliktreich. Die Einbindung in das unterirdische Arealerschliessungssystem ist gut gelöst und erlaubt die nötige Trennung von Schmutz- und Sauberware. Der Haupteingang in den halböffentlichen Restaurationsbereich befindet sich auf der dem Pocket-Park zugeordneten Südseite im 1. Obergeschoss. Er ist als eingezogene, räumlich wertvolle Ecke ausgebildet welche auch als gedeckter Aussenbereich genutzt werden kann. Mit diesem Einschnitt gelingt das Interagieren mit dem Aussenraum, eine noch darüber hinaus verstärkte Beziehung von Innen und Aussen wäre wünschenswert. Im Geschoss darüber liegt die Produktionsküche für die Patientenverpflegung. Im 3. und 5. OG ist die Spitalpharmazie zu finden, im 4. OG sind Büros und ein weiterer Teil der Gastronomie angeordnet. Dieses Alternieren der Nutzungen ist für die internen Abläufe ungüns¬tig und hat primär mit den Geschosshöhen zu tun, welche aufgrund der grossen Reserve gegenüber der UeO aber angepasst werden. Im 6. Obergeschoss ist von einem der Fassade entlang angeordneten Kranz von Büroräumen die Lüftungszentrale eingeschrieben.
Das Flächenangebot für die Lüftungszentrale wird im 4. Untergeschoss ergänzt. Im letzten Geschoss werden die Schulungsräume untergebracht, die zwei auf der Nord- und Südseite angeordneten Dachgärten bieten zusätzliche Aussenräume von hoher Aufenthaltsqualität mit Weitblick über den Parkraum des Bremgartenfriedhofs und in die Aussenräume des Inselareals. Die Abläufe in der Spitalpharmazie funktionieren relativ gut, nötige Anpassungen können aufgrund der Anordnung der Kerne und der damit einhergehenden Flexibilität vorgenommen werden. In der Gastronomie braucht es in allen Bereichen (Anlieferung, Lager, Restauration, Produktion) weitgehende Optimierung, welche aber aufgrund der vorgeschlagenen Flächen und der zu erwartenden Flexibilität der Struktur möglich scheinen. Die Tragstruktur aus Stahlbeton mit nur wenigen Innenstützen ergibt ausgewogene Spannweiten der Decken und ermöglicht die effiziente Anordnung der geforderten Nutzungen und der Technik. Die versetzte Anordnung der Kerne mit Treppen, Liften und Steigzonen bietet für die Erdbebensicherheit gute Voraussetzungen. Mit einer Abfangdecke über der Anlieferung wird in diesem Bereich die nötige Stützenfreiheit gewährleistet. Die Abtragung der sehr hohen Lasten in die Untergeschosse ist beim inneren Auflager der Abfangdecke noch genauer zu prüfen. Durch die nach Aussen verlegte Tragstruktur können in den Obergeschossen die Innenräume bis zur Fassade hindernisfrei genutzt werden. Allerdings ist dafür eine grosse Anzahl thermischer Trennelemente entlang der Deckenränder notwendig. Mit einer subtil gestalteten, unaufgeregten Fassade greifen die Verfassenden Themen der profilierten Fassade des denkmalgeschützten Nachbargebäudes und der von viel Grünraum geprägten Umgebung auf. Durch die nach Aussen versetzte Statik mit Geschossbändern und Betonstützen erhält die Fassade eine tektonische Tiefe und spielt mit Licht und Schatten. Mit seiner Materialisierung und der Dimensionierung der einzelnen Elemente vermag sich das Gebäude trotz seines fein wirkenden Ausdruckes in die Gebäudeabfolge an der Friedbühlstrasse einzuordnen und erzeugt eine genügend robuste Anmutung in der neuen, in der Entstehung befindlichen Stadtfassade. Im Vergleich mit den übrigen Projekten weist das Projekt PANTA RHEI ein unterdurchschnittliches Volumen und unterdurchschnittliche Flächen bei gleichzeitig höchstem Anteil an Nutzfläche aus und ist dadurch auch wirtschaftlich interessant.
Die haustechnische Beurteilung fällt bei diesem Projekt insgesamt positiv aus. Das Raumangebot für die Technikzentralen scheint aber äusserst knapp zu sein. Das Projekt weist gegenüber der Höhenvorgaben in der UeO einen grossen Spielraum auf und hat somit das Potential für Optimierungsbedarf. Mit den Brise-Soleil und dem darunter angeordneten, bis auf die Brüstungen geführten Sonnenschutz weist das Gebäude im Hinblick auf die Tageslichtnutzung und ein effizientes Klima-Management gute Voraussetzungen auf. Über die Oblichter kann eine witterungsgeschützte Nachtauskühlung erfolgen, über welche die Masse im Gebäudeinnern aktiviert werden kann. Die Brüstungen sind mit Photovoltaikmodulen versehen, diese ergänzen die auf dem Dach angeordnete PV-Anlage.
Insgesamt überzeugt das Projekt mit seiner städtebaulichen Setzung und seinem wohltuend zurückhaltenden Ausdruck. Mit einer effizienten inneren Organisation und einer differenziert ausgestalteten Fassade gelingt es den Verfassenden eine dem Standort angemessene Antwort auf die Aufgabenstellung zu geben. Mit der bewusst gewählten, zurückhaltenden Identität wird das Projekt der Atmosphäre des Ortes gerecht. In verschiedenen Bereiche wurden die Betriebsabläufe noch nicht richtig interpretiert und müssen bereinigt werden.
©AEBI & VINCENT ARCHITEKTEN SIA AG