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Studienauftrag | 01/2023

Studienauftrag Areal Bälliz 53–59 in Thun (CH)

Prospekt auf Perimeter vom Mühlebrüggli

Prospekt auf Perimeter vom Mühlebrüggli

Engere Wahl

Salewski Nater Kretz AG

Stadtplanung / Städtebau, Architektur

rotzler.land

Landschaftsarchitektur

Gartenmann Engineering AG

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext

Das Mühlegässli und der Binnenbereich: Zwei unterschiedliche städtebauliche Situationen
Der neue flussseitige Eckbau tritt vom Mühleplatz her als Brückenkopf und am Mühlegässli als dritter Hauptbau in Erscheinung. Gegenüber dem alten Waisenhaus entsteht eine durchgehende Gassenfassade, welche der Bedeutung dieses öffentlichen Raums mit seinem Passantenstrom Rechnung trägt. Mit der Dreiteiligkeit wird dabei sichergestellt, dass die neue Platzwand den Barockbau des Waisenhauses massstäblich nicht in den Schatten stellt. Gleichzeitig dient der Eckbau dazu, die ruhigen Zonen des Perimeters Bälliz 53–59 gegenüber dem lebhaften Mühlegässli abzuschirmen. Das verputzte und fein gegliederte neue Eckhaus mit grosszügigen Öffnungen im Erdgeschoss weist ein Flachdach auf, das unterhalb der Traufe des Kernbaus liegt. Aareseitig wird die Fassade in eine Laube am Wasser überführt. 

Die Riemenparzellen im Binnenbereich
Im Unterschied zum neuen Eckbau am Mühlegässli stellt der ehemals gewerblich und künftig zum Wohnen genutzte zweigeschossige rückwärtige Bereich der Häuser Bälliz 53–57 entlang der Aare eine untergeordnete Hinterhofbebauung dar. Der massstäbliche Unterschied der Riemenparzellen zum neuen Eckhaus am Brückenkopf macht dabei die unterschiedliche Ausgangslage deutlich. Um diese Situation lesbar zu erhalten, wird die Parzellenstruktur, die sogenannte Riemenstruktur, für die Neubauten übernommen und architektonisch in Form von Schotten übersetzt. Zwischen den verputzten Riemenschotten spannen sich die Wohnhoffhäuser mittels ausfachender Holzbauweise ein. Über den begrünten Binnenbereich kommt man gerne „nach hause“, ein wohliger sozialer Ort mit Aarebezug für alle Bewohnenden des Gevierts.  

Lauben an der Aare
Über Lauben öffnen sich alle Neubauten zum Flussraum und zeigen so mit einem auch in der Altstadt vertrauten architektonischen Element ihre neue Zweckbestimmung. Die Lauben sind aus filigranen Holzelementen auf massiven Füssen konstruiert und erzeugen eine angemessene Wohnatmosphäre am fliessenden Wasser vis-à-vis des Mühleplatzes. Die Lauben können je nach Temperatur und Wetter als Aussen- oder Innenklimaraum verwendet werden, sozusagen als Lauben für alle vier Jahreszeiten. Potentiellem Hochwasser wird mit Wandschotten samt massiver Sockelausbildung und mit flexiblen Elementen, die gegebenenfalls zwischen die massiven Schottensockel eingeschoben werden können, begegnet. Zudem schützt eine kleine massiv ausgeführte Bank an der Aare das Gässli auch bei hohem Wasserstand.

Ein lebenswerter Wohnaussenraum
Basis der Binnenhofgestaltung sind die Verschublinien der Geschichte: Parzellenriemen, Gebäudeprojektionen und Abbruchslinien. Sie erzeugen eine längs- und querlaufende Bodenpartitur, aus der die Hofmaterialisierung entsteht: Ganz unbeschwerte Flächen aus sickelfähigem Material, die fuss- und velotauglich sind. Daraus erheben sich an geeigneten Stellen lineare Sitzelemente, und in der Hofmitte steht ein kleines Brünneli, das ein sanftes Geräusch erzeugt und somit auch als Geräusch-Schlucker dient. Die Pflanzung wächst ganz vielteilig, fröhlich und biodivers empor – üppig und vielschichtig. Sie besteht aus Weidenkissen (Salix helvetica), Vertikalbegrünung (Parthenocissus tricuspidata / quinquefolia) und heiteren Blaseneschen (Koelreutheria paniculata), die den Hofraum beseelen. Somit entsteht eine angenehme und nachbarschaftliche Wohnqualität.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau/Ortsbild (/Vision)

Die städtebauliche Setzung wird verständlich aus dem baulichen Kontext des Bälliz hergeleitet. Der neue Brückenkopf fügt sich drei Geschosse hoch an die beiden Gebäude des Simmenthalerhofes an. Die Häuserfront der drei Gebäude wirkt zum Waisenhausplatz ausgewogen. Das begrünte und teilweise für alle Bewohnenden begehbare Flachdach lässt das Schrägdach des mittigen Nachbarn ablesbar. Das Beurteilungsgremium ist der Ansicht, dass an diesem Standort ein Schrägdach die richtige Antwort für den Brückenkopf darstellt und dieses die Morphologie des Bälliz beim Platz zum Abschluss bringt.

Im Hof prägen drei bis zum Aareufer ausgedehnte Längsbauten unterschiedlicher Höhe die Riemenparzellen. Sie übernehmen, wie gesetzlich vorgegeben, die Schottenstruktur des Bälliz. Durch die Differenzierung der Höhe des mittleren Baus bleibt die charakteristische Silhouette entlang der Aare bestehen und die Riemenparzellen ablesbar. Die Höhenentwicklung dürfte jedoch geringer sein. Die Fassaden der bestehenden Gebäude werden optisch abgedeckt. Die Maximierung des Fussabdrucks im Inneren geht zu Ungunsten des Halbprivaten Aussenraums.

Im Inneren der Anlage wird eine Sackgasse als Wohngässli und möglicher Aufenthalts- oder Ankunftsort angeboten. Eine kleine Öffnung rahmt den Blick auf Schloss und Kirche. Die sehr schmale Gasse weitet sich einzig bei den Riemenparzellen zwischen dem Bestand und den Neubauten aus. Der knappe Freiraum wird mit zu vielen unterschiedlichen Themen bespielt. Dadurch wirkt er wenig einladend und ist thematisch überladen.

Architektur/ Konstruktion

Der dreigeschossige Brückenkopf löst seine Geschlossenheit zum Aareufer hin in eine filigrane laubenähnliche Zone auf. Hier sind gut nutzbare Jahreszeitenzimmer angedacht. Die Verfassenden schlagen vor, die anspruchsvolle Aufgabe, ein Gebäude mit verschiedenen Gesichtern im gewachsenen Gefüge zu integrieren, mittels Ausblidung von Lauben zu lösen. Dies hinterfragt das Beurteilungsgremium kritisch, da so eine eindeutige Ausrichtung zur Aare, nicht aber zum Platz gebildet wird. Aussen verputzt wird der Bau aus Holz konstruiert. Einzig im Erdgeschoss werden kalte und warme Zonen in der Laube vermischt.

Der Fussabdruck der drei angedockten Hofbauten belegt die maximal erlaubte Fläche. In deren Mitte muss über zwei Geschosse hohe Lichthöfe das Innere zenital beleuchtet werden. Diese Massnahmen sind aufwendig und führen zu Schallübertragungen und Konflikten. Ebenso sind unerwünschte Einsichten möglich. Um die historischen Riemenparzellen aufzunehmen, werden die seitlichen Wände gemauert und die Decken und Frontfassaden in Holzmodulbauweise mit hohem Vorfertigungsgrad erstellt. Das laterale Erscheinungsbild der Hofbauten wirkt austauschbar und wenig ortsspezifisch.

Umgang mit dem Bestand/Denkmalpflege

Die Bestandsbauten werden in ihrer Struktur und Bausubstanz grösstmöglich erhalten. Die Eingriffe im Bestand sind respektvoll und zurückhaltend. Der Kopfbau wird auf jeder Etage eben mit dem mittigen Simmenthalerhof verbunden, sodass möglichst viele Wohnungen hindernisfrei angebunden werden. Bei den Riemenbauten liegen alle Erschliessungen innen, sodass die Hoffassaden in Holzbauweise ergänzt werden. Diese sind stimmungsvoll und gut passend.

Der Umgang mit den hinteren Fassaden der Haupthäuser am Bälliz ist nachvollziehbar und zeigt auch hier einen sorgsamen Umgang mit dem historischen Bestand. Begrüsst werden die Nutzung und der Erhalt der bestehenden Treppenhäuser. Beim Haus Bälliz 55 wird die Vordertreppe vom 1. OG bis ins EG verlängert und nur die an der Rückfront gelegene Treppe wird abgebrochen.

Erschliessung/ Freiraum/Adressbildung

Die Vision, einen privaten Wohnhof anzubieten, kann das Beurteilungsgremium im Grundsatz überzeugen. Als Raumfigur ist er hingegen zu knapp bemessen. Im Detail sind im Kopfgebäude Konflikte zwischen dem erdgeschossigen Wohnen und dem Café vorprogrammiert.

Die Adressbildung der bestehenden Bauten ist fast ausnahmslos vom öffentlichen Grund her möglich. Einzig die Hofbauten und das Bälliz 59b/c werden von innen angebunden. Der Veloabstellraum wird ebenfalls vom Hof aus erschlossen.

Nutzung

Das Wohngässli und der kleine Patio sind den Bewohnerinnen der 28 Wohnungen vorbehalten. Die öffentlichen Nutzungen sind als Kranz ausgebildet. Sie orientieren sich alle zum Bälliz und Waisenhausplatz hin. Da der Neubau und das Bälliz 59b vom Gässli erschlossen werden, ist platzseitig eine grosse Flexibilität realisierbar. Kleinere oder grössere Flächen sind gut sichtbar und bestens angebunden.

Fazit

Der Brückenkopf wird als sorgfältig durchdacht gewürdigt, wird jedoch bezogen auf die Dachform und die unterschiedlichen Materialisierungen der Fassaden als wenig zielführend erachtet. Die drei Hofgebäude wirken zu mächtig. Sie generieren enge und beschattete Aussenräume im Kern. Unverständlich ist die Analogie der Fassadenstrukturen zur Aare hin. Die ähnliche Bauweise verwischt die Hierarchie und Differenzierung einer Randbebauung hin zur Hofbebauung. Insgesamt wirkt das Erscheinungsbild nicht ortsspezifisch, eher beliebig.
Visualisierung Wohnhof

Visualisierung Wohnhof

Schwarzplan

Schwarzplan

Situation mit Erdgeschoss

Situation mit Erdgeschoss

Städtebauliche Konzeptbausteine

Städtebauliche Konzeptbausteine

Städtebauliche Konzeptbausteine Übersicht

Städtebauliche Konzeptbausteine Übersicht

Ansicht Mühlegässli

Ansicht Mühlegässli

Flussprospekt Eckbau und Riemenbauten

Flussprospekt Eckbau und Riemenbauten

Ansicht von der Wohngasse zur Rückfassade Bälliz 59

Ansicht von der Wohngasse zur Rückfassade Bälliz 59

Ansicht von der Wohngasse zum Wohnhof und den Riemenbauten

Ansicht von der Wohngasse zum Wohnhof und den Riemenbauten

Umgang mit historischer Substanz

Umgang mit historischer Substanz

Untergeschoss

Untergeschoss

Erdgeschoss

Erdgeschoss

1. Obergeschoss

1. Obergeschoss

2. Obergeschoss

2. Obergeschoss

3. Obergeschoss

3. Obergeschoss

4. Obergeschoss

4. Obergeschoss