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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2023

Ersatz- und Erweiterungsneubau Kinder- und Jugendhaus in Darmstadt

Perspektive Garten

Perspektive Garten

1. Anerkennung

Preisgeld: 5.000 EUR

nyx | Architekten GmbH

Architektur

studio.Zfm

Architektur

Erläuterungstext

Leitidee
Drei in Einem.
Eingebettet in der „Zapfanlage“, einem parkähnlichen öffentlichen Grünzug, nimmt das neuen Kinder- und Jugendhaus eine besondere Rolle innerhalb des urbanen Geflechts ein. Die soziale Bedeutung des Hauses wird in eine zugleich stark identitätsstiftende, wie auch tradierte Formensprache übertragen. So positioniert sich das Haus eigenständig und harmonisch innerhalb des urbanen Geflechts aus Wohn-, Büro- und Hochschulgebäuden. Der Zuschnitt und die Ausrichtung des Grundstücks und der variierende und naturnahe Freiraum des Grünzuges sind Ausgangslage für die kindgerechte Übertragung auf die typologische Ausrichtung des Hauses.

Das HAUS
Das zweigeschossige Haus positioniert sich entlang des Fuß- und Radwegs und nimmt dessen linearen Verlauf im Norden auf. Im Süden zum grünen Freiraum hin wird der Grundstücksverlauf hingegen in einer aufgelösten Form mit regelmäßigen Versprüngen nachgezeichnet – so entstehen individuelle Freiräume und eine kindgerechte Kleinmaßstäblichkeit, die sich im Westen Richtung öffentlichem Spielplatz völlig öffnet. Im Osten wird das Haus in einem Kopfbau gefasst und manifestiert in dieser Präsenz seine Bedeutung für den Ort an seiner öffentlichsten Stelle. Der Vorplatz wird so als frequentierter Ort in den Stadtraum eingebunden und lädt umso mehr als Treffpunkt zum Verweilen ein. Die Staffelung des Baukörpers im Süden nimmt das Koordinatensystem der Umgebung auf, fügt sich - das geschützte Ensemble respektierend - in den Kontext ein und macht die innere Organisation des Hauses ablesbar.
Ein großer Unterschnitt markiert den witterungsgeschützten Haupteingang im Norden, welcher direkt in das gemeinschaftliche Foyer führt. Hier befinden sich die eigentlichen Eingänge in die drei eigenständigen Kerneinheiten: Mehrzweckraum, Kinderhaus, Jugendhaus. Das Foyer dient als übergeordneter Verteiler, als gemeinschaftliche Diele, die im Tagesverlauf von den verschiedenen Gruppen unterschiedlich genutzt und bespielt werden kann und schafft eine einfache Orientierung für alle Besucher:innen, wie auch Kontrollmöglichkeit für das Personal. Im Westen des Foyers liegt zur Abendsonne und zum Garten gewandt das Kinderhaus, im Osten zur Abendsonne und zur Stadt sich öffnend das Jugendhaus und dazwischen, nach Süden gerichtet der große Mehrzweckraum, das Zentrum des Hauses.

Kinderhaus
Das Kinderhaus erhält durch die verspringenden Einheiten einen eigenständigen Charakter innerhalb des Hauses und übersetzt so in angemessener Weise die Anforderungen der Nutzung in eine identitätsstiftende Kubatur. Im Erdgeschoss werden die einzelnen Krippen-Cluster (U3) aus Gruppen-, Intensiv-, Pflegeraum und Garderobe zu eindeutig ablesbaren Einzelbereichen zusammengefasst und erzeugen im Zusammenspiel mit der linearen Fassade im Norden einen spannungsreichen Spielflur. Die Staffelung der Cluster erzeugt jeweils eine der Gruppe vorgelagerte Spieldiele, eine Art Pufferzone, die eine kindgerechte Orientierung ermöglicht, das Gruppengefüge stärkt, und im gleichen Zuge einen weichen Übergang zwischen familiärem Gruppenbereich und gemeinschaftlichem Spielflur schafft – ganz selbstverständlich wird den Kindern so ein gemeinsames, wie auch ein geborgenes Raumgefühl angeboten. Über große Glas-Schiebewände können diese Dielen als Erweiterung des Gruppenraums dienen und so den Spielflur in die Gruppenarbeit einbeziehen. Gleichzeitig öffnet sich die Gruppen aber auch direkt zum gemeinschaftlichen Außenraum im Süden. Spiel-Loggien weichen den Übergang zwischen Innen und Außen auf. Gerahmt wird diese geborgene Zone der Gruppen von den übergeordneten Flächen Kinderbistros und Bewegungsraum. Unmittelbar am Eingang zu Kinderhaus befindet sich die Treppe in das Obergeschoss, dem Kindergarten (Ü3). Das Prinzip aus der Krippe wiederholt sich hier und einzelne Bildungsräume bilden miteinander verbundene Gruppeneinheiten. Im Unterschied zur Krippe werden die Grenzen der Altersgruppe und dem offenen Konzept entsprechend jedoch weiter aufgeweitet – alle Bildungsräume können nun zum Spielflur geschaltet werden und lassen diesen zu einem wahren Begegnungsraum werden. Die Dachlandschaft und der Versprung der Einheiten erzeugen hierbei eine angemessene Kleinteiligkeit, die eine kindgerechte Orientierung ermöglicht. Emporen verstärken das gemeinschaftliche Raumgefühl eines anregenden und abwechslungsreichen Lebens- und Erfahrungsraums.
Der Personal- und Verwaltungsbereich ist über das Treppenhaus direkt angeschlossen – es entstehen in sich abgeschlossene Einheiten, die dennoch ein gemeinschaftliches Gefühl vermitteln.

Jugendhaus
Dem gemeinschaftlichen Foyer direkt angeschlossen befindet sich der Zugang zum Jugendhaus. Das Café dient als großer Verteiler und Schaufenster zur Stadt. Als offenes „Wohnzimmer“ für jedermann und jederfrau öffnet es sich folgerichtig zum großen Vorplatz. Die zentrale Treppe gliedert das Café räumlich und führt sowohl zu den WCs im UG als auch in das Obergeschoss. Hier befinden sich die großen Aufenthaltsräume für die offene Kinder- und Jugendarbeit, sowie die Verwaltung. Die einzelnen Bereiche sind miteinander verbunden und erzeugen so ein Raumkontinuum unter einem gemeinsamen, charakteristischen Dach - eine lernfördernde Umgebung in angenehmer Atmosphäre, die auf die Bedürfnisse der jungen Zielgruppe eingeht.

Verknüpfung
Der Verknüpfungsbereich ist die Schnittstelle zwischen Kinder- und Jugendhaus. Im Erdgeschoss ist dies der große Mehrzweckraum, der mit dem angrenzenden Bewegungsraum des Kinderhauses und dem Café des Jugendhauses zu einem großen Raum geschaltet werden kann und so die Verknüpfung auch räumlich abbildet. Die teilweise Übererhöhung dieses Raumes macht das markante Dach auch im Erdgeschoss erlebbar und so wird der Mehrzweckraum nicht nur zur Verknüpfung zwischen den Nutzungen, sondern auch zwischen den Ebenen. Im Unter- und Obergeschoss befinden sich im Verknüpfungsbereich die gemeinschaftlich genutzten Nebenräume. Letztlich ist hier, an zentraler Stelle auch im Sinne der Inklusion der barrierefreie Aufzug vorgesehen.

Freiraum
In seiner einfachen Setzung schafft das Gebäude klar definierte Außenräume. Eine Platzkante zur Stadt, eine Eingangssituation am Weg, ein vielfältiger und doch gut kontrollierbarer Außenraum für das Kinderhaus nach Süden, ein repräsentativer Vorplatz nach Westen mit sich anschließendem, geborgener Außenraum für das Jugendhaus – und das Beste: augenscheinlich können alle schützenswerten Bäume erhalten werden.

Konstruktion
Als gebaute Pädagogik ist es ist das Ziel eine Atmosphäre des Wohlfühlens unter Einsatz einer naturnahen Haptik (z.B. Lehm, Holz, Stroh) zu. Ausgehend von den Grundsätzen des zirkulären Bauens wird eine möglichst einfache und flexible Konstruktion vorgeschlagen: ein tragender Skelettbau mit vorgefertigten Block/- Punktfundamenten aus RC-Beton in Kombination mit wiederverwendeten Ausfachungen nach Anforderung und Verfügbarkeit. Der Materialbedarf für die Tragstruktur und deren Gründung wird so auf ein Minimum reduziert und nichttragende Elemente Bodenplatte und Ausfachungen sind so einzelnen Anforderungen und Zwängen losgelöst. So kann die Umsetzung des urban mining Ansatzes einfacher Anwendung finden, der Anteil an wiederverwendeten Materialien erhöht – sei es direkt aus dem Abbruch des Bestandsgebäudes, als auch über andere Ressourcen - und die Rückbaufähigkeit der einzelnen Bauteile einfacher sichergestellt werden. Sofern nicht auf bestehenden Ressourcen zurückgegriffen werden kann, wird auf ressourcenschonende Baustoffe in Elementbauweise zurückgegriffen (bspw. Holzelement-Bau). Das Gründach mit PV-Anlage ergänzt das nachhaltige Prinzip.

Zirkuläres Bauen
Dem konstruktiven Ansatz folgend ist es die Absicht urban mining nicht auf Mobiliar und Objekte zu beschränken, sondern auch raumbildenden Bauteile aus diesem Fundus zu generieren. Ggf. könnten die vermauerten Fassaden- und Innenwandsteine des Bestandsbaus für die Ausfachung genutzt werden - Prinzipien wie blockweises Ausschneiden von Wandteilen und als mit
Stahlrahmen gefasste Elemente wieder einzusetzen oder die Steine innerhalb eines mehrschichtigen Wandaufbaus als Verfüllmaterial in Form von Bruchsteinen zur Generierung von Speichermasse zu nutzen wären denkbar und am konkreten Objekt zu prüfen.
Die Fassade wird als vorgehängte Fassade aus wiederverwendeten Trapezblechen ausgeführt – eine leichte und rückbaufähige Variante. Analog zum Prinzip der Innenwände können die Ausfachungen je nach Verfügbarkeit als patchwork gesehen werden – trotz der einheitlichen, neuen Beschichtung in angenehmen forstgrün, muss darauf geachtet werden, dass ein gesamtheitlich harmonisches Fassadenbild entsteht. Entsprechend müssten Trapezbleche ggf. auch neu zugekauft werden – die Eigenart, dass Stahl bei Recyclingprozessen dauerhaft seine Materialeigenschaften behält, schlägt hierbei hinsichtlich der Materialkreislauffähigkeit positiv zu Buche.
Hinsichtlich des Ausbaus wird beabsichtigt, möglichst viel Bestand zu sichern, ggf. aufzuarbeiten und im Neubau wiederzuverwenden. Natursteinbänke werden zum Bodenbelag des Foyers, Gitterroste werden zu Absturzsicherungen, Außenfenster werden zu Innenfenstern, Fahrradständer werden zu Klettergerüsten, Innentüren, Trennwände und Sanitärobjekte können – sofern mit dem pädagogischen Konzept vereinbar – aufgearbeitet und wiederverwendet werden, bspw. durch Integration in neue Möbel.










Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser entwickeln aus den engen Randbedingungen des Grundstücks einen Baukörper, welcher die zur Verfügung stehende Fläche intelligent ausnutzt und gut nutzbare sowie angenehm proportionierte Freiräume schafft. Insbesondere die Aufnahme der Orthogonalität der Umgebung sowie das Abrücken vom Weg im Norden tragen zur Qualität bei. Die Setzung eines baulichen Schwerpunktes im Osten des Grundstücks zur Havelstraße und die folgerichtige Verortung des Jugendhauses an dieser Stelle werden begrüßt. Erkauft wird diese raumsparende Anordnung jedoch mit einer Unterschreitung der nötigen Abstandsflächen im Süden des Grundstücks, wofür im Falle der Realisierung eine Zustimmung des Nachbarn notwendig wäre.

Der gemeinsame Eingang zu beiden Nutzungen am Kopf des Gebäudes ist aus funktionaler Sicht nachvollziehbar, könnte aber im Betrieb zu Konflikten zwischen den Nutzergruppen führen. Die klar nachvollziehbare Aufteilung des Gebäudes in Jugendzentrum, KiTa und den zwischenliegenden Verknüpfungsbereich unterstützt eine gute Orientierung und einen konfliktfreien Betrieb im Inneren des Gebäudes.

Der Teilbereich der KiTa entwickelt sich selbstverständlich in einer gut gegliederten und nachvollziehbar angeordneten Abfolge gereihter Volumen mit einer gut ausformulierten Dachlandschaft nach Westen.

Die Erschließung funktioniert gut, die Verbindung zwischen den Geschossen ist über eine kindgerechte Treppe im Flurbereich möglich. Eine zweite Treppe am westlichen Gebäudeabschluss sorgt für einen einfachen Zugang zum Außenbereich auch aus dem Obergeschoss. Der Brandschutz müsste im Hinblick auf die Rettungswege geprüft werden. Kritisiert wird, dass die barrierefreie Erschließung des Obergeschosses mit dem Aufzug ausschließlich über das halböffentliche Foyer möglich ist.

Die Gruppenräume der KiTa sind richtig orientiert und proportioniert. Die vorgesehenen Spielemporen in den Ü3-Gruppen im Obergeschoss nutzen die Raumhöhe und schaffen kindgerechte Spiel- und Rückzugsorte. Die Gruppen- und Lernräume bieten in Ihrer Anordnung und den entstehenden Räumen mit einer gemeinsamen, gestaffelten Flurzone nach Norden eine gute Mischung zwischen Rückzugsorten und Gemeinschaftsflächen. Angemessen große Lufträume unterstützen eine Kommunikation zwischen den beiden Ebenen der KiTa.

Die Nebenräume sind funktional im Grundriss untergebracht und integrieren sich in die Gesamtkonzeption. Die Lage des durch die U3-Gruppen genutzten Bistros am Treppenabgang im Erschließungsbereich des Erdgeschosses funktioniert jedoch nicht. Das Jugendzentrum ist in sich gut organisiert und lässt einen attraktiven Treffpunkt für Jugendliche erwarten. Der Vorschlag, mehrere Räume zu einem großen, direkt vom Haupteingang zugänglichen Veranstaltungsraum zusammenschalten zu können, wird anerkannt und bietet spannende Möglichkeiten im Betrieb. Eine Öffnung des Jugendzentrums zum Vorplatz im Osten sorgt für einen niedrigschwelligen Zugang zum Angebot der Kinder- und Jugendförderung an dieser Stelle.

Die vorgeschlagene Fassadenausbildung sowie die Gliederung von offenen und geschlossenen Flächen tragen zu einer stimmigen Gebäudeanmutung bei. Abwechselnd transparente und opake Flächen sorgen für ein interessantes Spiel von Licht und Schatten mit angemessenem Sonnenschutz.

Die durch die Setzung des Baukörpers entstehenden Freiräume – der Außenbereich und Vorplatz zum Jugendhaus im Osten sowie der Freibereich der KiTa nach Süden und Westen – sind gut proportioniert und ermöglichen eine attraktive Ausgestaltung. Der Vorschlag, die Freianlagen der KiTa ohne Barriere um den öffentlichen Spielplatz zu erweitern ist ein interessanter Ansatz, wird aber in der Praxis aufgrund der Aufsichtspflicht und damit verbundener Risiken nicht umsetzbar sein. Der nötige Entfall einiger Bestandsbäume kann im Austausch für die erzielten Qualitäten in Kauf genommen werden. Die notwendigen Stellplätze fehlen, sie sind auf einer öffentlichen Fläche verortet.

Die vorgeschlagene Konstruktion als Skelettbau, welcher mit Material aus dem Bestand ausgefacht werden soll, trägt den Anforderungen an zirkuläres Planen und Bauen grundsätzlich Rechnung; die vorgesehene Trennbarkeit von Baustoffen und der gedachte Einsatz nachhaltiger Materialien tragen hier ebenfalls bei. Es werden umfassende Aussagen zur möglichen Wiederverwendbarkeit von Baustoffen getroffen, diese bleiben jedoch insgesamt zu allgemein und beschränken sich größtenteils auf textliche Aussagen. Konkretere planerische Angaben zur Verwendung von wiederverwendetem Baumaterial wären wünschenswert gewesen. Dennoch haben sich die Verfasser intensiv mit der Herausforderung des zirkulären auseinandergesetzt und bieten innovative Ansätze.

Die Gebäudekenndaten weisen den Entwurf als einen der effizientesten im Teilnehmerfeld aus, ohne dass sich dies negativ auf die vorgeschlagenen Räume auswirkt. Damit lassen die Verfasser eine wirtschaftliche Realisierung erwarten.

Insgesamt bietet der Beitrag einen spannenden und gut durchgearbeiteten Lösungsansatz für die Aufgabenstellung, welcher insbesondere städtebaulich zu überzeugen weiß.
Lageplan

Lageplan

Grundriss EG

Grundriss EG

Grundriss OG

Grundriss OG

Längsschnitt

Längsschnitt

Isometrie Konzept

Isometrie Konzept