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Studienauftrag | 12/2021

„Bauprojekt Markus“ - Neues Zentrum im Berner Nordquartier (CH)

Teilnahme

Preisgeld: 15.000 CHF

Stefan Roggo und Christoph Widmer Architekten

Architektur

peter vogt landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Meierhans + Partner AG

TGA-Fachplanung

Raumanzug GmbH

TGA-Fachplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Die hohe Wertschätzung für das weitestgehend original erhaltene bauzeitliche Ensemble ist Ausgangspunkt und Leitlinie beim Projektvorschlag des Teams Roggo Widmer. Eine intelligente, zurückhaltende Ertüchtigung des Bestands soll neue Nutzungen ermöglichen, ohne dessen Qualitäten aufs Spiel zu setzen. Folgerichtig konzentrieren sich die architektonischen Interventionen auf das Innere und die Gebäudehülle der unterschiedlichen Bauten des Ensembles. Ohne mit Anbauten zusätzlichen Raum generieren zu müssen, finden die vielfältigsten Nutzungen in den Bestandesbauten Platz. Die Strategie besteht darin, die neu gestalteten Räume und Raumkonfigurationen mit wenigen Handgriffen zu verwandeln und sie zu unterschiedlichen Zeiten für ganz unterschiedliche Nutzungen anzubieten. Flexibilität und Multifunktionalität sind hier die Stichworte. Das Konzept für die Nutzungsverteilung ist sehr klar formuliert: Die Kirche bleibt Kultstätte, doch wird sie mit der nötigen Infrastruktur in Zukunft auch für Konzerte, Versammlungen, Theater etc. besser genutzt werden können. Zur Drehscheibe für die ganze Anlage wird das Kirchgemeindehaus, dessen Erdgeschoss zu einer flexiblen Raumfolge aufgewertet wird, mit einer zentralen Anlaufstelle, mit Räumen für Sozialarbeit und Co-Working und einem Bistro mit Aussenbezug. Das Pfarrhaus erhält einen neuen Zugang zu den ebenfalls aufgewerteten Büroräumlichkeiten. Als Joker kann der kleine Holzpavillon - ein Neubau - auf der Wiese zwischen Pfarramt und Kirche gelesen werden. Er soll als Tisch- und Stuhllager, Aussenküche und Bar den Aussenraum bereichern und für die Quartierbevölkerung nutzbar sein. Allerdings wird damit von der historischen Parkarchitektur abgewichen und zusammen mit der Verortung des Gemüsegartens und dessen Form, welcher im traditionellen Verständnis eher einem Gebäude zugeordnet werden sollte, die Lesbarkeit der Anlage etwas verunklärt. Der Eingangsbereich mit dem Ankunftsplatz bleibt wohltuend erhalten, wobei auf die Sitzbank am Nordrand des Platzes aus Gründen der klaren Lesbarkeit des Platzes verzichtet werden sollte. Die Eingriffe im Kirchenraum sind zurückhaltend. Ein zur Bar aufklappbares Möbel beim Eingang trennt den Foyerbereich geschickt vom Kirchenraum. Dieser behält seinen ganz leicht abfallenden, mit einer schönen Zeichnung strukturierten Klinkerboden, der viel zur Raumatmosphäre beiträgt. Aus denkmalpflegerischer Sicht ist dies zu begrüssen. Doch ist die Möblierbarkeit des Kirchenraums für verschiedene Szenarien eingeschränkt. Während das Sitzen quer zur Falllinie in beide Richtungen gut akzeptiert werden kann, ist das Sitzen parallel zur Falllinie unbequem und unpraktikabel. Ein Teil der Kirchenbänke wird beibehalten, deren Unterkonstruktion aus Beton durch eine leichtere aus Metall ersetzt, was die Bänke beweglicher macht. Im vorderen Bereich werden Stuhlreihen vorgeschlagen. Das wirkt heterogen und das Handling des Mobiliars bleibt aufwendig. Interessant ist der Vorschlag, die Empore mit einer Podesterie für Chor und Instrumentalisten aufzuwerten. So kann der Raum bei Konzerten in beide Richtungen bespielt werden. Positiv ist die Umplatzierung des Taufbeckens nach unten "zu den Leuten". Und die mobile Bühne bricht für die Dauer einer Veranstaltung die Dominanz des Wandbilds und fokussiert auf das Orchester, die Theatergruppe etc. Durch Vorhänge vor den Fenstern der Südfassade kann die Raumstimmung verändert werden. Auch im Kirchgemeindehaus sind die Eingriffe fein, fast chirurgisch. Der neue Lift ist geschickt platziert und bindet alle Geschosse und Nutzungen gut an. Die gezielten Abbrüche (Fensterbrüstungen und Innenwände) bei der Sigristenwohnung sind moderat, bringen aber grosse räumliche Vorteile. An der Fassade sind nur ganz wenige Änderungen auszumachen, allesamt sensibel und denkmalpflegerisch vertretbar. Für die Nachtauskühlung werden an den Kirchenlängsseiten unter dem Dach Felder mit ornamentalen Öffnungen vorgesehen, die sich gut mit der Architektur des Bestands vertragen, fast so, als seien sie schon immer da gewesen. Neben den räumlichen Optimierungen sind die statische Ertüchtigung, die Brandschutzmassnahmen, die raumakustischen Massnahmen, die vorgeschlagenen Dämmungen und Sanierungen der Gebäudehülle, eine Luftbefeuchtung für die Orgel sowie die neue Wärmeerzeugung mittels Erdwärmesonden und Wärmepumpen mit einer für einen Studienauftrag beachtlichen Bearbeitungstiefe studiert und vorbildlich gelöst. Im Quervergleich gehört das Projekt zu den kostengünstigsten Vorschlägen. Das Projekt überzeugt mit einer detailreichen und feinen Durcharbeitung der gestellten Aufgaben. Mit wenigen subtilen Eingriffen lässt sich der Nutzwert des Ensembles deutlich steigern, dies bei maximaler Schonung der baulichen Substanz wie auch bei maximalem Erhalt der räumlichen Wirkung des denkmalgeschützten Bestands, innen wie aussen. Etwas zu kurz kommt bei aller Sorgfalt und Finesse eine Vision für die Markuskirche, die über die Qualitäten des Baudenkmals hinaus in die Zukunft weist.