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Einphasige, wettbewerbliche, parallele Mehrfachbeauftragung für eine Gutachterliche Stellungnahme | 06/2022

Ausweichspielstätte für die Musik- und Tanztheatersparten des Staatstheaters Nürnberg

Vogelperspektive

Vogelperspektive

Teilnahme

glöcknerhochdrei architektur GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Dritte Intervention der nationalsozialistischen Machtarchitektur durch kulturelle Überformung - oder die Störung des Spiegelbilds im Dutzendteich

Verortung des Opernhauses auf dem südlichen Kopfbau der Kongresshalle

Städtebauliche, architektonische und kulturhistorische Gründe:
- Eindeutige Adresse: Oper auf dem südlichen Kopfbau
- der Opernbau öffnet sich zur Stadtseite und wendet dem Reichsparteitagsgelände den Rücken zu - eine weitere, angemessene Intervention (dritte Intervention)
- Raumwirkung des Innenhofs und alle Bereiche um die Kongresshalle bleiben erhalten - Eindeutiger und klarer Umgang mit dem Anforderungen des Denkmalschutzes durch horizontale Fuge - Opernbauwerk und Torso treten durch die unterschiedlichen Baumassen nicht in Konkurrenz - Störung des ästhetisierenden Postkartenmotivs (Wasserspiegelbild)
- Zusammenfassung verschiedener kultureller Angebote
- Verbesserung des derzeit unglücklichen Zugangs zum Serenadenhof
- Serenadenhof wird ganzjährige nutzbare Spielstätte. Die Begrünung bleibt durch PV betriebene Spezialbeleuchtung erhalten

Bautechnische Gründe:
- Einfache Baustelle durch sehr gute Anlieferung. Andienung von mehreren Seiten möglich - Schnelle Bauzeit durch modulare Vorfertigung der Bauteile
- Minimalinvasiv
- Einfache und kurze Anbindung an den Torso
- Entfall der Verbindungsbauwerke
- Nachgewiesene Statik
- Ver- und Entsorgung über südlichen Kopfbau gesichert

Erste Intervention
Am 1. Juli 1978 spielt der amerikanische Jude Bob Dylan seinen Song ‚Masters of War‘ auf dem Zeppelinfeld.
Die Bühne steht gegenüber der Zeppelintribüne. Die Ansage lautete: „It gives me great pleasure to sing it in this place!“
Er hatte sich im Vorfeld der Tour intensiv mit dem Ort beschäftigt. Der Veranstalter Fritz Rau zitiert ein Gespräch mit Bob Dylan:
„Er war sich sehr bewusst, dieses Lied an diesem Ort zu spielen. Er rief mich nachts nach dem Konzert an und sagte ‚Fritz, dieses Nürnberg hat mich bewegt. Das war etwas Besonderes.’ Und da sagte ich ihm: „Wir haben deine Bühne gegenüber von Hitlers Bühne aufgestellt und 80.000 vorwiegend Deutsche, haben sich dir zugewandt und Hitler den Rücken zugedreht.`“ (Quelle: YouTube).

Zweite Intervention
Günter Domenig leistet mit seinem dekonstruktivistischen Denkansatz eine erste architektonische Intervention, die sich an den Mauern des Nazibauwerks aufarbeitet. Er durchdringt diese und legt ein weiteres Bauwerk hinein. Es stellt an jeder Berührungsstelle den Ekel klar zur Schau und minimiert jegliche Kontaktpunkte durch kleinste Auflager. Die Sägespuren im Mauerwerk bleiben sichtbar und werden nicht nachbearbeitet. Der Weg der Führung durch den Kopfbau endet mit einem beklemmenden Blick von einem stählernen Dorn in den leeren Innenraum.

Dritte Intervention
Der Versuch, eine Antwort zu finden auf die Grössenverhältnisse der Kongresshalle. Sie sind Ausdruck eines Machtanspruchs, bei dem das Individuum keine Rolle spielt. Dieser Machtanspruch und sein Scheitern sindnirgendwo so eindringlich erfahrbar, wie in diesem gigantischen Leerraum, in dem bereits ein dünner, stählerner Stachel die Wunde immer wieder anritzt. Der Innenraum ist so groß, dass man ihn aus dem Blickwinkel des Individuums von keiner Stelle aus fotografisch vollständig erfassen kann.

Kreatives Weiterdenken
Der Neubau muss also an anderer Stelle ansetzen, heraustreten aus der beklemmenden Szenerie im Inneren. Die nie in voller Höhe fertiggestellten Kopfbauten bieten das räumliche Potenzial. Der nördliche Bau wurde von Herrn Domenig interveniert, der südliche Kopfbau, sein Gegenüber, ist der Ort unserer Wahl. Er ist seit Jahren von Kultur durchdrungen.
Das Opernbauwerk, das auf den Ressourcen der nie ausgeschöpften, vorhandenen Statik aufsetzt, nutzt diese zu seinen eigenen Zwecken. Mit einem Kulturbau für eine offene und demokratische Gesellschaft. Das Gebäude öffnet sich mit einem weiten Balkon zur Stadt und wendet der Naziarchitektur den Rücken zu. Der massive Kopfbau dient als Fundament. Die Substanz wird schlicht genutzt im Sinne des pragmatischen Imperativs.

Erfahrbarkeit der Dimensionen des Größenwahns
Aus der Distanz betrachtet, werden die Größenverhältnisse wahrnehmbar, worin das Dach eines Nebengebäudes Platz für ein ganzes Opernhaus bietet. „Man darf es als Genugtuung empfinden, dass auch Gebäude, die mit mythischem Anspruch für tausend Jahre gedacht waren, banal genutzt [werden] (Anm. z.B. als Auflager)… Die Banalität des Bösen [wird] deutlich.“
(Hermann Glaser).

Dekonstruktion der Postkartenkulisse
Die Lage der Kongresshalle wurde von den Nationalsozialisten bewusst am Dutzendteich gewählt. Die Kongresshalle und ihr Spiegelbild waren Bestandteil des ersten Modells der Architekten Ludwig und Franz Ruff. Am Ende der grossen Strasse spiegelt sich der Torso im seichten Gewässer. Es ist eines der beliebtesten Postkartenmotive und Google bietet eine Vielzahl von Variationen an. Eine Idylle ergänzt durch bunte Tretboote, Entchen und Schwäne. Dieser Idylle soll ein Störbild hinzugefügt werden. Eine weithin sichtbare Intervention, die Google in die Welt trägt.

Außen

Außen

Innenbereich

Innenbereich