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Begrenzter, einstufiger Wettbewerb mit 41 Teilnehmern, davon 11 vorausgewählt. Die Auswahl der weiteren Teilnehmer erfolgt per Losverfahren. | 11/2004

RheinPark

Ankauf

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Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext



Duisburg Rheinpark – Generationen von Grün

Geschichte
Duisburg lag bis ca. 1200 direkt an einer der Spitzkehren des Rheins. Nach einem großen Hochwasser grub der Rhein sich mit dem Durchbruch bei Essenberg (heute Rheinhausen) sein heutiges neues Fluss-Bett.
Auf dem nun an die Stadt angeschlossnen Hochfeld entwickelte sich erst die Industrie und später das Stadtquartier. Die Lagegunst für die Industrie ergab sich aus der Hochwassersicherheit und der guten Verkehrsanbindung der Wasserstrasse.
Seit Beginn der Industrialisierung befanden sich auf dem Grundstück verschiedenste industrielle Nutzungen. Dies hinterließ einen in Konsistenz und Mächtigkeit heterogenen Aufschüttungskörper, welcher eine anthropogene Geologie formuliert und die geogene Rheinkiesschicht vollständig abdeckt. Nachdem die Industrie das Ufer über 150 Jahre besetzt hielt, bietet die Geschichte nun erstmals die Gelegenheit Duisburg zurück an den Rhein zu bringen.

Hintergrund
Die traditionelle Idee des Parks als Kompensation für schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen kann immer mehr als überholt angesehen werden.
Heute geht es vielmehr um die Erzeugung eines Spannungfelds von, in ihrer ökologischen Funktion intakten, landschaftlich Situationen und entschieden künstlich gestalteten Oberflächen gesicherter Umlageflächen.

Flächenrecycling und die Verantwortung im Umgang mit industriellen Altlasten
Alle Erfahrungen im Umgang mit Altlasten der Schwerindustrie zeigen, dass eine nachhaltige Sanierung im Sinne einer Wiederherstellung aller Funktionen und Qualitäten des Bodens eine Utopie sind. Sanierung heißt heute immer ein sehr pragmatischer Umgang mit Dingen, die nicht mehr aus der Welt zu schaffen sind, welches sich auch in der Gesetzgebung widerspiegelt.

Das Wettbewerbsgebiet
In unserer Sichtweise sehen wir die gegenüberliegenden Rheinwiesen des Gleitufers konzeptionell als einen wesentlichen Teil des Wettbewerbsgebiets, neben den kontaminierten Schlacke- und Schutt-Aufschüttungen der Industrie, die den vorläufigen Abschluss der Entwicklung von bindigen tertiären Sedimenten und den Rheinkies-Ebenen des Quartärs darstellen.
Dem momentanen Rahmenplan, welcher vorsieht, das Gelände erneut aufzuschütten diesmal mit kultur-fähigen Boden um eine öffentliche Parknutzung zu ermöglichen stellen wir eine andere Strategie entgegen.

Sanierungsplan
Das Konzept der Arbeit geht von einem Ineinandergreifen von Sanierungsplan und städtebaulich -landschaftsplanerischen Entwurf aus.
Auf Grundlage einer genauen Analyse der Datenlage zur geogenen und anthropogenen Geologie des Ortes wurde ein dreidimensionaler Rheinkieskörper generiert, der Potentialfelder aufzeigt, welche die Sanierung und maßgebliche Struktur des Entwurfes bestimmen.
Die geologischen Schnitte zeigen einen anthropogenen Aufschüttungskörper mit sehr unterschiedlicher Mächtigkeit. Die Bereiche geringer Tiefe (ca.1-3 Meter) könnten jedoch wieder freigelegt werden, um den darunter, laut geologischem Gutachten weitestgehend unbelastete eiszeitliche Rheinkieskörper in Teilbereichen wieder zum Vorschein zu bringen.

Konzept – Generationen von Grün und deren Generierung
Für die freigelegten Bereiche des quatären Rhein-Kieses kann die bisher angenommene Dichtung und Abdeckung mit neuem Substrat eingespart werden. Das als gesicherte Umlage bekannte Verfahren, welches von einer Umlagerung und anschließender Sicherung von Stoffen innerhalb des Geländes ausgeht kommt in unserem Entwurf in einer neuen Art zur Anwendung.
Aus den geologischen Bedingungen ergeben sich dabei drei topographische / topologische Ebenen für den Park mit entsprechend spezifischen Eigenschaften Qualitäten und Funktionen.
Zusammen ergeben sie einen topologischen Querschnitt unterschiedlicher Generationen von Grün.

Park-Niveau –1 Quasi-natürliche Rheinkies-Niederungen– prä-industrielles Grün
Die freigelegten Schichten des Tertiärs können alle Bodenfunktionen übernehmen. Hier kann nicht nur das Oberflächenwasser der Fläche selbst, sondern auch aller benachbarter Flächen frei von Kontamination versickern.
Die Gestaltung entspricht dabei weitestgehend dem gegenüberliegenden Gleitufer mit seinen offenen Wiesenflächen, ein paar Bäumen und landschaftlichem Charakter. Diese Flächen leben von ihrer Weite, sind nutzungsoffen und ohne konkretes Programm.

Park-Niveau +/- 0 Generischer Stadtpark - kontemporäres Grün
Diese Ebene zieht sich aus der Stadt auf das Gelände. Auf ihrer Oberfläche gibt es die neuen Stadtquartiere mit ihrem Stadtgrün und baulichen Entwicklungen, ähnlich den angrenzenden Gebieten.


Park-Niveau +1: künstlicher Park mit produktiven und rekreativen Funktionen– post-industrielles Grün
Die Aufschüttungen über dem Rheinkies wird an anderen Stellen im Gebiet konzentriert, die Altlast somit „überhöht“. Diese Körper werden als Topographie erfahrbar. Dies geschieht nachdem Prinzip der gesicherten Umlage. Die Oberfläche dieser Aufschüttungskörperkörper werden nach den Regeln der Technik gesichert, gedichtet und abgedeckt, um eine nutzbare Fläche zu erhalten, welche eine Künstlichkeit erlaubt, die sich von der Umgebung abhebt und einen modernen post-industriellen Parktypus generiert, welcher auch produktive Bereiche, wie die bewusste Anwendung der Phyto-Remediation, als auch Funktionen der Rheinpromenade in sich integriert.

Phytoremediation
Die im Boden verbleibenden toxischen Schadstoffe können über eine Reihe biologischer Sanierungsverfahren in-situ extrahiert oder mikrobiologisch abgebaut werden. Erprobte Verfahren sind beispielsweise die Hyperakkumulation von Arsen im Farn. Die Schadstoffe werden von der Pflanze über die Wurzeln aus dem Boden gelöst und können dann in den Blättern gespeichert geerntet werden. Dies ist gegenüber technischen Sanierungsverfahren sehrt preiswert. Diese Verfahren lassen sich besonders effizient unter optimierten Belüftungs- und Bewässerungsbedingungen in den neuen runden Boden-Phytomediationsfeldern im Südteil des Parks durchführen. Die Offenlegung dieser Prozesse wird zu einer der zeitgemäßen Attraktionen im Park.

Die Promenade
Das Park-Niveau +1 erfüllt in weiten Teilen die Funktion der Rheinpromenade. Zwischen der Stadtpromenade vor dem letzen Baufeld und der Uferpromenade spannt sich ein Feld mit komplexer Geometrie auf. Dieses ist auf der gesamten Ebene nutzbar und hat eine vielgestaltige Oberfläche, welche unendliche viele räumliche Situationen sowohl für Bewegungen als auch Aufenthalt der Parknutzer ermöglicht.
Vegetationsflächen entwickeln sich an verschieden Exponierung des Standortes abhängig von stehender feuchte, Sonne, Wind und geometrischer Form.
Die Promenade ist somit nicht auf die Wasserfront beschränkt, sondern wird bis an das Quartier heran entwickelt. Die gewellte Morphologie schafft immer wieder neue Ausblicke auf den Rhein und die gegenüberliegende Seite und integriert hierbei wie selbstverständlich die bestehende Trassenführung der Kohlebahn.

Der Kultushafen
Allseitig umlaufende Sitzstufen ermöglichen an dieser vom Strom geschützten Stelle einen Zugang bis zum Wasser. Diese kann dabei als Bühne oder Projektionswand für open-air Kino genutzt werden. Hier können auch Rheindampfer anlegen, um Besucher zum Rheinpark zu bringen.

Erschließung
Die Anbindungen an die vorhandenen Netze erfolgt an den Knoten der gegenüberliegenden Quartiere. Die Struktur ist einfach und funktional gehalten und stellt eine Verwebung mit den angrenzenden Quartieren her.
Die Erschließung des neuen Quartiers erfolgt getrennt nach Gewerbeverkehr und wohngebietsinterner Erschließung. Die eindeutige Straßenhierarchie gewährt Orientierung und vermeidet Konflikte mit dem Durchgangsverkehr.
Die Stadt soll mit einer baulichen Kante und davor liegender Strasse an den RheinPark grenzen. Hier wird eine urbane Qualität beschrieben die sich als belebter Rand des Quartiers darstellt.
Das Quartier wird durch seinen eigenständigen Charakter für Duisburg eine besondere Adresse, die Baukörper gliedern sich in freier Ordnung auf den Baufeldern, wodurch eine hohe Flexibilität der einzelnen Architekturen ermöglicht wird.

Nutzergruppen / Soziale Aspekte
Die drei miteinander verwobenen Zonen bieten die unterschiedlichsten Parknutzungen. Von dem Wechsel, offener (extensiv genutzter) und dichter (intensiv genutzter) Bereiche profitieren beide Seiten. Sind die gegenüberliegenden Rheinauen heute wenig genutzt, so liegt das meist an mangelnder sozialer Kontrolle, also mangelnder Nutzungsdichte der Umgebung. Anderseits kann die Offenheit und Robustheit der Rheinwiesen Nutzungen wie Grillen, Reiten etc. ermöglichen, diese Qualität wird auch im RheinPark angestrebt.
Der Wechsel von teils widersprüchlichen urbanen Lebensweisen machen dabei den Reiz dieser Struktur aus.
Angestrebt wird eine selbstverständliche Durchmischung der diversen Nutzungsangebote zu einer kulturellen Melange von Menschen aus 100 Nationen und den Neu-Bewohnern des Dienstleistungs-Quartiers.

Beurteilung durch das Preisgericht



Generationen von Grün
Bei dem vorliegenden Entwurf handelt es sich ohne Zweifel um einen der unorthodoxesten Beiträge des gesamten Wettbewerbs.
Zwar werden die Vorgaben der Ausloberin im Hinblick auf die städtebaulichen Grundmuster eingehalten und teilen das Gebiet folglich in einen östlichen, bebauten Bereich und die westlich davon gelegene Freifläche ein. Der Entwurf skizziert aber ein eher eigenständiges Stadtquartier und bleibt somit die geforderte Korrespondenz mit Hochfeld und der Stadt Duisburg insgesamt schuldig. Vom Anspruch der Realisierungsmöglichkeit – das ist vorweg festzustellen - bleibt der Entwurf aber auch aus anderen, weiter unter ausführlicher dargelegten Gründen weit entfernt.

Markantes, beide Flächen miteinander verbindendes Gestaltungselement, ist die quasi in der Planmitte gelegene, in der Achse rechtwinklig verlaufene und das Niederschlagswasser der angrenzenden Bebauung auffangende Versickerungsmulde. Sie nimmt einen beachtlichen Teil des Plangebietes ein. Das zweite wesentliche Profil gebende Gestaltungsmerkmal – hier in des Wortes doppelter Bedeutung - sind die den Freiraum von Nord nach Süd im mäandrierenden Parallelschwung durchziehenden Schichtrippen.

Der Entwurf zeichnet eine insgesamt gewagte, bisweilen etwas düstere Skizze über die Gestaltung eines innerstädtischen Freiraumes innerhalb eines an klassischen Grünflächen und Parks armen, dafür an industriellen Reminiszenzen aber umso reicher ausgestatteten Stadtteiles. Dafür provoziert er zu interessanten Diskussionen über verschiedene interessante Details sowohl im Hinblick auf die gestalterischen Dimensionen als auch in Bezug auf sehr pragmatische Fragestellungen, wie den Umgang mit kontaminierten Böden und Niederschlagswasser.

Allen diesen Elemente aber ist eines gemein: sie sind ebenso experimentell, wie sie dem Anspruch auf Nutzbarkeit bzw. Umsetzungsfähigkeit widersprechen:

• Dem Wunsch nach uneingeschränkter Freizügigkeit und hoher Aufenthaltsqualität im Park stehen die mit Bodenvernässung verbundene Funktion der Versickerungsmulde einerseits sowie die die Bewegungsmöglichkeit der Erholungssuchenden andererseits einschränkenden Schichtrippen entgegen.
• Außerdem wird das Bedürfnis nach Erholung durch die bis in den Grünbereich hinreichende verkehrliche Erschließung des Siedlungsgebietes gestört.
• Der methodische Vorschlag zur Sanierung des belasteten Bodens ist grundsätzlich pfiffig, an dieser Stelle aber abenteuerlich. Der Aufenthalt im Park gilt unter Umständen als eher sensible Nutzung, die mit unklarer Belastungssituation der dortigen Böden nicht vereinbar erscheint.
• Interessant ist die optische Korrespondenz der zur Schadstoffentsorgung vorgesehenen „Kompostierungsmulden“ mit den Klärbecken der angrenzenden Kläranlage. Ihr Betrieb scheint jedoch insbesondere wegen der damit verbundenen Geruchsimmissionen und der Unverträglichkeit mit der angrenzenden Naherholungsnutzung unvereinbar.
• Außerdem steht der Umsetzung ganz wesentlich entgegen, dass sich das Konzept nicht in zeitlicher Abstufung realisieren lässt.

Insgesamt fehlt dem Entwurf die notwendige Planreife, um den komplexen Bedürfnissen der Parknutzer über einige wenige Individuen hinaus gerecht zu werden. Andererseits ist der Beitrag mutig, nimmt Bezug zu Flächenhistorie, greift diverse, bis dahin wenig etablierte Gestaltungsvorschläge auf und empfiehlt einen durchaus diskussionsfähigen Umgang mit Boden und Wasser, der an anderer, weniger sensibler Stelle durchaus weitergedacht zu werden lohnt.