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Verhandlungsverfahren | 12/2008

Bewerbungsverfahren Neugestaltung des Oberbilker Markts

Teilnahme

KARSTEN WEBER STUDIO

Architektur

Jo Meyer

Architektur

Marie-Céline Schäfer

Architektur

Erläuterungstext

Bei all dem, was wir gestalterisch leisten, wirft sich die Frage nach Sinn auf. Alles Gestalten ist Antwort. So müssen wir, um zu entscheiden, was der Oberbilker Markt werden soll, zunächst einmal fragen, was er ist. Zu Beginn können wir gleich feststellen, was er nicht ist: Der Oberbilker Markt ist mitnichten ein Markt.

Markt war einst Ort: die politische, religiöse und merkantile Mitte der Stadt. Man ging auf den Markt, um dort zu sein; man ging auf den Markt, um überhaupt irgendwer zu sein.

Wenn wir, dieses Bild im Sinn, an den Oberbilker Markt treten, wundern wir uns zunächst. Die meisten der Menschen, die wir sehen, sind offensichtlich nicht etwa hier, weil sie hier sein wollten, sondern allein, weil eine Ampel auf Rot steht. Sobald sich dieses ändert, sind sie weg, und wir haben allen Anlass zur Vermutung, dass sie den Oberbilker Markt nicht als Ort, sondern als Durchgang begriffen haben.
Recht so: Im Zuge der totalen Mobilmachung sind Städte zuvorderst Felder eines permanenten Durchgangs.

Der Oberbilker Markt ist „Verkehrsknotenpunkt“ und wird es, allen Beruhigungsmitteln zum Trotz, auch bis auf weiteres bleiben. Wenn man das Geschehnis „Verkehr“ hier naiv betrachtet, kommt man nicht umhin, es beeindruckend zu nennen: Aus fünf Richtungen fließt kinetische Energie dem Zentrum zu. Ampeln stauen die Ströme, um sie sodann wieder freizusetzen. Wir können uns einen Mittelpunkt der Kreuzung denken, den jedes Fahrzeug zu passieren hat. Jenem, kein Ort, sondern Durchgang, fließt die kinetische Energie zu, jenem fließt sie wieder ab.

Sehr beeindruckend – aber wie ist es um die ästhetische Qualität bestellt? Wir haben im Grunde zwei Möglichkeiten: Entweder finden wir Verkehr schön. Oder wir finden ihn nicht schön. Im letzteren Falle müssen wir uns den Vorwurf machen, zur falschen Zeit geboren zu sein: Wir sind im Verkehr, wir entgehen ihm nicht, schon gar nicht am Oberbilker Markt.

Konzepte, die danach streben, den Verkehr zu verstecken, haben zwei Nachteile. Erstens sind sie unwahr, indem sie das, was ist, nicht wahrhaben wollen. Wer aber will den Platz, der sich seiner selbst schämt? Zweitens sind sie technisch unmöglich. So entscheiden wir den Oberbilker Markt dazu, schön zu sein, auch und gerade als Verkehrsknotenpunkt.

Wir begreifen ihn dabei nicht als „Markt“, sondern, seinem Sinn entsprechend, als Umschlagplatz von Energie, als Stern. Gestaltung heißt, diesen Sinn sinnfällig zu machen, ihn ins Ästhetische zu übersetzen.

Der Stern bekommt eine klare Gliederung – Zentrum, Fläche, Aureole. Vom energetischen Mittelpunkt der Kreuzung ausgehend strahlen Radien in alle Richtungen ab; sichtbar werden sie, sobald sie den fußläufigen Teil erreichen. Somit gewinnt der Platz Klarheit, er wird übersichtlich – folglich steigert sich auch das Sicherheitsempfinden. Ein Gleiches leistet das Beleuchtungskonzept: Zwei helle Lichtkreise überschweben das Geschehen, der innere voll ausgeführt, der äußere zum Bogen reduziert; beider Zentrum ist jener energetische Punkt auf der Kreuzungsmitte.

Die Radien erscheinen als jeweils 50 Zentimeter breite Streifen aus poliertem, reflektierendem Granit, welche in die Deckschicht eingefügt sind, Letztere besteht aus Asphalt mit dunkelster Basaltkörnung. Die Radien münden in die Gebäudefronten, und eben an dieser Aureole des Sterns findet das Leben statt: Hier sind die Straßenlokale, hier stehen die Bänke, von denen aus man, wie vom Rang der Arena, das energetische Geschehen aus gemessener Distanz betrachtet. Einen wichtigen Akzent erhält die Aureole durch den Neubau eines dem Platz zugewandten Pavillons, in dem ein Kulturveranstaltungs-/Gastronomiebetrieb etabliert wird.

An den Fassaden der rundum stehenden Häuser finden sich 15 Buchstaben aus Aluminium, jeweils 1,50 Meter messend. Scheinbar sind sie willkürlich gewählt. Erst wenn wir das Panorama nehmen, offenbart sich der Sinn: OBERBILKERSTERN ist dort zu lesen, so schließt sich der Kreis. In der Dämmerung erhalten die Buchstaben durch Hinterleuchtung eine Aureole, bei Dunkelheit bleibt allein noch der Lichtsaum. Wobei die Hinterleuchtung nicht konstant ist: Die Buchstaben erscheinen und verschwinden,
das Wort fragmentiert sich, sodass es gilt, in all diesen an sich ebenso sinnlosen wie unsteten Bruchstücken ein Ganzes zu erahnen.

Bei der Gestaltung des Oberbilker Sterns geht es uns allein um den Menschen – um denjenigen, der hier wohnt, arbeitet, einkauft, flaniert. Befragungen ergaben, dass man den Platz als unbehaglich empfindet. Wir glauben, dass dieses Unbehagen allein auf die fragwürdige Uneindeutigkeit seiner bisherigen Gestalt zurückgeht. So antworten wir dem Oberbilker Stern, indem wir ihm gestalterisch sagen, was er ist – alles Weitere ergibt sich von selbst.