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Einladungswettbewerb | 09/2009

Mehrfachbeauftragung Welterbestätte Pfalzbezirk Aachen

Präsentationsplan

Präsentationsplan

1. Preis

Atelier Fritschi, Stahl, Baum

Architektur

Erläuterungstext

Pfalz Aachen Zeitspuren_Zeit spĂĽren
Die städtebauliche Substanz des Ortes, historisch zwar in vielen Teilen
zusammengehörend, formal aber heterogen und fragmentiert, offenbart
nicht vordergrĂĽndig die Formation der karolingischen Pfalz. Es sind
vielmehr Spuren wahrnehmbar:
_Deutlich wie sonst nirgends in der Altstadt zeigt sich die Spannung
zwischen römischer und mittelalterlicher Stadtstruktur, eine Vielzahl von
Dreiecksplätzen mit ihren typischen scheinbar dekomponierten
Gebäudestellungen.
_Die heutige Fassung des Katschhofs entspricht sehr genau dem lang
gezogenen Rechteck der inneren Pfalzanlage – zwischen Pfalzkapelle und
Rathaus, dem steinernen Verbindungsgang im Westen und dem östlichen
ehemaligen hölzernen Gang.
_Die Domhofumbauung zeichnet die gleiche Kontur wie frĂĽher das
karolingische Atrium vor der Pfalzkapelle, die Ritter-Chorus-StraĂźe zielt
auf den ehemaligen Portalbau der Pfalz in der kurzen Mittelachse des
Katschhofs.
Diese substanziellen Spuren mit und in ihrem Umfeld versöhnlich und
integrativ zu stärken ist unser Ansatz - nicht aber vorhandene historische
BrĂĽche weiter aufzuladen mittels einer Sprache der bewusst zugespitzten
GegenĂĽberstellung von Alt und Neu oder beispielsweise einer
dramatischen Absteckung des Areals. Den Ort atmosphärisch zunächst als
Ganzes zu spĂĽren ist unser erstes Ziel. Dann soll er uns sein GefĂĽge von
Altem und Neuem zeigen, uns ein GefĂĽhl der Zeit spĂĽren lassen und
beginnen uns seine Geschichte zu erzählen – das ist unser nächstes Ziel.
Beide Ziele sind für unseren Part städtebauliche Aufgaben. Die gewählten
Mittel und Materialien sind in ihrer Zahl bewusst reduziert, einheitlich und
streben nach archaischer Einfachheit .
Welchen Raum umfasst eigentlich der „Pfalzbezirk“? Betrachtet man das
Stadtschema, liegt die Pfalz im Zentrum eines regelrechten Geflechts von
Plätzen mit nur kurzen Verbindungswegen. Es erstreckt sich im Norden
ĂĽber den Markt, im SĂĽden ĂĽber den MĂĽnsterplatz, im Westen ĂĽber
Klosterplatz und Fischmarkt, im Osten ĂĽber HĂĽhnermarkt und Hof. In
dieser dichten Raumabfolge ist mit wechselnden Blickbeziehungen das
Pfalzareal ständig spürbar.
Spannend ist die Mischung aus belebten und ruhigen kontemplativen
Plätzen, die es gilt weiter zu stärken. Die Aufenthaltsqualität vor allem der
Gastronomie unabhängigen Zonen ist deutlich zu verbessern. Die
qualitativ hohe Maßstäblichkeit und Materialität der historischen
Gebäudestruktur erzeugen eine atmosphärische Dichte - ein wichtiger
Baustein fĂĽr ein unverwechselbares Ganzes. Die heutigen
Bodenoberflächen dagegen sind ausgesprochen heterogen und suchen
eher extrovertierte BezĂĽge.
Der gesamte Pfalzbezirk erhält von daher in seinen Oberflächen ein
einheitliches Material – Grauwacke-Platinen, der edle Stein, auf dem der
Kalkstein des Doms bereits sehr gut steht. Einzelne zu differenzierende
Bereiche werden lediglich durch Wechsel der Verlegeart und -richtung
oder des Formats akzentuiert. Hier ĂĽberzeugt vergleichsweise der groĂźe
ebenfalls nur mit Platinen belegte Markt in Maastricht.
Die „Pfalz erzählen“ werden Ausstellungen und Projekte im Rahmen der
Route Charlemagne bis hin zum Aixplorer – unser Entwurf schlägt vor
erzählende Spuren auch vor Ort zu legen, Orte des Pfalzbezirks mit
Themen zu verknĂĽpfen, die in der karolingischen Zeit ihren Ursprung
hatten und von initialer Bedeutung für Selbstverständlichkeiten heutiger
Zeit waren. Die Mittel, die wir einsetzen, sind architektonisch und
Bestandteil des Konzepts der Qualifizierung der öffentlichen Räume:
_Der Markt behält seine „römische“, groß gepflasterte Straßenquerung.
Der Karlsbrunnen wird von der Umklammerung der AuĂźengastronomie
befreit. Großzügige, monolithische Steinbänke werden neu positioniert, sie
erhalten partiell vorgelagerte, bodengleiche Steintafeln, die textlich und
grafisch den römischen und mittelalterlichen Stadtgrundriss sowie die Lage
der karolingischen Pfalz skizzieren.
_Der MĂĽnsterplatz wird klarer geordnet mit einer neuen steinernen
Bankachse, Bodentafel zum Dom und Sitzstein gefassten
Baumhochbeeten. Die Platinenpflasterung läuft bis an die Domfassade –
der Dom hat wieder Bodenkontakt, die Einfriedung markiert deutlicher
die Spolienausstellung. Eingangs des Platzes vom Elisengarten her zeigt eine
Bodentafel die Lage der Pfalz.
_Der Fischmarkt wird aufgeräumt, die Raum greifenden Baumbeete
entfallen zugunsten von Baumscheiben. Eine lange Steinbank an der
Fassade der Taufkapelle bietet einen guten Blick auf den Platz und die
„Vitrine“ des neuen Dominfozentrums. Neben der Taufkapelle eingangs
des Domhofs findet sich wieder eine Steintafel mit dem Pfalzgrundriss.
_Der fast vergessene, schöne Hof des Grashauses wird in den öffentlichen
Raum miteinbezogen – ein denkbar schöner Ort für sommerliche
Lesungen oder Vorträge.
_Der Klosterplatz sowie Abschnitte der Johannes-Paul-II.-StraĂźe und
Ritter-Chorus-Straße bilden befreit vom Verkehr ein völlig neues
Platzensemble vergleichbar mit der Situation des 19.Jh., als aus Richtung
KockerellstraĂźe und Fischmarkt nur schmale Gassen die beiden
hofartigen Plätze erschlossen. Quaderförmige Abschnitte von Kastenlinden
reduzieren deutlich den Querschnitt der StraĂźenabschnitte im
Kronenbereich und schaffen unterhalb der Kronen arkadenartige Räume.
Am Berührungspunkt der beiden neuen Plätze startet die „Achse der
Wissenschaft“ als Intarsie Richtung RWTH.
Einer langen Wasserbank auf dem Klosterplatz und einer Rundbank auf
dem Ritter-Chorus-Platz sind Steintafeln vorgelagert mit den Themen
Wissenschaft, Kunst und Schrift, der Aufgabe der mittelalterlichen Klöster
entsprechend - vis Ă  vis der Ziegelfassade der Domschatzkammer. Dort
bietet der Hof des Kreuzgangs einen intimen Rahmen fĂĽr Konzert und
Theater.
_Der Katschhof – Herzstück des Gesamtensembles – besitzt alle
Eigenschaften eines äußerst spannenden Stadtraums, seine Proportion und
Topografie zwischen den Polen Rathaus und Dom. Die Defizite liegen vor
allem in den verstellten Perspektiven. Die wuchtige und verwinkelte
Rathausterrasse hat kaum Kontakt zur Platzfläche, dem Dom fehlt durch
den nicht einsehbaren Spolienhof der Bodenkontakt.
Der Hof wird Ausstellungsraum fĂĽr die Domspolien und mit einer langen
Steinbank auch attraktiver Pausenraum fĂĽr die SchĂĽler. Das wuchernde
Strauchgrün und der unschöne Zaunsockel entfallen, die Einfriedung wird
erneuert in Anlehnung an die Situation auf der Südseite – auch das
Platinenpflaster reicht wieder bis zur Domfassade. Die benachbarte Rampe
Richtung Krämerstraße wird mit niedrigen Natursteinmauern gefasst.
Die Südseite des Rathauses wird völlig neu terrassiert. Eine Freitreppe mit
Sitzstufenqualität begrenzt den Platzraum über die gesamte Breite, aus
Blickrichtung Hühnermarkt und Krämerstraße ragt sie wahrnehmbar in
den Katschhof. Der neue Behindertenlift erschlieĂźt sowohl die Restaurantebene
als auch den neuen WC Zugang.
Die Platzfläche wird ansonsten komplett niveaugleich ausgeführt.
Großformatige Steintafeln betonen die Geometrie der Platzlängsseiten -
auf der Westseite in der Flucht der vorspringenden Dom-Singschule. Die
Spur setzt sich nach SĂĽden mit einer stelenartig gesockelten Spolienreihe
fort.
Auf der Ostseite verläuft sie differenziert über die gesamte Länge, auch
hier findet sich eine Tafel mit dem Pfalzgrundriss. Im Verlauf der neuen als
Sitzbank geformten Böschungsmauer vor der historischen Hauszeile wird
die Tafelspur modifiziert:
Das Thema hier ist Verwaltung, Organisation und Gesetz – aus der
karolingischen Landgüter- und Agrarordnung „capitulare de villis...“stammt
eine umfassende Pflanzliste der wichtigsten Kräuter, Stauden und
Fruchtgehölze. Ein solches Gärtchen findet sich gegenwärtig etwas
verwaist in der Nordwestecke der Rathausterrasse. Es wird nun neu
erlebbar in Szene gesetzt und verstärkt die kontemplative Atmosphäre
des Katschhofs.
Wie der einheitliche Platinenbelag der Oberflächen werden alle Mauer-,
Sitz- und Wasserelemente sowie die Steintafeln aus Blaustein / Belgischer
Granit gefertigt, jeweils mit objektbedingt wechselnder
Oberflächenbehandlung. Es ist nun ’mal das Aachener Material der Details.
Wahl und Zusammenspiel der Materialien ermöglichen eine
Realisierbarkeit in Etappen ohne dass deshalb das Projekt fragmentiert
erscheint. Die Idee der punktuellen „Zeitspuren“- Tafeln und anderen
Objekte kann als Maßnahme vorgezogen und in vorhandene Oberflächen
integriert werden. Wir denken, dass damit schlieĂźlich auch ein gutes MaĂź
Wirtschaftlichkeit gegeben ist.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf zeugt von einer tief greifenden Auseinandersetzung mit der Geschichte
des Ortes und dessen heutiger stadtstruktureller Ausprägung. Das Spannungsfeld
zwischen der römischen und karolingischen Struktur ist dabei ebenso von
Bedeutung wie die stadträumliche Struktur des Katschhofes und der
Domhofumbauung. Der gestalterisch selbstbewusste und gleichermaĂźen
zurĂĽckhaltende und respektvolle Umgang mit diesen historischen Wurzeln kann
überzeugen. Von einer zusätzlichen Inszenierung der vorhandenen historischen
BrĂĽche wird zugunsten eines reduzierten, einheitlichen und einfachen
Gestaltansatzes abgesehen. Es geht um die Thematisierung des Ortes als Ganzes,
um das Erleben von Zeit und Geschichte – ohne dabei aufgesetzt und belehrend
sein zu wollen.
Eine einheitliche Behandlung der Oberflächen wird zur Basis des stadträumlich
gedachten Gestaltansatzes. Historische Spuren werden aufgenommen und wie im
Beispiel der Nachzeichnung der alten Pfalzanlage wie der nicht mehr vorhandenen
Annexbauten des heutigen Doms im Pflaster sichtbar gemacht. Mittels von
Zeitspuren-Tafeln z.B. am Klosterplatz oder am Katschhof wird Geschichte erzählt.
Auch die Interpretation der „capitulare de villis“ über die in Stein gemeißelte
Pflanzlisten im Katschhof wird ausdrĂĽcklich gewĂĽrdigt. Der unaufgeregte Umgang
mit der SĂĽdseite des Katschhofes und die Ausbildung des Spolien-/Schulhofes kann
überzeugen – wenngleich die sonstigen Spolienstandorte außerhalb des Schulhofes
hinterfragt werden müssen. Kritisch gesehen wird die Ausprägung der
Treppenanlage am Rathaus, die als zu streng und wenig angemessen diskutiert
wird.
Insgesamt ĂĽberzeugt der Entwurf durch eine feinfĂĽhlige, detailreiche Bearbeitung
und zeugt von einer tiefen Durchdringung von Ort und Aufgabe. SpĂĽrbar wird dies
auch an dem sensiblen Umgang mit den umgrenzenden Stadträumen: Mittels
einfacher gestalterischer Mittel werden vorhandene Konturen gestärkt und
Platzräume profiliert. Lediglich die etwas zu intensiv geratene
Straßenraumbegrünung mit Kastenbäumen wirkt überzogen. Dies betrifft vor allem
das Vorfeld zur Dominformation.
Bleibt noch die Frage, ob die vorgesehenen Interventionen mit Blick auf den
finanziellen Rahmen auch umsetzbar sein werden. Auch hier gibt der Beitrag eine
ĂĽberzeugende Antwort: Basierend auf einem bestechende Gesamtkonzept verweist
er auf eine Realisierbarkeit in ĂĽberschaubaren Etappen.
Lageplan

Lageplan

Perspektive Katschhof

Perspektive Katschhof

Perspektive Klosterplatz

Perspektive Klosterplatz

Details

Details

Pictogramme

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