modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Planungswerkstatt | 03/2017

Neugestaltung des Vorplatzes und des städtebaulichen Umfelds der Kunsthalle

Rheinstrasse - Bühne des Neuen

Rheinstrasse - Bühne des Neuen

Sonderpreis

Prof. Gabriele G. Kiefer

Landschaftsarchitektur

ON/OFF

Architektur

Erläuterungstext

Rheinstraße_Räumliche Entwicklung
Nach Plänen des 1810 berufenen Georg Moller, Oberbaurat und Hofbaudirektor des Großherzogtums Hessen Darmstadt wurde die vom Schloss und Luisenplatz ausgehende Stadtachse gebaut. Ludwig I. wünschte sich für seine Residenzstadt den Bau von Wohnungen für zusätzliche Beamte, mehr Raum für Gewerbe und Handel und die Schaffung eines repräsentativen Eingangs für seine groß-herzogliche Residenz: eine Prachtstraße nach französischen Vorbild, eine via triumphalis, die dem klassizistischen Konzept von Verdichtung und Aufweitung folgte.

Im II. Weltkrieg wurde die Mollerstadt fast völlig zerstört. Ihr Wiederaufbau unter der Federführung des Stadtbaumeisters Peter Grund erfolgte weitgehend auf dem historischen Stadtgrundriss (Struktur der Bebauung rechts und links der Rheinstraße); gleichzeitig skizzierte er einen Stadteingang im Stil der Architektur der Fünfziger Jahre. Leitidee war die gegliederte, aufgelockerte und autogerechte Stadt. Im Laufe der Zeit wurde der Raum für den motorisierten Verkehr immer größer, während der für Fußgänger zurückgedrängt wurde.

Heute ist die Rheinstraße vor allem eine autogerechte Ausfallstraße, ein Mobilitätsraum mit ca. 80.000 Ein- und Auspendlern täglich. Sie wird gesäumt von einer Masse und Vielfalt an Verkehrszeichen, Straßenbeleuchtungen, Verteilerkästen, Einfassungen, Straßenbahn- und Fahnenmasten usw. Die Beläge im öffentlichen Raum sind uneinheitlich, Abstandsgrün und -flächen sind ungepflegt, Vorzonen sind vermüllt und die ungleich angeordneten Werbeschilder verstärken den unaufgeräumten Eindruck noch. Diese Ungepflegtheit im öffentlichen Raum setzt sich an vielen Fassaden fort und hier und dort findet sich Gebautes aus den 50igern das dem Verfall preisgegeben ist.
Gleichzeitig besitzt die Rheinstraße aufgrund ihrer städtebaulichen Konfiguration viele Potenziale: Als Eingang zur Stadt besitzt sie ein urbanes Format mit Platzaufweitungen des historischen Grundrisses, bei dem durchweg die Sichtachse auf das Ludwigsmonument gegeben ist. Die mittig geführte Straßenbahn verbindet auf kurzem Weg Hauptbahnhof und Stadtmitte. Denkmalgeschützte Gebäude unterschiedlicher Epochen rahmen die Rheinstraße und enden in einem denkmalgeschützten Ensemble, eine einzigartig städtebauliche Konfiguration.Die Arkaden der Rheinstraße vermitteln zwischen der Privatheit des Hauses und der Öffentlichkeit des Straßenraumes. Auch die Baumalleen und Bäume und hier vor allem der Altbaumbestand vor DGB-Haus und Kunsthalle haben eine stadtbildprägende Wirkung. Nicht zuletzt die Kunsthalle selbst ist ein Attraktor mit großem Potenzial – sowohl aufgrund ihrer Nutzung, als auch ihrer besonderen Architektur.

Maßnahmen
Die große Herausforderung besteht darin, der Dominanz des motorisierten Verkehrs eine starke Antwort zu geben. Um die Aufenthaltsqualität zu verbessern, ja sie erst wieder zu schaffen, um die Rheinstraße wieder zu einer „Guten Adresse“ für die Anwohner und für die ganze Stadt werden zu lassen, sind verschiedene Maßnahmen notwendig. Um Platz – real als auch gestalterisch - zu schaffen beschäftigen sich die Maßnahmen mit den übergeordneten Themen des Aufräumens, Ordnen, Qualifizieren sowohl in der Fläche als auch auf Objektebene um der Überfülle des Straßenraums Einhalt zu gebieten.

Diese Maßnahmen werden Schritt für Schritt durchgeführt. Sie können eine langfristige Perspektive haben oder temporär sein. In manche von ihnen muss mehr Geld investiert werden, andere sind preiswert. Einige werden von der Stadt geplant und finanziert, andere zusammen mit weiteren AkteurInnen.

Die visuelle und atmosphärische Zusammengehörigkeit des Areals wird durch den Einsatz der Leitmaterialien Spiegel, Holz und Schrift hergestellt und verstärkt.
Leitmaterial.Spiegel Seit jeher fasziniert der Spiegel Kunst, Wissenschaft und Philosophie - sei es als optisches Werkzeug, Kunstobjekt oder gar Tor zu einer anderen Welt. Wendet man den Spiegel auf die Stadt an, so kann er Orte, Geschwindigkeiten und Bewohner in neue räumliche Beziehungen zueinander setzen. Entlang der Rheinstrasse kann das Verspiegeln von Arkaden oder anderen Objekte neue Akzente setzen, ohne den bereits überladenen Strassenraum zu bedrängen. An den Flaneur sendet er die Nachricht, du bist Teil der Stadt.
Leitmaterial.Holz Dem industriell polierten Edelstahl wird der Baustoff Holz entgegengesetzt. Aufgrund seiner hohen Varianz an Sorten und Qualitäten ist es gleichzeitig für hochwertige Elemente wie Stadtmobilar als auch für, mobile wie Marktstände oder Bühnen einsetzbar. Die leichte Verarbeitung gibt allen Akteuren die Möglichkeit an der Umgestaltung ihrer Stadt mitzuwirken.
Leit”material”. Schrift Das geschriebene Wort steht für Information und Kommunikation. Dauerhaft oder temporär an Fassade oder Boden der Rheinstrasse angebracht kann es zum Sprachrohr Darmstadts und seiner Bewohner werden.

„Städtebauliche Glanzleistungen der Vergangenheit beruhen auf gemeinschaftlicher Produktion. Was kann eine Gesellschaft, die immer stärker individualisiert, daraus lernen, und wie lässt sich dieses Wissen anwenden? Städtebau ist keine solistische Disziplin, sondern ein Ensemblespiel.“ Georg Franck Architekt, Philosoph und Ökonom, Professor TU Wien. Während im 19. Jahrhundert ein Einzelner, der Großherzog Ludwig I., den Auftrag einer vom Schloss und Luisenplatz ausgehenden Prachtstraße nach französischem Vorbild gab, wurde der Wiederaufbau in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts von der Stadtverwaltung verantwortet. Heute kann eine erfolgreiche und nachhaltige Stadtentwicklung nur noch durch kreative Impulse der Interessierten und Betroffenen, Experimente und dem Austesten innovativer Ideen, dem Sichtbarmachen von Alternativen und künstlerischen Aktionen gelingen. Personen und Institutionen sind die AkteurInnen und Schlüsselfiguren des Wandels hin zu einer zukunftsfähigen Rheinstraße, hin zu einer zukunftsfähigen Stadt. Ausgangsbasis dieser Art von Stadtentwicklung ist die Verständigung aller am Prozess beteiligten über ihre Werte und Ziele. Bei diesem Modell, das durch einen flexiblen und dynamischen Prozess definiert ist und deshalb auf einen über Jahrzehnte festgelegten Masterplan verzichtet, haben viele das Recht mitzubestimmen, das bedeutet aber auch, dass alle Beteiligten Verantwortung übernehmen. Die Rheinstraße benötigt ein Entwicklungskonzept das nur in intensiver Kooperation aller AkteurInnen realisiert werden kann. Zu diesen gehören auch die in diesem Stadtgebiet ansässigen Unternehmen, Universitäten, Hochschulen und Forschungsinstitute, die im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft (PPP) ihre Vorstellungen und Expertise einbringen können. Mögliches Entwicklungskonzept: Die Stadtverwaltung bietet dabei den AkteurInnen einen Handlungsrahmen mit Regeln, Ritualen und Logiken. Schritt für Schritt identifizieren die NutzerInnen partnerschaftlich und sozial inklusiv die Probleme, erarbeiten die gewünschten Nutzungen und schlagen Projekte vor.

Die Stadt definiert die Grenzen des Machbaren, die sich beispielsweise aus technischen Einschränkungen, Anforderungen des Denkmalschutzes oder der Verkehrssicherheit ergeben. Aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen (Straßenraum, Plätze, Bürgersteig, etc.) variieren die Nutzungszeiträume, die zugesichert werden können. Die PlanerInnen zeigen Möglichkeiten auf, wie Nutzungswünsche in Gestaltung übersetzt werden können.
Ein Gestaltungskatalog fasst die Möglichkeiten zusammen und schafft einen Rahmen, der Vergangenheit und Gegenwart verbindet. Er ist markant und zeichenhaft, nimmt sich aber gleichzeitig zurück; er ist mehreren Ebenen les- und interpretierbar und kann unterschiedliche Orte besetzen sowie unterschiedliche Nutzungen zulassen.

Gerade Zwischen- und Pioniernutzungen werden zum Treiber einer prozessualen Stadtentwicklung. Ihnen kommt strategische Bedeutung zu: entweder als zeitlich befristete Aktivitäten und Angebote, die später einer langfristig geplanten Nutzung weichen oder auch als Nutzungen, die sich vor Ort dauerhaft etablieren können.Angestrebt sind Projekte, welche die Entwicklung der Rheinstraße durch attraktive Angebote für soziale, kulturelle und unternehmerische Ideen fördern, dem vereinbarten Handlungsrahmen (z.B.räumlich, gestalterisch, prozessual) genügen und den Leitbildern (ideell) entsprechen. Als Bühne des Neuen eröffnet die Rheinstraße sukzessive Raum für temporäre und kombinierte Technik-, Kunst- und Ausstellungsprojekte. Vorrausetzung ist, dass alle AkteurInnen hohe individuelle Flexibilität mitbringen und ergebnisoffen für unterschiedliche Lösungsstrategien sind.
Im Rahmen des „Masterplan Darmstadt 2030“, einem mehrjährigen, groß angelegten und partizipativen Planungsverfahren, hat die Wissenschaftsstadt Darmstadt bereits im Januar 2017 begonnen, übergeordnete Strategien für die Umsetzung solcher Prozesse in Gang zu setzen.

Vorplatz Kunsthalle
In unserer heutigen, grundsätzlich unübersichtlich gewordenen Zeit ist es unerlässlich, klar identifizierbare Orte zu gestalten, die eindeutige Atmosphären erzeugen. Als urbane Räume können diese durch ihre Einprägsamkeit einen Beitrag zur lebenswerten Stadt beisteuern. So wie die Kunsthalle ein Schaufenster für die Kunst ist, so soll der Platz davor zur Bühne des öffentlichen Lebens werden.
Um den Vorplatz im Stadtkontext zu verankern und eine großzügige Gesamtheit zu erreichen, wird die gesamte Oberfläche des vor- und rückwärtigen Platzes der Kunsthalle in Terrazzoasphalt ausgeführt. Die Zuschlagstoffe lichtgrauer Kiesel und flaschengrünes Glas nehmen Bezug auf die prägenden Materialien in der Umgebung – Waschbetonplatten und die gläserne Kunsthalle. Die Zusammenführung der Plätze als durchgehende Platte lässt den Raum um die Kunsthalle wieder fließen, die Wahrnehmung des Baukörpers als Solitär wird unterstützt. Um die Homogenität des Bodens nicht zu unterbrechen wird die wassergebundene Decke der Baumscheiben mit einem gleichfarbigen Zuschlag angereichert.
Ein Band aus industriell poliertem Edelstahl flankiert die Platzkanten. Dieser neue Rahmen akzentuiert klar die Grenzen des Platzes, tritt aber aufgrund seiner spiegeelnden Oberfläche zurück und unterstützt somit die Leichtigkeit der Kunsthalle. Das Band mäandriert sowohl im Grundriss als auch in der Vertikalen von einer ebenerdigen Rinne über Sitzbänke bis zur 2m hohen Wand als schützender Abschluss des Parks. Die Sitzbank ist beidseitig nutzbar und wird zur Steigerung des Komfort in Teilbereichen mit Holz ergänzt.
Zur Erhöhung der plastischen Wirkung wird die Innenseite des Rahmenprofils mit einer Schattenfuge versehen, in welches ein Lichtband integriert werden kann. Diese Art der Beleuchtung lässt die Bänke bei Nacht schweben und den Glaszuschlag des Vorplatzes aufglimmen. Der Platz erhält dadurch eine eigene, wiedererkennbare Note und ist gut einsehbar.
Das Band schließt im Süden an den ebenfalls mit Edelstahl verkleideten Portikus an. Auf diese Weise entsteht das schon für die Rheinstraße prägende Gegenüber von Nachkriegsmoderne und Klassizismus. Die denkmalgeschützten Säulen bleiben an ihrem Standort erhalten. Durch die Verspiegelung nimmt sich der Portikus optisch zurück und passt sich den umgebenen Atmosphären wie Verkehrsaufkommen, Jahres- und Tageszeitenwechsel an.
Die Ergänzung des Baumbestand in historischer Anlehnung generiert ein einprägsames Grünvolumen welches sich vom Steubenplatz bis über die Platzkante in den öffentlichen Raum zieht. Die Spiegelung der Bäume in der übermannshohen Wand lässt das Gefühl einer geschützten grünen Oase entstehen.
Der nördliche Steubenplatz wird als Spiel.Kunst.wiese neu programmiert, in dem sie mit bespielbarer Kunst ausgestattet wird. Auf diese Weise wird Kunst zum Vermittler zwischen Kunsthalle und Stadt und fördert laut Kunstverein das Neue und sucht das Gemeinsame.
Der neue Vorplatz bildet einen würdigen Übergang zwischen der Stadt und dem Baudenkmal Kunsthalle.

Diese Öffnung und die Aufwertung ihrer Umgebung kann als erster Anstoß in Richtung „Rheinstrasse.Die Bühne des Neuen“ verstanden werden und gilt als Initialzündung für die weitere positive Entwicklung des öffentlichen Raums in Darmstadt.
Vorplatz Kunsthalle

Vorplatz Kunsthalle

Großer Wurf 3 Mollerstadt

Großer Wurf 3 Mollerstadt

Großer Wurf 2 Autostadt

Großer Wurf 2 Autostadt

Bühne des Neuen

Bühne des Neuen

Vorplatz mit Spiegelband

Vorplatz mit Spiegelband

Lageplan

Lageplan

Längsschnitt

Längsschnitt

Querschnitt

Querschnitt