modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Offener Wettbewerb | 04/2019

Quartiers- und Landschaftspark Berlin TXL

3. Preis

Preisgeld: 15.788 EUR

LATZ+PARTNER LandschaftsArchitektur Stadtplanung

Landschaftsarchitektur

ErlÀuterungstext

°
TEGEL-PARKS

Seit vielen Jahrzehnten bestimmt der Flughafen die Region, ziehen die startenden und landenden Flugzeuge Linien in der Luft und am Boden. Alles ordnet sich dem unter: Pisten und Rollbahnen, rote und weiße Leuchtfeuer, ZĂ€une, Pflanzen und GebĂ€ude, Flugzeuge, Fahrzeuge und Menschen. Alle Strukturen folgen einer unzĂ€hlbaren Bewegung, die bald verschwunden und doch immer prĂ€sent sein wird – wo die Ausrichtung der Reifenspuren auf Asphalt und Beton stumme Zeugen einer immer bewegten Zeit bleiben werden.

Das geplante Quartier erhĂ€lt FreirĂ€ume mit stadtbildprĂ€genden Formen im Stadtgrundriss. Die phantastische Weite, biologische DiversitĂ€t und Ausrichtung des Bestandes und seiner Umgebung hinterlassen einen unvergesslichen Eindruck. Besucher werden der Weite und dem besonderen Klima ausgesetzt – Tegel lĂ€sst sie nach Schutz suchen und hĂ€lt sie doch gleichzeitig gebannt fest!

Der vorliegende Vorschlag ist der Überzeugung, dass die zukĂŒnftige Gestaltung dieser RĂ€ume deren konsequente rĂ€umlich-inhaltliche UnterstĂŒtzung zum Ziel haben muss. Raum und Topographie, Vegetation und Material, Nutzungen und Geschichte sollen zu einem neuen und einzigartigen Bild verwoben werden.

Der Entwurf will die historische LinearitĂ€t in eine universelle Gestaltsprache fĂŒr die neuen Tegel-Parks verwandeln, seine Geschichte an möglichst jeder Stelle erlebbar machen und dennoch leicht bleiben und seinen Besuchern einen entspannten Aufenthalt anbieten.

Das verbleibende Flugfeld und der Quartierspark werden als offene und großzĂŒgige RĂ€ume konzipiert, aufnahmefĂ€hig fĂŒr die vielfĂ€ltige Berliner Stadtgesellschaft – ihre RĂ€nder werden gestĂ€rkt und erhalten individuelle und spezifisch fĂŒr den jeweiligen Ort entwickelte Charaktere und Nutzungsmöglichkeiten. Materialien des Flughafens werden konsequent wiederverwendet und behalten dabei ihre Ă€sthetischen und technischen Eigenschaften. Typologien der Vegetation, Einfriedungen und Architekturen werden der Umgebung entlehnt und neu angeordnet – sie bieten Schutz vor Wind, Sonne und Regen, den Dimensionen der historischen RĂ€ume, den Neubauten des UTR und des Schumacher-Quartiers. Die ehemalige Rollbahnbefeuerung vermittelt zwischen den Parks und verbindet sie. Ökologische Programme folgen in ihren formalen Strukturen den Bewegungen der Vergangenheit, entwickeln sich in den daraus abgeleiteten FreirĂ€umen und verbinden sich Schritt fĂŒr Schritt mit den AneignungsrĂ€umen der zukĂŒnftigen Nutzer.

IMPULSE IN UND AUS DER LANDSCHAFT

Die Parkanlagen verstehen sich als Teil des nĂ€heren Berliner Netzwerks aus GrĂŒnflĂ€chen und Verkehrsverbindungen. Rad- und Fußwege werden konsequent durch grĂŒne Korridore in die Anlagen gefĂŒhrt, Pflanzenarten der umgebenden Parks und Forste, als auch einiger PrivatflĂ€chen neu kombiniert und individuell angeordnet. In den entstehenden rĂ€umlichen Figuren entstehen neue Nutzungsimpulse fĂŒr die zukĂŒnftigen Bewohner und Besucher der Tegeler Parks.

OFFENE PROGRAMMIERUNG

Landschaftspark und Quartierspark sind durchgehend mit möglichst nutzungsoffenen Raum- und FlĂ€chenstrukturen ausgestattet. So wollen wir das Raumerlebnis und die Begegnung unterschiedlichster Nutzer unterstĂŒtzen, Kommunikation fördern und ein zwangloses Miteinander ermöglichen. AneignungsflĂ€chen durchziehen beide ParkrĂ€ume und machen ein dezentrales rĂ€umliches Angebot an die Bewohner des neuen Stadtteils.

Dahingegen werden permanent emissionsstarke Nutzungen, wie zum Beispiel SportflĂ€chen, in der NĂ€he der UTR angeordnet, ĂŒber gemeinschaftliche Nutzungen, wie CafĂ©, Treff- und Lernzentrum und AneignungsflĂ€chen aber wieder an die zentralen Strukturen angebunden.

Funktionsgebundene FlĂ€chen fĂŒr manche Sportarten und Kinderspiel, GĂ€rten und andere Aneignungsbereiche, CafĂ©s und GĂ€rtnerstĂŒtzpunkt sollen so in die Parks integriert werden, dass sie die RĂ€ume nicht dominieren.

URBANE NATUREN

Die Vegetationen der Tegeler Forste könnten ‚en mineature‘ aber differenziert in viele der neuen FreirĂ€ume eingebracht werden – Pflanzen aus benachbarten GrĂŒnflĂ€chen und Stadtteilen bereichern das Bild. So könnte eine attraktive Abfolge unterschiedlicher und aus dem Ort abgeleiteter Vegetationstypologien entstehen, die Bewohner und Besucher durch abwechslungsreiche LandschaftsrĂ€ume geleitet.

_Landschaftspark _
Linden bestĂŒcken die Nordallee des Flugfeldes, eine Mischung standortangepasster Baumarten charakterisiert die östlichen Baumfilter des Landschaftsparks und den SĂŒdrand der Start- und Landebahn. Die große FlĂ€che des Feldes dahingegen soll erhalten und im westlichen Teil vorsichtig weiterentwickelt werden. Nur die bespielbaren zentralen Wiesen und RasenflĂ€chen könnten intensiver verĂ€ndert werden.

_Quartierspark _
Die SĂŒdpromenade im Zentrum des Schumacher-Quartiers erhĂ€lt Kiefern und Eichen, Weiden sind ideal fĂŒr den Baumfilter in seinem Westen. BlĂŒhende BĂ€ume, wie Paulownien, Liquidamber und andere ĂŒberstellen die Nordpromenade. Die zentrale Wiesen- und Rasenzone wird mit einer robusten Grasmischung als intensiv bespielbare ParkflĂ€che erstellt. Die temporĂ€r gefluteten Bereiche im Osten sind dahingegen als Feucht- und Nasswiesen, teilweise sogar als GewĂ€sserrandvegetation denkbar.

GENUTZTES BAUMATERIAL

Ein konsequenter Upcycling-Prozess (C2C) vorhandener Materialien sichert die Geschichte des Ortes und reduziert den Einsatz neuer Baustoffe. Die OberflĂ€chenmaterialien des Flughafens – Asphalt und Beton – werden, wo immer möglich, brut herausgesĂ€gt und wiederverwendet. Ihre OberflĂ€chen bleiben 1:1 erhalten und lassen ihre Geschichte im Park sichtbar werden. Mal sĂ€gt man sie in möglichst lange und dicke, mal kompakte, kleinere Platten und verwendet diese im Park unverĂ€ndert und in gleicher Ausrichtung wieder. Sie dienen als robuste, neue OberflĂ€chen, als BĂ€nke und Tische, Einfassungen und Mauern. Alle nicht up-cyclebaren Anteile, vermutlich mehr als die HĂ€lfte, werden so weit wie möglich als Unterbauten oder Zuschlagsstoffe recycled.

Manche Wege werden prĂ€zise aus den Taxiways herausgeschĂ€lt. Das spart teilweise deren Abriss, darĂŒber hinaus auch deren Neubau und bietet wiederstands- und alterungsfĂ€hige Alternativen zu Neuausstattungen an.

Der RĂ€nder der erhaltenen Start- Landebahn werden dahingegen nur aufgebrochen – Asphalt- und Betonschollen verbleiben am Ort. In den Fugen entsteht ein besonderer Bewuchs, der im Norden den Schutz des großen Flugfeldes stĂ€rkt, im SĂŒden einen starken Baumfilter zum UTR ermöglicht.

Die Leuchtfeuer der nördlichen Runway werden als besondere Attraktion im Zentrum erhalten und nur mit milderen Leuchtmitteln bestĂŒckt. Auch die weitere Flughafenbeleuchtung könnte vielleicht wiederverwendet werden.

LINEARER WEITER RAUM - LANDSCHAFTSPARK

Das verbleibende Flugfeld bleibt nach Westen frei von Einbauten und feiert den fast 4 Kilometer offenen Stadtraum. Eine Lindenallee begleitet im Norden. Teils geht man auf ausgeschnittenen FlĂ€chen der alten Taxiways und kann die intensiven Flugzeugbewegungen, Starts und Landungen der Vergangenheit erfĂŒhlen. SĂŒdlich markiert die alte Flugpiste den lĂ€ngsten Platz Berlins.

Die Start- und Landebahn wird Verbindungs-, Sport-, Aktions- und Schutzraum. Leichte Architekturen aus ĂŒppig mit Kletterpflanzen bewachsenem Zaunwerk, schĂŒtzen FlĂ€chen fĂŒr Sport und Freizeit und formen sanfte ÜbergĂ€nge von den offenen GrĂŒnflĂ€chen auf dem Flugfeld zu den Nordseiten der Bauten der UTR.

Querende Wege, zuletzt auf FlĂ€chen des in der Breite deutlich reduzierten östlichen Taxiway, strukturieren den Großraum nach Osten in immer intensiveren erst Wiesen-, dann RasenflĂ€chen, die zu freien Sport- und FreizeitaktivitĂ€ten einladen. Wie im Masterplan sollen die versiegelten FlĂ€chen des Flughafens deutlich reduziert werden.

Vor der neuen Bebauung des Schumacher-Quartiers erinnern parallel angeordnete Baumlinien, sanfte HĂŒgel und leichte Vertiefungen, Wiesen und HeideflĂ€chen an die vergangenen Start- und Landebewegungen auf dem Flugfeld. Sie schĂŒtzen die Besucher und das neue Quartier vor den wechselnden klimatischen Bedingungen des offenen Raums, bieten Schutz und menschlichen Maßstab. Gleichzeitig beinhalten sie ökologische Programme, deren Aufgabe es ist, die faszinierende BiodiversitĂ€t auf den Flugfeldern vielfĂ€ltig ergĂ€nzen. Nur BĂ€ume und StrĂ€ucher tanzen aus der Reihe, symbolisieren die neue Zeit und bieten Schutz vor dem Klima und den Dimensionen der vergangenen Nutzung.

Entlang der Westfassaden des Schumacher-Quartiers sind leicht erreichbare AneignungsflĂ€chen fĂŒr die Bewohner des Schumacher-Quartiers vorgesehen, in denen es sich gut gĂ€rtnern und vielleicht ackern lĂ€sst. Hier werden auch quartiersnahe SpielplĂ€tze eingepasst.

Im sĂŒdlichen Abschnitt wird vorgeschlagen auf dem verbleibenden Teil der sĂŒdlichen Start- und Landebahn eine GewĂ€chshausstruktur zu erreichten, in der ein Treff und Lernzentrum fĂŒr Gartenarbeit, kommunale AktivitĂ€ten und vielleicht sogar ein GĂ€rtnerstĂŒtzpunkt fĂŒr die neuen Parkanlagen seinen Platz findet.

QUARTIERSRÄUME - QUARTIERSPARK

Zwischen Flugfeld und Dreieck entsteht ein attraktiver Verbindungsraum, der die Signale des Flugfeldes erhĂ€lt und mit einem großflĂ€chigen Erikateppich untermalt. Beginn und Ende vieler Flugreisen werden zu einem eher ruhigen Raum zwischen Wohnbebauung. Die ehemalige Befeuerung der Start- und Landebahn vermittelt leicht glimmend zwischen den unterschiedlichen Parks und ist vielleicht konsequentester Erhalt und Weiterentwicklung des Bestandes, inmitten der neuen Bebauung.

Dem offenen Dreieck im Quartier wird ein ebensolcher Rasen- und Wiesenraum eingeschrieben – die Weite des Flugfeldes deutet sich an. Die FlĂ€che wird entlang intensiv bespielbarer Sitzstufen leicht nach Osten abgesenkt und bietet viel großzĂŒgigen Raum fĂŒr Freizeit, informellen Sport und Veranstaltungen aller Art. Gleichzeitig schafft sie aber auch einen großen Retentionsraum mit besonderer Vegetation.

Eine gerĂ€umige und mit BlĂŒtenbĂ€umen ĂŒberstandene, offen begehbare Nordpromenade fĂŒhrt den Raum zum Flugfeld. Eine lange Bank begleitet den gemeinschaftlichen Raum und bringt die verschiedenen Bewohner des neuen Viertels zusammen. Hier lernen Kinder das Fahrradfahren, man kann Boule spielen, hier begegnen sich Familien und Besuchergruppen – eine klassische, zentrale PromenierflĂ€che fĂŒr die BĂŒrger der Stadt und ein adĂ€quater Auftakt fĂŒr die große Achse der ehemaligen Start- und Landebahn des Tegeler Flughafens!

Eine intensiv bespielbare SĂŒdpromenade, mit vielen GĂ€rten, großen SpielplĂ€tzen und integrierten Retentionsbereichen, verbindet die StadtteilplĂ€tze des Viertels und bietet unter hoch aufgeasteten Kiefern und Eichen AneignungsrĂ€ume fĂŒr die kreativen AktivitĂ€ten der Bewohner. Ein leichter Glaskörper am Westende wird StadtteilcafĂ© oder Kiosk und besonderer Treff und Organisationsraum fĂŒr die freien AktivitĂ€ten der BĂŒrger. Am Ostende könnte ein intensiver gestalteter Retentionsraum mit temporĂ€ren Wasserspielen den neuen Park eröffnen.

Ein heller Baumfilter bildet den westlichen Rahmen des Dreiecks, nimmt Regenwasser des westlichen Quartiersteils auf und verbindet nördlich- und sĂŒdlich angrenzende StadtrĂ€ume. Gleichzeitig ist er ökologischer Sonderbereich fĂŒr extensive Stauden und StrĂ€ucher, RĂŒckzugsraum fĂŒr Tiere und kleine Menschen – ein informeller Spielplatz und Versteckraum.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf basiert auf der Grundidee, die Geschichte des Ortes im Sinne einer „historischen LinearitĂ€t“ an unterschiedlichen Stellen erlebbar zu machen. Die neu gestalteten Parkanlagen werden als Bestandteil des Berliner Netzwerks von FreiflĂ€chen angesehen.

Die Start- und Landebahn wird punktuell aufgebrochen und mit einer Vielzahl von SportaktivitĂ€ten versehen. Der Standort fĂŒr diese eher lauten Nutzungen wird begrĂŒĂŸt, die Anzahl und die Art der rĂ€umlichen Abgrenzung mit Boxen und begrĂŒnten „KĂ€figen“ wird kritisch gesehen. Der Landschaftspark selbst wird als offene Landschaft verstanden, die punktuell informelle AktivitĂ€ten aufnehmen kann. Die Nord-SĂŒd-Spange mit dem zurĂŒckgebauten Taxiway und einer markanten Erdmodellierung aus flachen HĂŒgeln und AneignungsflĂ€chen stellt einerseits einen interessanten Beitrag zum Übergang von Bebauung und Freiraum sowie zum Bodenmanagement dar, wirft andererseits aber auch kritische Fragen hinsichtlich einer Barrierewirkung auf. Die Rad- Schnell-Verbindung in Nord-SĂŒd-Richtung ist gegeben.

Das Gelenk zwischen Landschafts- und Quartierspark wird durch den „Erikateppich“ gebildet, der in Verbindung mit seinem Wegesystem einen interessanten Trittstein zwischen den unterschiedlichen TeilrĂ€umen herstellt.

Der dreieckige Quartierspark mit einer offene Rasen- und WiesenflĂ€che in der Mitte wird durch eine Nord- und SĂŒd-Promenade eingefasst. Im Norden ist ein fließender Übergang zwischen der befestigten Promenade und dem offenen Freiraum geplant, der gestalterisch und funktional kritisch gesehen wird. Ein kleiner Vorplatz an der Spitze des Quartierparks bildet den Auftakt zu den mit BlĂŒtenbĂ€umen ĂŒberstandenen AktivitĂ€tsbĂ€ndern.

Der Entwurf lĂ€sst eine deutliche gestalterische Handschrift erkennen, wobei einzelne Elemente und TeilflĂ€chen ĂŒberdesignt erscheinen. Den Umweltbelangen wird mit den RetentionsflĂ€chen sowie den ökologischen Sonderbereichen fĂŒr extensive Stauden und StrĂ€ucher Rechnung getragen. Die Überlegungen zum Recycling und zur Wiedernutzung von Baumaterialen werden gewĂŒrdigt.

Insgesamt stellt der Entwurf einen interessanten Beitrag dar, der sich intensiv mit den Gegebenheiten des Ortes auseinandersetzt und gestalterische Antworten liefert, die in der Ausformulierung und im Detail nicht ganz ĂŒberzeugen können.