modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 07/2020

Freiraumgestaltung des Lohgrabens in Coburg

Der Lohgraben als Ort zum Entdecken

Der Lohgraben als Ort zum Entdecken

1. Preis

Preisgeld: 23.000 EUR

A24 Landschaft

Landschaftsarchitektur

Leon Giseke

Visualisierung

Erläuterungstext

GRÜNBLAUES BAND DURCH DIE INNENSTADT

Der Lohgraben spannt sich zwischen den wichtigen städtischen Achsen Hindenburgstraße und Steinweg auf. Mit seiner geschwungenen, mäandrierenden Form ist der heutzutage verrohrte Verlauf des Hanhflusses noch immer deutlich im Stadtbild ablesbar. Damit steht der Lohgraben in einem interessanten Kontrast zur Linearität der flankierenden Wegeachsen.

Der Lohgraben befindet sich an der Schnittstelle zwischen kleinkörniger mittelalterlicher Stadtstruktur und großmaßstäblichen Bauten der Nachkriegsmoderne. Dieses Spannungsfeld aus unterschiedlichen Maßstäblichkeiten und Materialitäten trägt zur Unverwechselbarkeit des Ortes bei. Die Raumfolge aus Badergasse, Lohgraben, Schenkgasse und Gerbergasse bildet nicht nur eine durchgängige Wegeverbindung für Fußgänger und Radfahrer sondern schafft eine charakteristische Raumfolge mit eigener Identität. Der mäandrierende Verlauf begünstigt eine kleinteilige Raumfolge, die sich nicht bereits auf den ersten Blick erschließt, sondern Stück für Stück entdeckt werden will. Eine szenische Abfolge aus kleinen Plätzen schafft Ankerpunkte und Rückzugsräume zum Aufenthalt.


WANDEL VOM VERKEHRSRAUM ZUM STADTRAUM

Der gesamte Straßenraum wird als Shared Space aus einem durchgehenden Pflasterbelag angelegt und wandelt sich somit deutlich vom verkehrsdominierten, funktionalen Straßenraum hin zu einem fußgängerfreundlichen, belebten Stadtraum für Alle. Gestalterisch ordnet er sich klar dem Bereich der Fußgängerzone zu und verlängert die (weitestgehend) autofreie Innenstadtzone bis an die Hindenburgstraße. Sowohl die notwendigen Anwohner- und Anlieferverkehre (wie die Zufahrt zum Ladehof des Kaufhauses) als auch die Tiefgaragenzufahrten in Schenkgasse und Badergasse werden gestalterisch zurückhaltend integriert. Während der Lohgraben weiterhin für Anwohner im Einrichtungsverkehr im Schritttempo befahrbar ist, wird der ruhende Verkehr komplett aus dem öffentlichen Raum verlagert.

Kleine Plätze aus großformatigen Natursteinplatten heben sich von den feinkörnigen Natursteinpflaster-flächen der Wege ab und schaffen eine klar erkennbare Nutzungszonierung. Der Lohgraben bietet eine alternative Wegeroute durch die Steinwegvorstadt - als Wandelgang und Flanierzone abseits des Trubels. Der vorhandene Baumbestand, insbesondere die markante Hainbuchenreihe entlang der historischen Grundstücksmauer des Post-Areals, prägt die besondere Qualität des Lohgrabens und hebt ihn von den weitgehend vegetationsfreien Stadträumen der Umgebung ab.


WASSER ALS ATMOSPHÄRISCHES RÜCKGRAT

Das Verborgene freizulegen und das Wasser wieder sicht- und spürbar an die Oberfläche zu bringen ist zentraler Bestandteil des neuen Gestaltungskonzepts. Das Thema Wasser kommt in unterschiedlicher Gestalt zum Einsatz und belebt den Außenraum – auf den Plätzen als urbane Wasserspiele und in den Gassen als üppige Wassergärten. Der Kindlesbrunnen als besonderes historisches Relikt wird seiner Bedeutung entsprechend hervorgehoben und bildet einen wichtigen Baustein entlang des ehemaligen Verlaufs des Hanhflusses.
Das fragmentierte Wasser(garten)band schafft ein blaugrünes Pendant zu den steinernen Verkehrs- und Platzräumen der Umgebung. Die Verdunstungsflächen sorgen für ein angenehmes Mikroklima und für vielfältige sensorische Eindrücke und stärken somit entscheidend die Aufenthaltsqualität. Die leicht eingeschnittenen Wassergärten dienen darüber hinaus als Regenwasserspeicher und lokale Stadtbiotope zur Erhöhung der Biodiversität.


DER LOHGRABEN ALS SOZIALER BEGENUNGSORT

Anders als in der konsumorientierten Fußgängerzone prägen den Lohgraben soziale und gemeinschaftliche Einrichtungen, die sich gut mit dem Wohnschwerpunkt vertragen. Neue Wohnbauprojekte der WSCO sorgen für eine gute soziale und generationsübergreifende Durchmischung mit Raum für unterschiedliche Lebensmodelle wie Junges Wohnen und Mehrgenerationenwohnen. Die neuen städtebaulichen Setzungen, wie beispielsweise das Seniorenpflegeheim auf dem ehemaligen Post-Areal, sorgen für belebte Erdgeschosszonen, beispielsweise mit Gastronomienutzungen. Der neue Zugang zum Kaufhaus schafft einen wichtigen Ankerpunkt am südlichen Ende des Lohgrabens. Die geplante barrierefreie Verbindung zwischen Post-Areal und Steinweg mit öffentlichem Aufzug stärkt wesentlich die Querverspannung mit den angrenzenden Stadträumen. Ein Teilabbruch der denkmalgeschützten Grundstücksmauer stärkt die Verzahnung von Seniorenzentrum und öffentlichem Raum. Ein neues Wiesenband zeichnet den ehemaligen Verlauf nach und intergiert die verbleibenden Segmente. Der Hauptzugangsbereich zum Seniorenzentrum mit Außengastronomie schafft ein einladendes Entree.


SZENOGRAFISCHE INSZENIERUNG

Die erhaltenen Fachwerkhäuser der ehemaligen Lohgerber prägen noch heute das Erscheinungsbild des Lohgrabens. Der tiefer liegende Kindlesbrunnen an der Brunngasse ist einziges Relikt dieser ursprünglichen Handwerkstradition.

Die Gerberhäuser erhalten kleine Vorplatzsituationen. In Anlehnung an die eigentliche Nutzung des Lohgrabens durch die Handwerksberufe der Gerber und Färber unterstützen Farben die Inszenierung der historischen Orte und transportieren das Thema atmosphärisch in die heutige Zeit. Das Farbspektrum reicht von blassgelb bis tiefrot und wird bei verschiedenen Aspekten des Mobiliars aufgegriffen. Die Sitzbänke auf den Vorplätzen erhalten eine farbig lasierte Holzauflage und farbig lackierte Füße. Die Leuchten werden mit individuellen Farblichtspots bestückt und tauchen den Lohgraben in den Abendstunden in ein subtiles, geheimnisvolles Licht.

Aufgrund des beengten Straßenraums kommen Lichtstelen vom Typ City Elements der Firma Hess zum Einsatz. Die modulare Bestückung mit unterschiedlichen Lichtpunkten kann situationsbedingt auf die spezifischen Ansprüche reagieren – den Straßenraum ausleuchten aber auch durch Lichtspots gezielt Einzelaspekte hervorheben. Neben der funktionalen Ausleuchtung kommen atmosphärische Lichteffekte zum Einsatz, die dem Raum in den Abendstunden etwas Geheimnisvolles und Spielerisches verleihen - farbiges Licht an den Gerberhäusern, Bodenstrahler in den Wassergärten und Lichtpunkte in den Baumkronen.


VORPLATZ POSTAREAL ALS STADTRÄUMLICHER ANKERPUNKT

Der Straßenquerschnitt der Hindenburgstraße wird angepasst, die Farbahnen reduziert und um seitliche Fahrradschutzstreifen ergänzt. Über die gesamte Breite zwischen Bader- und Schenkgasse wird der Straßenbelag farblich abgesetzt und erlaubt eine ebenerdige Querung für Fußgänger. Dem Autoverkehr wird durch den Belags- und Farbwechsel signalisiert, dass dieser sich unterzuordnen hat. Straßenseitig werden die Bushaltestelle und acht PKW-Stellplätze integriert. Die drei Behindertenstellplätze werden in der Schenkgasse platziert.

Auf die ehemalige Vorfahrt an der Post wird zugunsten einer großzügigen zusammenhängenden Platzfläche verzichtet. Die bestehende Baumreihe bleibt erhalten und wird in ein grünes Patchwork aus Wiesenflächen, Rasenpflaster und Sitzelementen integriert.


ENTREE NORD

Ein platzartiger Auftakt stärkt das nördliche Entree in den Lohgraben. Der Platz reiht sich als Baustein in die gesamte Platzfolge ein. Dementsprechend kommt das wiederkehrende Vokabular aus großformatigen Natursteinplatten, Sitzbänken mit Holzauflage und bodengleichem Wasserspiel zum Einsatz. Die Bestandsbäume werden in die Platztopgrafie integriert. Die Heiligkreuzstraße wird niveaugleich als verkehrsberuhigter Abschnitt geführt und somit die Trennwirkung nach Norden wesentlich verringert.

Die bestehende Platzfassade könnte um einen Arkadengang erweitert werden und somit einen stadtbildprägenden Architekturstil weiterführen. Gleichzeitig würde so auch ein witterungsgeschützter Wartebereich für den Bus geschaffen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf fügt sich mit größter Sorgfalt in die bestehende Situation ein. Auf städtebaulicher Ebene werden auf sinnvolle Weise Baukörper ergänzt, so dass die bestehenden Freiräume und Passagen eine räumliche Fassung erhalten. Hierbei wird auch eine neue Verbindung vom Steinweg durch den Neubau des Seniorenheims geführt und südlich des
Postgebäudes mit einem Platz empfangen. Auch die vorhandenen Arkaden an der Heiligkreuzstraße werden thematisch aufgegriffen und bilden eine vielversprechende neue Raumkante für den Platz am Übergang zum Steinweg.

Die Flächen des Lohgrabens erhalten eine einheitliche Pflasterung aus Naturstein, in welche die Platzflächen durch Natursteinplatten als besondere Orte hervorgehoben werden. Hierdurch entsteht eine wohl proportionierte Abfolge von Raumsituationen, die durch Wasserspiele und Sitzangebote eine große Aufenthaltsqualität versprechen. Geschickt ist in
diese Raumfolge auch der Entreeplatz für das neue Seniorenwohnheim sowie der Eingangsbereich des Kaufhofes eingebunden.
Die historischen Gerberhäuser erhalten jeweils Vorzonen aus gefärbtem Beton. Im Bereich des Kindlesbrunnen wird in dieser Vorzone durch Sitzstufen auch der Höhenunterschied zu dem ehemals tiefer liegenden Eingang bewältigt. Diese Durcharbeitung vermisst das Preisgericht bei den weiteren historischen Gebäuden, die in der Fläche versunken wirken.

Atmosphärisches Thema des Entwurfes ist das Wasser des ehemaligen Hahnenflusses. Von seiner historischen Funktion befreit, erscheint er in dem Entwurf als blaugrünes Vegetationsband, das die Niederschläge der angrenzenden befestigten Flächen aufnimmt und somit eine ökologische Bedeutung gewinnt. Dadurch gelingt dem Verfasser, an die identitätsstiftende Historie des Ortes anzuknüpfen, diese aber gleichzeitig in eine zeitgemäße Form und Funktion zu überführen.

Insgesamt handelt es sich um einen sehr gut durchgearbeiteten Beitrag, der mit Feingefühl den historischen Bestand mit präzisen neuen Setzungen vereint. Die dadurch entwickelte Freiraumqualität verleiht dem innenstadtnahen Wohnen in Coburg eine neue Attraktivität.
Gesamtkonzept M 1:500

Gesamtkonzept M 1:500

Stadtachsen und Blaugrüne Bänder

Stadtachsen und Blaugrüne Bänder

Entree Nord mit neuen Platzarkaden

Entree Nord mit neuen Platzarkaden

Stadtplatz mit Wasserspiel und Gasse mit Wassergärten

Stadtplatz mit Wasserspiel und Gasse mit Wassergärten

Wassergärten Regenwasserspeicher und Stadtbiotop

Wassergärten Regenwasserspeicher und Stadtbiotop

Wassergärten Regenwasserspeicher und Stadtbiotop

Wassergärten Regenwasserspeicher und Stadtbiotop

Der Lohgraben als kommunikativer Begegnungsort

Der Lohgraben als kommunikativer Begegnungsort