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Offener Wettbewerb | 09/2020

Neugestaltung des Kaiser-Josef-Platzes in Wels (AT)

3. Rang / Preis

Preisgeld: 11.000 EUR

OSNAP Open South North Architecture Practice ZT GmbH

Architektur

PlanSinn Planung und Kommunikation GmbH

Stadtplanung / Städtebau

David Knapp

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

KONZEPT

Als einer der zentralen urbanen Plätze von Wels, mit der wichtigen Funktion als Busdrehscheibe, kommt diesem eine bedeutende Rolle in der Stadt zu. Der KJ soll als großzügiger Platz, auf dem sich die überlagernden Nutzungsansprüche ergänzen, zu neuer Blüte finden. Der derzeit sehr fragmentierte KJ wird aufgeräumt und wieder zu einer Einheit zusammengefügt. Wie auf den historischen Abbildungen wird der Platz erneut zu einem offenen Feld, welches von einer Randbebauung gefasst ist und auf dem sich verschiedene Nutzungen verankern lassen. Um eine erneute Fragmentierung zu vermeiden werden Konzentrationen von Funktionen so weit wie möglich vermieden. Der Fokus liegt auf struktureller Offenheit und Durchgängigkeit.

FREIRAUM

Der lineare, von einmündenden Straßen rhythmisierte Platz wird durch eine einheitliche Oberfläche (gelblichweißer Asphalt) zu einer neuen Einheit vereint. Der Platz streckt seine Fühler in die einmündenden Straßen aus und vernetzt die Stadt mit dem KJ neu. Bestehendes Pflastermaterial wird recycliert und markiert an den Übergängen als Aufmerksamkeitsfeld den neuen KJ. Flache barrierefreie Betonmulden und durchwegbare Versickerungsmulden strukturieren den Platz und bieten Orientierung für den fließenden Verkehr. Die neue Busdrehscheibe mit nach außen orientierten Haltestellen und Dächern erzeugen fließende Übergänge zum umgebenden städtischen Raum. Fragmente der zentralen Überdachung sind über den gesamten KJ verstreut. Sie markieren die Tiefgaragenabgänge, Toilettenanlage und Mobility-Points, und bieten Schutz vor Sonne und Regen. Die Dächer und die dreidimensional bepflanzten Versickerungsmulden strukturieren den Raum.

PLATZ FÜR MOBILITÄT

Die durchgehende Begegnungszone bietet qualitative Bewegungsräume für alle Verkehrsteilnehmer und hohe Aufenthaltsqualität auf dem gesamten KJ. Ankommen, Verweilen und Abfahren stehen nicht weiter im Wiederspruch. Wegbeziehungen sind nicht vom Planer vorbestimmt sondern folgen individuellen Handlungsmustern. Radabstellplätze, MIV-Haltezonen und Ladezonen sind in regelmäßigen Abständen über den Platz verteilt. Die MIV-Stellplätze befinden sich in der Tiefgarage. Die Tiefgarage wird durch besser sichtbare Tiefgaragenabgänge, einem neuen Farbkonzept und den Sharingangeboten sichtbarer und attraktiver gemacht. Die teilweise nicht vollgenutzte Ressource ´Tiefgarage´ leistet einen wesentlichen Beitrag zur Stellplatzentlastung an der Oberfläche - 61 Stellplätze an der Oberfläche können abmarkiert oder flexibel anderen Neunutzungen zugeführt werden. Ein in der Platzmitte angeordneter Mobility Point für Angebote der Shared Mobility (Carsharing, Bikesharing, Dockingstationen für Lastenräder im SB-Verleih, E-Scooter, Infoterminal) erweitert das Mobilitätsangebot der Stadt Wels.

PLATZ FÜR WIRTSCHAFT UND KULTURELLE BEGEGNUNG

Der gesamte KJ wird zur urbanen Drehscheibe von Wels. Der Handel und die Gastronomie profitieren von der hohen Frequenz und der neuen Aufenthaltsqualität, den fließenden Übergängen zu den Haltestellen und den 3.5 - 4 m breiten Funktionsflächen entlang der EG Zonen. Wenn erwünscht werden Parkplätze zu Schanigärten oder umgekehrt. Zusammenhängende Flächen beim Denksteinplatz und dem Wasserspielplatz können als temporäre Marktplätze genutzt werden.

PLATZ FÜR LEBEN

Die räumlichen Differenzierungen und strukturelle Offenheit des Platzes erzeugen verschiedene Milieus die offen für Aneignung sind. Haine sind konsumfreie Zonen mit hoher Aufenthaltsqualität. Zugleich docken sich die Schanigärten an. Der städtische Raum um den Busbahnhof ist attraktiver Wartebereich. So wie die räumlichen Zonen verschwimmen, verschwimmen die Rollen der urbanen Akteure.

PLATZ FÜR GESTALTUNG

Grüne Infrastruktur

Das bestehende Baumgerüst wird erhalten und soweit es möglich ist (Tiefgarage, Einbauten) verdichtet. Als Bäume erster Ordnung fungieren großkörnige Gleditschien (G.t. inermis). Diese robuste Art für die heiße Stadt wird von Wels bereits eingesetzt. Neu- und Ersatzpflanzungen werden mit dieser etwas später austreibenden Art getätigt. Das gefiederte Blatt erzeugt einen sehr angenehmen Schatten, das zart gelbliche Herbstlaub und die attraktiven Fruchthülsen setzen am Ende der Vegetationsperiode ein Ausrufezeichen. Als zweite Baumart kommt Blasenesche zum Einsatz. Diese markante Art (Blüte, Früchte und Herbstlaub) nimmt Bereiche am Platz ein, die besondere Funktionen markieren (Versickerung, Aufenthalt, Verweilen, Stauden- und Gräserrabatte). Diese werden in kleinen Gruppen gesetzt bzw. Gleditschien an geeigneten Standorten beigestellt.

Die Aufgänge aus der Tiefgarage werden von Pergolen überstellt und mit Glyzinien bepflanzt. Als zweites vertikales Vegetationselement tragen diese Kletterpflanzen mit eindrucksvoller Blüte Anfang Mai auch einen markanten Beitrag zur Orientierung (TG, spezielle Mobilitätsangebote, Infopoint, etc.). Vertikales Grün könnte auch an der Westfassade des Semperit-Hochhauses einen Kontrapunkt setzen und es wird auch ein Förderprogramm für vertikales Grün an anderen Privathäusern am KJ empfohlen.

Die besonderen Zonen werden als sanfte versicherungsfähige Mulden ausgeformt. Extensive Gräser & Stauden, Verweilangebote (Holzdecks & Bänke) und schattenspende Bäume markieren diese mehrfach am KJ vorgesehenen Bereiche. In den Mulden wird helles leicht gewalztes Kantkorn für die Versickerungen eingesetzt. Diese Bereiche stellen keine Barrieren für FußgängerInnen dar, sondern sind durchwegbar.

Die Dächer werden mit extensiver Dachbegrünung versehen. Sie reduzieren Oberflächenwässer durch Speicherung und Verdunstung, bilden ein visuelles Element für Ausblicke aus den Obergeschossen und fungieren als Sekundärlebensraum für wärmeliebende Insekten.

Blaue Infrastruktur

Weiters ist nahe der Einmündung der Rainerstraße und beim Denksteinplatz eine Zone für temporäre Märkte vorgesehen. Diese Aufweitungen sind mit steuerbaren, bodengleichen Wasserdüsen (Verdunstung, Spiel im Sommer) ausgestattet.

Graue Infrastruktur

Der gelblichweiß gefärbte Asphalt wird von flachen barrierefreien Betonmulden (Wasserführung) und mit Flachbandstahl abgesetzten Versickerungsmulden mit hellen leicht gewalzten Kantkorn durchzogen. Markierungen sind als deutliche aber zurückhaltende Fräsungen (Stellplätze, Haltezonen, Taxistandplatz, etc.) umgesetzt.

Bei den (nach einem verordneten Aufschließungsverbot) zu erwartenden Grabungsarbeiten zwischen den Häuserzeilen und der Tiefgarage wird folgende Reparaturmethodologie vorgeschlagen: Erneuerung von ganzen Feldern zwischen Häusern und gestaltgebenden Platzelementen (Baumscheiben, Betonmulden und Versickerungsmulden) anstatt punktueller oder linearer Erneuerung. Temporäre Reparatur mit historischen Pflastersteinen bis sich genügend Flächen für eine neue Farbmischung akkumuliert haben.

Möblierung und Ausstattung

Öffentliches Mobiliar (Sitzbänke, Decks) aus vorgefertigten Holzelementen ist in regelmäßigen Abständen über den Platz verteilt. Bewegliches Mobiliar wird saisonal vom Handel und der Gastronomie dazugestellt.

Bei der Busdrehscheibe und bei der im Abschnitt West gelegenen Tiefgaragenabfahrt befinden sich digitale Infoscreens. Diese werden mehrfach genutzt (Anzeige der Buslinien und Abfahrtszeiten, Stellplatzanzeige für die Tiefgarage, Veranstaltungen, Kunstprojekte, Werbung, etc.). Am Denksteinplatz und im Abschnitt Mitte steht jeweils ein Trinkbrunnen.

Freistehende Mastleuchten entlang der Mehrzweckstreifen erzeugen eine effiziente und blendfreie Grundbeleuchtung. Der Denksteinplatz wird mit 4 Mastleuchten ausgeleuchtet und die Busdrehscheibe mit einem atmosphärischen Licht sanft in Szene gesetzt.

PLATZ FÜR VERKEHR

Die Neuorganisation des Stadtbusterminals entflechtet die Verkehrsströme am Knoten Bahnhofstraße/Pfarrgasse/Stelzhammerstraße wodurch die derzeitige VLSA aufgelassen werden kann.

Eine zukünftige weitere Aufwertung des Bereiches zwischen dem Stadtbusterminal und dem Denksteinplatz kann ohne bauliche Eingriffe jederzeit umgesetzt werden: z.B. durch die Führung der Busse in beiden Richtungen über die Stelzhammerstraße oder der Unterbindung der Querung des Denksteinplatzes für den MIV von der Bahnhofstraße kommned (nur Rechtsabbiegen in den Kaiser-Josef-Platz möglich). Die nicht zentrumsverträgliche Querschnittsbelastung von rund 7.600 Kfz (DTVw) in der Bahnhofstraße könnte in diesem Fall durch die Einführung einer gegenläufigen Einbahn in der Bahnhofstraße ab der Kreuzung Rablstraße und Umdrehung der Einbahn in der Maximilianstraße auf direktem Weg zur höherrangigen Roseggerstraße abgeleitet werden. Diese Maßnahmen würden zugleich die Aufenthaltsqualität in der Bahnhofstraße deutlich erhöhen.

Die Begegnungszone als Kernelement zur Geschwindigkeitsreduktion am Platz beginnt im Osten an der Kreuzung Roseggerstraße/Stelzhammerstraße und im Westen an der Kreuzung Dr.-Salzmann-Straße/Kaiser-Josef-Platz. In der Bahnhofstraße sollte die Begegnungszone bis zum Martin-Luther-Platz hineingezogen werden, eine weitere Ausdehnung bis zur Rablstraße wird jedoch empfohlen. Zur optischen Geschwindigkeitsreduktion werden an den Einfahrtspunkten zur Begegnungszone die historischen Pflastersteine in einem breiten Streifen verlegt. Darüber hinaus wird in der Begegnungszone nördlich des Busterminals am Kaiser-Josef-Platz die Möblierung unregelmäßig und nicht linear angeordnet, um eine optische Geradlinigkeit zu brechen und die Geschwindigkeiten gering zu halten. Eine einheitliche Oberfläche der Begegnungszone verhindert eine Dominanz des MIV, die durch Ausweisung von eigenen Fahrbahnen entstehen würde.

Der Radverkehr wird am gesamten Platz im Mischverkehr geführt, in den Bereichen der Einbahnen als Radfahren gegen die Einbahn ohne Bodenmarkierung.

Die Taxistandplätze werden platznah in die Seitengassen verlegt und strategisch auf 3 Standorte gleichmäßig von West nach Ost verteilt, wobei eine schnelle Zu- und Abfahrt in alle Richtungen gewährt ist.

Zur weiteren Stärkung des Welser Zentrums für ÖV-Nutzer*innen aus der Region ist eine Aufwertung des Regionalbushalts vorgesehen. Es entsteht ein attraktiver Aussteigepunkt mit Möblierung und Dach. In diesem Sinne wird auch vorgeschlagen, die Linien 504, 506, 640 und 646 in Zukunft in beiden Richtungen über die Rainerstraße und den Kaiser-Josef-Platz zu führen und in der Rainerstraße/Ecke Kaiser-Josef-Platz dafür eine weitere Bushaltestelle einzurichten (die Taxistandplätze sind in diesem Falle in der Rainerstraße zu verschieben).

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt versucht den heute sehr fragmentierten Kaiser Josef Platz wieder zu einer Einheit zusammenzufassen. Ein offenes Feld entsteht, welches von den Randbebauungen gefasst wird. Der Fokus liegt auf struktureller Offenheit und Durchgängigkeit. Die räumlichen Differenzierungen durch subtile Eingriffe in der Oberflächengestaltung, barrierefreie Betonmulden und durchwegbare Versickerungsmulden erzeugen verschiedene Milieus mit hoher Aufenthaltsqualität und werden von der Jury gewürdigt.

Die durchgehende Begegnungszone bietet qualitative Bewegungsräume für alle Verkehrsteilnehmer. Verkehrskonzept, Anlieferung bzw. Ladezonen sind stimmig umgesetzt. Kritisch wird hingegen im Vergleich zu anderen Entwurfsansätzen das Queren der Busstellplätze gesehen.