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Offener Wettbewerb | 03/2022

Neugestaltung Spitzgarten auf der Klosterinsel Rheinau (CH)

Projekt «millefleurs»

Projekt «millefleurs»

1. Rang / 1. Preis

Preisgeld: 30.000 CHF

Krebs und Herde GmbH

Landschaftsarchitektur

PARK Architekten

Architektur

OePlan GmbH

Landschafts- / Umweltplanung

bunterhund KLG

sonstige Fachplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Dem Projektvorschlag liegt ein sorgfältiges Studium der historisch gewachsenen Situation zugrunde, das die Grundlage einer konzeptionell stringenten Haltung für die gestalterischen Entscheide bildet. Das Territorium als Palimpsest zu verstehen, heisst für das Verfasserteam, die bisherigen Entwicklungen der baulichen Strukturen auf der Klosterinsel Rheinau als steten Prozess der Erhaltung und Erneuerung zu sehen. Diese Art der Überschreibung und Neuformung wird mit respektvollem Blick auf die historische Substanz und unter Berücksichtigung von vorgefundenen Spuren und unsichtbaren Gewissheiten fortgesetzt. Das Fundament der erosionsbeständigen Felsrippe, auf der die Klosteranlage erstellt wurde, ist Zeuge der ursprüngliche Gestalt der Insel und bildet die formal präzise Vorgabe für den ummauerten, religiösen Bezirk mit innerem Konventgarten und Klosterhof. Der Sichtbezug zum gegenüberliegenden Wirtschaftshof mit Abtei, Klosterplatz und Gartenanlagen ist wesentlich für die Wahrnehmung der Gesamtanlage, ein ortsbauliches Ensemble, das von der künstlichen Regulierung der Flusslandschaft beeinflusst wird. Die Nutzungstransformation der Anlage hin zu einem Ort der öffentlich zugänglichen Kulturaktivitäten schlägt sich gestalterisch und funktional in Form einer Aneigenbarkeit der Räume nieder. Die Methodik des Verfasserteams lässt sich als reversible Eingriffsstrategie umschreiben, die schrittweise einzelne Umsetzungsmassnahmen aufgrund einer gesamtheitlichen Überlegung zulässt. Die Anreicherung mit umfassenden Vorschlägen von neuen Naturwerten ist ein wichtiges Anliegen. Fragmentarische Zustände von Teilbereichen in Übergangsphasen sind Teil der konzeptionellen Haltung und werden in Kauf genommen.

 

Die Lesart der Anlage konzentriert sich freiräumlich klar auf das spezifische Geschehen innerhalb und ausserhalb der muralen Umfriedung. Die Differenzierung zwischen innerem Klosterbezirk und äusserem Landschaftsraum wird zum gestalterischen Thema einer expliziten Freiraumtypologie: Die den klösterlichen Regeln folgende Ordnung des inneren Spitzgartens einerseits und die naturraumbezogene Gestaltung der äusseren Flussuferlandschaft andererseits, die nachträglich als Aufschüttung realisiert wurde. Die Fortführung der Umfassungsmauer auf der Nordseite des Konventgebäudes schliesst das Thema der Abbildung der inneren Klosterlandschaft ab. Die Zugangssituation an der Peripherie des Klosterhofes zum öffentlichen, tiefer liegenden Freiraumband entlang des Chly Rhys wird so geklärt. Die erweiterte Platzfigur des Klosterhofes umschliesst den Konvent nun als Terrassenraum bis zur Musikinsel, wie es in historischen Darstellungen aufgezeichnet ist. Die Mauer setzt sich als kontinuierliches Element bis zur Brücke über den Chly Rhy fort. Der Ufersaum dem Kanal entlang wird zum durchgehenden, die Klosteranlagen begleitenden Freiraum. Die bestehende Kanalufermauer im Abschnitt des Spitzgartens wird eingekürzt und über topografische Geländemodellierungen ein Flachuferbereich mit artenreicher Vegetation geschaffen. Ein mäandrierender Inselweg führt geschwungen bis zur Spitzkirche, Sitzgelegenheiten laden zum Verweilen ein. Die einfache, entspannte Art der niederschwelligen Gestaltung des Geländes in der Sprache des gegenüberliegenden Ufersaums artikuliert einen wohltuenden Unterschied zum durchgestalteten Spitzgarten. Die wechselseitige Sichtbeziehung über den Kanal zwischen Klosteranlage und Abtei bleibt dabei prominent erhalten. Der Verkehr und die Parkierung soll folgerichtig aus diesem Raum verbannt werden. Die geforderten Parkplätze werden alternativ jenseits des Kanals gegenüber dem Klosterplatz vorgeschlagen. Dieser Ansatz ist jedoch aufgrund des gültigen Gestaltungsplanes nicht möglich. Der Nachweis der Parkplätze gemäss Programm wird der Ordnung halber an der Aussenmauer des Spitzgartens erbracht, wobei zu überprüfen ist, diese im Bereich der verlängerten Mauer vor dem Konvent anzuordnen. Die Feuerwehrzufahrt und Vorfahrt zum Haus der Stille bleiben gewährleistet.   


Die murale Einfriedung des Spitzgartens wird, dem Leitgedanken des konsequenten Schliessens folgend, sinnvoll reprofiliert, die Durchbrüche der Zugänge verkleinert und mit Toren versehen. Eine Neuinterpretation des fehlenden Spitztürmchens als reliefierter Baukörper in Stampflehm-Stampfbetonbauweise schafft neben der historisch begründeten Ergänzung einen Anziehungspunkt für Wildbienen und Insekten aller Art. Ein neuer Durchgang vom öffentlichen Grünraum in den Spitzgarten erfolgt an der Nahtstelle der Musikinsel. Die ursprüngliche Erschliessung des Spitzgartens über den zentralen Eingang des Konventgebäudes soll nach Möglichkeit wieder aktiviert werden. 

 

Der Spitzgarten wird dem historischen Vorbild nach wieder als mauerumschlossener Baumgarten gestaltet. Ein diagonal angelegter Baumraster mit Wildobstbäumen und alten Sorten breitet sich unter Miteinbezug des bestehenden Baumbestandes feldartig aus, ein ungleich regelmässiges Ordnungssystem entsteht. Der lichte, von üppigem Grün geprägte Baumgarten vermittelt ein paradiesisches und lebendiges Bild. Sichtachsen verweisen zum Landschaftsraum und zur Musikinsel. Artenreiche Vegetationsfelder unter den Bäumen belegen als kultivierte Wiesenblumenfelder – den Millefleurs – den Garten. Eine ausgeklügelte Vegetationsmatrix soll den Garten das ganze Jahr über attraktiv erscheinen lassen. Das charakteristische Dekor der Millefleurs wurde ursprünglich für Wandteppiche der Spätgotik entworfen. Die ornamentalen Millefleurs mit vielen kleinen, gleichmässig oder uneinheitlich verteilten Blumen stellen als historisch überlieferte Szenerie oft ein Marienmotiv und einen umfriedeten Garten – auch einen Paradiesgarten – dar und verweisen damit auf den «hortus conclusus». Ein Wegnetz gliedert den Garten, ausgehend von der erhaltenen Wegachse zwischen Konvent und Spitzkirche, in massstäbliche Felder. Das Haus der Stille mit Garten wird in diese Ordnung integriert. Die Querbeziehungen sind als Rasenwege ausgebildet, die Wegachse und der peripher umlaufende Mauerweg sind chaussiert und mit mobilen Sitzgelegenheiten für den geruhsamen Aufenthalt versehen. Vor der Musikinsel bildet eine leicht erhöhte Terrainkante einen schmalen Aufenthaltsbereich mit Plattenbelag und Sitzbänken. Die Wegachse wird durch einen höher liegenden Zylinderbrunnen vor dem Konvent und einen Moosbrunnen mit Quellaufstoss vor der Spitzkirche nobilitiert. Die Brunnen sind unterirdisch mit einer Wasserleitung in natürlichem Gefälle verbunden.

 

Insgesamt handelt es sich um einen gut durchdachten Entwurf, der mit wenigen Mitteln die wesentlichen Kernaussagen der Klosteranlage verdeutlicht und weiterspinnt. Das Wesen der klar zugewiesenen und adressierten Raumsequenzen von Klosterplatz, Klosterhof und Konventgarten wird mit dem thematisch präzisierten, durchgrünten Spitzgarten in überzeugender Manier geschärft. Die äussere Landschaft wird als durchgehende Flussuferszenerie mit Blick über den Chly Rhy zur bildhaften Untermalung der Klosteranlage. Das Nutzungspotenzial und die Aufenthaltsqualität für die Öffentlichkeit im Kontext der Klosterinselentwicklung werden aufgezeigt. Die vertiefte Auseinandersetzung mit der ökologischen Vielfalt und den Biodiversitätsstrukturen verspricht einen nachhaltigen Mehrwert. Die Förderung der natürlichen Vegetation am Nordufer mit vereinzelten Kleinstrukturen und naturpädagogischem Wert ist wie auch die Integration der bestehenden Kräuterrasen in die Rasenwege positiv. Die Idee der gezeigten grossflächigen Millefleurs in Kombination mit dem Obstgarten weist in der versprochenen Form noch Zielkonflikte hinsichtlich Belichtung und Unterhalt auf und muss vertieft weiterbearbeitet werden.

Projekt «millefleurs»

Projekt «millefleurs»

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