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Offener Wettbewerb | 02/2022

Neugestaltung Rheinallee in Boppard

Massen

Massen

Anerkennung

Preisgeld: 10.000 EUR

HERRCHEN & SCHMITT Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Stadt-Land-plus - Büro für Städtebau Und Umweltplanung

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Leitidee – die Rheinallee neu erleben 

Das Rheinufer in Boppard ist historisch bedingt unterschiedlich ausgeprägt. Seine wohltuende Großzügigkeit und der offene Bezug in den Tal- und Landschaftsraum an den Rändern bilden einen gut wahrnehmbaren und spannungsvollen Kontrast zur Situation entlang des unmittelbar angrenzenden Stadtkerns. Die im Zentrum römisch und mittelalterlich geprägte dichte Siedlungs- und Baustruktur der Stadt am Fluss besticht durch ein spannungsvolles Fassadenbild und markante Portalsituationen. Der Stadt- und Freiraum der Rheinallee bedarf keiner überprägenden Neugestaltung der markanten Stadtsilhouette, sondern einer behutsamen, kreativen Neuinterpretation vorhandener Potenziale, im Sinne einer innovativen (smart city) und nutzerorientierten Erneuerung. Die neue Rheinallee wird für Bewohner und Besucher attraktiver Frei- und Erholungsraum, Ort der Begegnung, Bewegung und kultureller Vielfalt.


Neue Stadtentrées – Boppard zum Rhein

In Anlehnung an das historische Bild der geschlossenen Rheinfront mit ihren Portalen werden die Tore und Gassen zum Rhein als neue Stadtentrées ausgeformt. Sie gliedern mit den Plätzen an der Karmeliterkirche und der Alten Burg sowie den neuen einladenden Sitzplätzen an den Mündungen der Bäche den längsbetonten Verlauf der Promenade. Sie führen Besucher und Einheimische in einer kraftvollen Geste an den Rhein und bilden attraktive Schnittstellen zwischen Stadt und Ufer. Die neuen raumgliedernden Querbezüge werden weitgehend von Bäumen freigehalten, die Blickbeziehung zwischen Talraum und Stadtkern freigestellt, die Bezüge zur Stadt durch attraktive barrierefreie Fußwege gestärkt. 


Lokalkolorit – Elemente der Rhein-Kultur 

Nach der Entsiegelung von Flächen werden Räume nun stärker durch Grün geprägt, welches Elemente der umliegenden Landschaft aufgreift. In der gesamten Rheinallee werden wiederkehrende Kombinationen von Rebstöcken, kleinkronigem französischem Ahorn und abstrahierten Schieferfelsen („Felsenlayen“) angeordnet, die als strukturierte Betonelemente zum Sitzen einladen. Als wiederkehrende variierende Elemente geben sie den unterschiedlichen Raumtypologien des Bopparder Rheinufers inneren Zusammenhalt und Einheitlichkeit in der Formensprache. An unterschiedlichen Orten entlang der Rheinallee entstehen, spannungsvoll und individuell gestaltet, hochwertige Aufenthaltsorte am Wasser.


Klimaschutz – Bopparder Bäche und Wassermanagement 

Die Bopparder Bäche werden in ihren Mündungsbereichen zugänglich und erlebbar. Aufgeweitete, naturnahe Uferräume in Verbindung mit Sitzstufenanlagen und den vorhandenen Rampen erhöhen die Aufenthaltsqualität durch eine neue Erlebbarkeit des Wassers. Zusätzlicher Retentionsraum und Trittstein-Biotope für Vögel und Fische werden geschaffen. Das anfallende Oberflächenwasser wird künftig über naturnah gestaltete Vorfluter in punktuellen Zisternen unter der Rheinallee zurückgehalten. An heißen Sommertagen verdunsten Vernebelungsanlagen unter den Bäumen der Rheinallee dieses Wasser. Die konzeptionelle Idee der „Schwammstadt“ sorgt für Abkühlung und positive mikroklimatische Effekte. 


Nachhaltige Mobilität 

Durch die Befreiung der Rheinallee vom alltäglichen motorisierten Verkehr wird Mobilität entlang des Rheinufers neu gedacht. Mit einer attraktiven Fahrradstraße, einer breiten Promenade, barrierefreien Fußwegen und einer autonom fahrenden Stadtbahn, die die wichtigsten Orte in Boppard mit der Rheinallee verbindet, bieten sich adäquate Alternativen zum Pkw. Für Anlieger und Versorgungsfahrzeuge bleiben alle Ziele an der Rheinallee gut erreichbar. An der Rheinufermauer verläuft die 3,5 bis 4 m breite Fußgängerpromenade. Die heutige Fahrgasse wird zu einem 4 m breiten Radweg und temporär für den Anliegerverkehr und die neue Bopparder Stadtbahn genutzt. Damit findet eine Entsiegelung statt und multifunktionale Vorflächen für Hotels und Gastrobetriebe (Andienung, Kurzzeitparken, individuelle Begrünung, Fahrradabstellfläche, Bestuhlung …) entstehen. Durch digital gesteuerte Verkehrspoller wird die Rheinallee für nicht autorisierte Verkehre gesperrt. Eine neue intermodale Mobilitätsstation wird auf dem Parkplatz an der Polizei errichtet. Sie dient im Untergeschoss als Stadtbahnhaltestelle und Fahrradparkhaus. In den übrigen drei Geschossen finden rund 200 Pkws Platz. Gründach und von Bäumen gesäumte Fassaden binden das Bauwerk in die Umgebung ein. Photovoltaikanlagen speisen Ladestationen für Elektro-Fahrzeuge aller Art. 


Stadtgrün und Ökologie 

Kleinklima und Biodiversität werden durch Erhalt und Anpflanzung von Bäumen, Entsiegelung und „Versickerung“ in neuen Grünflächen spürbar verbessert. Vor den Gebäuden der Rheinallee entstehen kleine, aber wichtige Grünflächen, in denen eine individuelle Aneignung und Gestaltung durch Anlieger ermöglicht wird. Wo möglich, werden Baumlücken durch Neupflanzungen in der Rheinallee geschlossen. Neben den vorhandenen Grünstrukturen bilden auch die bepflanzten Bachufer üppige klimaschützende Grünräume für Mensch und Natur. Insgesamt werden mehr als 50 neue Bäume gepflanzt. 


Materialität und Ausstattung 

Alle Flächenbeläge sind möglichst hell und hochwertig gewählt, um einer Aufwärmung im Sommer entgegenzuwirken. Helle Asphaltdecken mit Quarzit dienen für Fuß- und Radwege. Teile des Karmeliterplatzes, des Bühnenbereichs sowie des Platzes um das Sandtor werden wassergebunden erstellt. Die Sitzstufenanlagen werden mit -an Rheinkiesel anmutendem- Betonsteinpflaster ausgelegt. Das Sitzmobiliar stellt Bezüge zu der in Boppard gegründeten weltbekannten Marke Thonet (Bugholzmöbel) her. 


Realisierungsbereich West - Georg Francke Anlage 

Der Parkcharakter im Stil eines englischen Landschaftsgartens wird durch Neugliederung der überformten Wegeverläufe und Grünflächen gestärkt. Der Neubau einer 120 m²-Eventbühne, als Stahlkorpus mit 500 möglichen Zuschauerplätzen, lehnt sich in seiner Optik an einen Schiffsponton an. In der Bühne selbst befindet sich das hochwassersichere Stuhllager und der Technikraum. Die Pfeiler des „Bühnenpontons“ dienen der Befestigung des Bühnendachs und als Technik- und Belüftungskanal. Der neue Wasserspielplatz mit Spielelementen in Form der abstrahierten „Felslaye“ bietet Aufenthalt für Jung und Alt. Der Bruder-Michels-Bachs wird mit einer Sitzstufenanlage zum Bach und zum Rhein hin zugänglich - im Anschluss an das Wasserspiel. Das Sandtor knüpft an den Landschaftspark durch Schaffung eines Vorbereiches an und wird nun begehbar - mit großem „Boulder-Felslay“ nahe dem historischen Turm. Ergänzende Gehölzpflanzungen erfolgen sowohl solitär im Park als auch als Allee den Radweg begleitend, ohne die Ansicht der historischen Fassaden zu verdecken.


Realisierungsbereich Ost - Rheinpromenade 

Die Verbindung von Rheinallee und Innenstadt wird durch neu gestaltete Stadtentrées als Platzsituationen vor wichtigen Gassen in die Stadt und den historischen Stadttoren gestärkt. Zur Betonung der historischen Stadttore wird die Platanenallee an diesen Stellen ausgelichtet. Auch vom Rhein her werden dann die Bezüge zwischen Promenade und Innenstadt markanter und klarer. Das Rheinufer gewinnt dadurch mehr an Präsenz. Die den Stadteingängen vorgelagerten Plätze und die Promenade, an der in Teilen zu erneuernden Rheinufermauer erhalten die gleichen Oberflächen, sodass die Gassen in die Stadt und die Rheinpromenade ineinandergreifen. Auch hier finden sich die Anordnungen von „Felslayen“, Rebstöcken und französischem Ahorn. Zusätzlich werden diese Vorplätze begrenzt vom Feuchtbecken in die das anfallende Oberflächenwasser geleitet wird. Die Becken dienen als Vorflut der unter den Plätzen gelegenen Zisternen (mit je rund 100 m³ Speichervolumen) und erhalten eine standorttypische Feuchtvegetation. Abkühlung durch Verdunstung und eine neue ästhetische Qualität steigern die Aufenthaltsqualität. Mit dem Zisternenwasser werden Vernebelungsanlagen gespeist, die unter der Platanenallee die Luft befeuchten und als Bewässerung der Platanenallee und der sich darunter befindenden Staudenpflanzung sorgen. Ausgenommen davon sind die Gastronomiebereiche, die zur Außenbewirtung umfänglich erhalten bleiben.


Karmeliterplatz 

Karmeliterplatz Der neue repräsentative Vorplatz der Karmeliterkirche wird Bindeglied zwischen Rheinallee, Karmeliterstraße, zum Museumsturm „Römer in Boppard“ hin zu Rathausvorplatz und Fußgängerzone. Er erstarkt als zentraler Ankunftsplatz für Schiffstouristen (KD-Anleger) und der Wassertaxi-Haltestelle sowie als attraktiver grüner Aufenthaltsbereich mit neuem Kiosk.


Ideenteile

Ideenteile Akzentuierung vorhandener Strukturen und Weiterführen der Formensprache der Rheinallee durch Neuordnung und Überarbeitung der Grünflächen, Verschmälerung der Fahrgasse und Aufgreifen der wiederkehrenden Gestaltungselemente. 


Ideenteil Ost - Bestehende Wegeführung wird im Wesentlichen beibehalten, jedoch angepasst und die Materialität wird angeglichen. Die Rampe an der Slip-Stelle des Ruderclubs wird mit in die Gestaltung aufgenommen, sodass die Verbindung zwischen Uferebene und Promenadenweg fließend ist.


Ideenteil West - Mündungsbereich des Burdenbachs wird mit der Platzsituation um die alte Linde verbunden, so wird auch hier der Bezug zum Wasser deutlicher herausgestellt und eine hohe Aufenthaltsqualität geschaffen. Weiter rheinabwärts wird die Ome-Anlage mit Ihren Grünflächen neu geordnet und das vorhandene Nutzungsangebot des Spielplatzes mit einer Seniorenfitnessanlage 


Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit will mit ihrem Ansatz die Themen Klimaanpassung, Innovation und Strahlkraft mit den Anforderungen an das Weltkulturerbe und an den historischen Ort in Einklang bringen. Dieser Ansatz wird als zukunftsfähig gewürdigt. Dies gelingt der Arbeit auch mit einigen guten Ideen zum Umgang mit Wasser in der Stadt sowie zur Mobilität.


Richtigerweise orientiert sich die Arbeit an der historischen Stadtstruktur und leitet daraus ein schlüssiges Gesamtkonzept aus einem klar gegliederten Boulevard und den Übergängen zur Flusslandschaft nach Osten und Westen ab. Die Weiterführungen der Gassen aus der Stadt über Fugen, die den Boulevard und auch den Baumbestand aufbrechen, können diesen Bezug gut er lebbar machen. Am Karmeliterplatz wird diese Eindeutigkeit mit dem halbiert wirkenden Platz jedoch vermisst, obwohl die gastronomischen Angebote gut verortet wirken. Auch in der Längsausrichtung verliert das Konzept leider an Klarheit. Das Mobilitätsband wirkt sehr dominant, zergliedert den Raum und schafft es nicht, einen einheitlichen, großzügig wirkenden Stadtraum zu bilden. Das wird noch dadurch verstärkt, dass die Mobilitätsspur sehr nah an die Fassaden heranrückt.


Der grüne Multifunktionsstreifen vor den Fassaden soll als Puffer dienen, überzeugt aber weder in Nutzung noch in seiner Gestalt. Das Mobilitätsband selbst suggeriert in seiner Ausgestaltung den Vorrang für Radfahrende, das gewünschte Miteinander aller Nutzer wird allerdings nicht erreicht. Auch die sehr technisch wirkenden Markierungen, insbesondere an den Querungen, überzeugen nicht.


Mit der Idee eines Shuttles kann eine Reduzierung des Anliegerverkehrs mit gleichzeitig hohem Nutzungskomfort erreicht werden, ein autonomes Fahren ist aber aufgrund der hohen Nutzungsintensität der Promenade leider nicht vorstellbar. Die als „Lokalkolorit“ bezeichnete Anordnung von Reben, Ahorn und Felsen wirkt eher additiv.


Die Zugänge zum Fluss werden in einer angemessenen Anzahl und an den richtigen Stellen vorgesehen. Die amorphe Form der Zugänge, die dem Stadtboulevard vorgelagert sind, erschließt sich jedoch nicht aus dem an sonstenklaren Gesamtkonzept und wirken fremd. Positiv bewertet wird die Öffnung des Fraubaches, auch wenn die Intensität der Gestaltung hinterfragt wird- liegt sie doch am Übergang zum eher naturnahen Uferbereich.


Im Osten wirken die Rampen vor der Georg-Francke-Anlage für diesen Ort zu steinern. Die Georg-Francke-Anlage selbst erscheint angemessen, die gewünschten Angebote wie die große Bühnenanlage sind gut untergebracht. Das Konzept der Schwammstadt mit Zisternen, Feuchtbecken und Vernebelungsanlagen wird grundsätzlich begrüßt, die Realisierung im Hochwasserbereich wird jedoch aufgrund des mehrmals jährlichen Schmutzeintrages und der erforderlichen Gründung als zu aufwändig in Bau und Unterhalt und an dieser Stelle nicht realistisch beurteilt.


Insgesamt wird durch die Berücksichtigung der klimatischen Aspekte ein interessanter Beitrag zur Aufgabenstellung geleistet. Durch die Dominanz des Mobilitätsbandes ist jedoch die Kernaufgabe, einen gemeinsamen Raum für alle zu schaffen, nicht gelöst. Der starke Fokus auf eine Segregation der Verkehrsbezüge sowie die Gestaltausbildung auch vor dem Hintergrund der Welterbeverträglichkeit kritisch beurteilt. Die Umsetzung der Klimaanpassungsmaßnahmen direkt am Rhein erscheinen sehr schwierig.