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Einstufiger Studienauftrag | 08/2023

Freiraumgestaltung Siegenthalergut in Thun (CH)

Teilnahme

extrā Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Futurafrosch GmbH

Stadtplanung / Städtebau

Kontextplan

Verkehrsplanung

Büro für soziale Plastik

Stadtforschung

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf besticht durch ein schlüssiges Gesamtkonzept mit klaren Typologien: An der Martinstrasse entsteht eine gut sichtbare Entréesituation mit Ausstrahlung ins Quartier, die der Bebauung eine attraktive grüne Adresse gibt. Der Bereich zwischen Burgerstrasse, Boulevard und Martinsstrasse ist von Wohnwegen erschlossen. Ihre begrünten Randzonen bieten Raum für Aneignung durch die Anwohner, definierte Aufenthaltsräume liegen als Intarsien in der Erschliessung. So reihen sich auf dem Weg durch das Areal mit den Wegrandzonen, dem Park und verschiedenen „Mikroplätzen“ eigenständige Aufenthalts- und Nutzungsangebote aneinander und ergänzen sich zu einer schönen Vielfalt. Wenig überzeugend ist allerdings die periphere Erschliessung rund um den Park statt durch ihn hindurch. Hier wird viel Potenzial für die Erschliessung wie auch für die Transparenz im Quartier verschenkt. Vermisst wird auch ein durchgehender Fussweg von der Martinstrasse zur Burgfelderstrasse nördlich der Bebauung. Dank breiter, grüner Zäsuren zwischen den Baukörpern, profitiert auch der öffentliche Raum von den durchgrünten Wohnhöfen. Der Boulevard ist als öffentlicher Begegnungsraum und „Tor zur Stadt“ konzipiert: Ein breiter Baumsaum in einer Ruderalfäche grenzt den Fahrbereich von der Vorzone der Gebäude ab. Bei den Übergängen über die Strasse sind sinnvoll die „Fokusbereiche“ angeordnet: individuell unterschiedlichen Nutzungen gewidmete Flächen, deren Ausstrahlung, Gestalt und Öffentlichkeitsgrad auf die angrenzenden Erdgeschossnutzungen und Wegeverbindungen abgestimmt wird. Dieses urbane Bild steht in komplementärem Gegensatz zur Gestaltung des inneren Wohnbereichs, die Gestaltung der Schwellenräume schafft offene Übergänge zwischen den Zonen.

Der Entwurf bietet unterschiedliche Qualitäten, Stimmungen und Nutzungsmöglichkeiten: jeder Ort schöpft seine Atmosphäre und Identität aus der Kombination von klaren Räumen, einer robusten Grundgestaltung und wenigen besonderen Elementen: Im Park fasst eine von Gehölzen überschattete Kiesfläche die offene grüne Spielfläche. Das Grundprinzip von Füllung und Fassung ist vorstellbar, wird aber mit dem allseitigen Kiesstreifen zu spannungslos umgesetzt. Die Sitzmauer ist zu begrüssen, allerdings in dieser Form ein Hindernis auf den Wegen in und durch den Park. Der Pavillon in Form einer Tanzlinde zitiert stimmig ein altes dörfliches Motiv. Die Retention wird mit gestalterischem Gewinn integriert. Jeder der Mikroplätze erhält eine nutzungsbezogene Gestaltung und ein Wasserelement, während die Gestaltung der grünen Innenhöfe einen offenen Rahmen für verschiedene Nutzungen und Prozesse bietet. Das Baum- und Lebensraumkonzept macht die Räume unterscheidbar. Auch am Boulevard wird Verbindendes wie das Baumdach mit individuellen Elementen verbunden. Ein schönes, jedoch wohl aufwendiges Detail ohne belebende Zusatznutzungen, sind hier die Tiefgaragenabgänge, die als „Follies“ gestaltet werden.

Ein differenziertes Lebensraum- und Baumkonzept, ein hoher Anteil an nicht versiegelten Flächen, zahlreiche Bäume und verschiedene Wasserstellen versprechen aus stadtökologischer und stadtklimatischer Sicht einen wertvollen Standort. Möglichkeiten zur Begrünung werden genutzt und mit der menschlichen Nutzung abgestimmt. Wo möglich werden Baumgruben im Sinne der Schwammstadt verbunden.

Die erhebliche Volumenverlagerung zur Hohmadstrasse ist räumlich interessant und abwechslungsreich. Unter heutigen Bedingungen wäre dies aufgrund der Lärmproblematik wahrscheinlich nicht genehmigungsfähig. Die längeren Bauvolumen und die grösseren Gebäudetiefen führen zu wenig attraktiven, da zu tiefen Wohnungen in Nord-Süd-Ausrichtung. Ob viel mehr Menschen an der Hohmadstrasse als im geschützten Innenbereich wohnen sollen, ist aus grundsätzlichen Überlegungen zum Potential des Ortes zu hinterfragen. Für den Sektor 2 wird eine interessante Gebäudetypologie vorgeschlagen.

Der Entwurf schafft, den Anforderungen des Programms gemäss, ein vielfältiges Angebot mit erlebbarem, offen geführtem Wasser. Es wird jedoch in Frage gestellt, wie oft die grosse Retentionsfläche im Park gefüllt sein wird und das Element Wasser für die Nutzenden erlebbar macht. Aktivierende Nutzungen und Treffpunkte sind sinnvoll über den gesamten Perimeter (SIGI-Raum, Kindergarten, Quartiertreff, Tanzlinde, Follies) verteilt. Die vorgeschlagene Lage des Quartiertreffs birgt aber Konfliktpotenzial (Lärm/Rauch im Gebäude; gestörte Durchwegung bei Anlässen). Auch fragt sich, wie flexibel der „lernende Park“ in der Praxis tatsächlich ist: Der Ablauf der bedürfnisorientierten Anpassung des Parks bleibt unklar.

Die Ausscheidung eines verkehrsfreien Abschnitts im Osten des Boulevards ist zu begrüssen. Die Überarbeitung des städtebaulichen Vorschlags im Westen ermöglich zwar die Schaffung des SIGI-Platzes, verhindert jedoch die Ausbildung einer attraktiven West-Ost-Verbindung für den Fuss- und Veloverkehr.

Fazit
Während die Studie auf städtebaulicher Ebene grundlegende Fragen zur Machbarkeit und den nötigen Wohnqualitäten aufwirft, überzeugt der Freiraumentwurf mit einem stimmigen Grundkonzept, differenzierten Teilräumen, einem guten Baumkonzept und Details, die Atmosphäre versprechen. Wichtige Schnittstellen und Schwellenräume werden thematisiert, individuell gestaltete Teilräume bilden ein offenes Gefüge von übergreifender Identität. Ein grundlegendes Manko zeigt sich in der peripheren Wegeführung beim Park. Hier wären direktere Wege und mehr Transparenz wünschenswert. Die grosse Freifläche in der Mitte ist nicht von überall gut zugänglich. Die Frage stellt sich, ob die Bedürfnisse der Nutzenden genügend differnziert erfüllt werden können. Fraglich ist auch, ob die Erfüllung der verkehrlichen Anforderungen am Boulevard ohne Verluste bei der freiräumlichen Qualität möglich ist.