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Mehrfachbeauftragung | 10/2023

Umgestaltung Europaplatz am Berliner Hauptbahnhof

Perspektive

Perspektive

Teilnahme

Mettler Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Gebiets-und Aufgabenanalyse:
Im Ortsteil Moabit, innerhalb des Berliner Bezirks Mitte liegend, ist der Berliner Hauptbahnhof der größte und wichtigste Personenverkehrs-Bahnhof in der Hauptstadt. Der Europaplatz ist der nördliche Vorplatz des Hauptbahnhofes. Eine Sequenz aus Plätzen und Parks bis zum Tegeler Forst bildet einen prägenden nördlichen Grünzug der Stadt, der in dem Europaplatz seinen Ankunftspunkt findet. Der südliche Europaplatz fungiert momentan insbesondere als Bahnhofsvorplatz und als Bindegliedzwischen Bahnhof und dem öffentlichen Nahverkehr. In der näheren und weiteren Umgebung haben sich die Stadtquartiere weiterentwickelt und erheblich verdichtet oder sind, wie die „Europacity", ganz neu entstanden. Der momentane Zustand und das heutige Erscheinungsbild des Platzes werden der wichtigen Bedeutung als Willkommens-und Ankunftsort in Berlin nicht gerecht. Der Ort wird von nur provisorisch befestigten Flächen, einer hohen Orientierungslosigkeit und durch eine Übernutzung der geringen Flächenpotentiale geprägt. Zudem sorgen dezentral verteilte Fahrräder und E-Roller für zusätzliche Unordnung und Desorientierung .Aufgrund der Neupositionierung der Taxi-Bereiche außerhalb des Platzes, entsteht die Chance den Europaplatz komplett autofrei zu gestalten und einen Ort zu schaffen an dem Berliner:innen und Besucher:innen angemessen empfangen werden.

Idee, Entwicklungskonzept:
Durch die Neugestaltung wird der Europaplatz zum lebendigen, aktiven Begegnungs-und Aufenthaltsort –zu einem Ort des Ankommens. Zwei Baumgruppen bilden lichte Baumhaine. Sie gliedern den Raum, schaffen Schwerpunkte innerhalb der Platzfläche und sorgen im Sommer für ein angenehmes Mikroklima. Sie bilden einen Ruhepunkt im Fluss und in der Dynamik des vom Bahn-und Straßenverkehr dominierten Ortes und einen Kontrast zu dem südlichen Ausgang des Hauptbahnhofes in Richtung Washingtonplatz. Durch die Neugestaltung kommt es zu mehr Orientierung und einer Stärkung der Adressierung. Kurze Wege und eine optimale Wegeführung, gepaart mit präzise platzierten Bereichen des Anhaltens, bedingen das Funktionieren der Platzräume. Ein dezenter und doch spürbarer Wechsel zwischen Bewegung und Aufenthalt, das Sitzen mit Blick auf das bunte Treiben und das Kommen und Gehen der Passanten verleihen der Bahnhofsumgebung einen eigenständigen Charme.

Der Schwerpunkt der Gestaltung liegt auf einer vielfältigen und raumbildenden Baumpflanzung, die den Platz in eine grüne Oase verwandelt. Um genügend Wurzelraum zu schaffen werden sie jeweils auf einem kleinen erhöhten Bereich, der mit wassergebundener Wegedecke belegt ist, positioniert. Die Bäume sind nach ästhetischen, ökologischen und klimatischen Aspekten ausgewählt und so gesetzt und gruppiert, dass eine Strukturierung der Umgebung, eine Inszenierung durch Sichtbeziehungen, eine ökologische Vernetzung und ein Schutz vor übermäßiger Erwärmung erreicht wird. Die einheimischen und europäischen Baumarten sind groß-und mittelkronig, wie Acer freemanii, Acer opalus, Prunus avium, Quercus cerris, Quercus frainetto, Quercus petrea und Ulmus glabra. Sie unterstützen die Biodiversität und bilden eine lichte Atmosphäre. Feine Grünton-Nuancen bestimmen das Bild des Platzes im Frühling und im Sommer; im Herbst präsentieren rot und gelb gefärbte Blätter ein intensives Farbenspiel. Damit sich ein langlebiger Baumhain entwickeln kann, stehen bei der Artenwahl die aktuellen Erkenntnisse der Klimabauforschung und des Biodiversitätsindexes im Vordergrund. Die Erweiterung des Baumsubstrates unter dem Platzbelag ermöglicht, trotz einer geringen Aufbauhöhe, eine langfristige Baumentwicklung und die gewünschte Verbindung der Wurzelwerke.
Ein großer Teil der begehbaren Platzflächen wird mit einem ungebundenen Kleinsteinpflasterin richtungslosem Passeverband belegt und nimmt so die unterschiedlichen Bewegungsströme auf. Die robuste und nachhaltige Belagsfläche ermöglicht die Durchlässigkeit und Speicherung von Regenwasser in der Tragschicht und trägt somit zur Idee der Schwammstadt bei. Die Flächen sind befahrbar und bieten genug Raum für die Hebebühne, Lieferanten oder Feuerwehr. Ein Leitsystem aus taktiler Oberfläche ermöglicht Seh-und Gehbehinderten ein sicheres und selbständiges queren des Platzes. Die Pflasterung entlang der Invalidenstraße wird aufgehoben und durch eine Blumenwiese ersetzt. Diese fördert die Erhöhung der Stadtbiodiversität, bietet Raum für Insekten und Bienen und nimmt zudem das Regenwasser auf. Zwischen dem Eingang zum Hauptbahnhof und der Bauminsel wird ein Trinkbrunnen platziert. Geforderte Fahrraddoppelparker, eine Jelbi-Station und die WC-Anlage werden provisorisch entlang des heutigen, östlich gelegenen, Bauzauns platziert. Neue Gestaltungselemente wie Sitzelemente, Abfalleimer und Leuchten werden zu wichtigen Markenzeichen im Stadtraum. Ihre einheitliche Typologie dient als Orientierungshilfe, fungiert als Bindeglied zwischen den unterschiedlichen Bereichen und wird zum Portfolio des neu gestalteten Bahnhofplatzes. Die freistehenden Sitzelemente (zum Teil mobil über Ketten gesichert) bieten eine vielseitige Nutzung des Platzes und fördern Inklusion und Austausch. Das Kontrastspiel aus Licht und Schatten, Natur im Straßenraum, Weite und Dichte erzeugt Spannung und schafft einen Ort zum Verweilen, um das Treiben im Umfeld zu beobachten. Der Kontrast zwischen den industriellen Charakter des Bahnhofsgebäudes aus Glas und Stahl und den naturnahen Charakter des Platzes spiegelt das lebendige Bild Berlins.

Licht:
Die Idee des Bauhaines wird aufgegriffen und Mastleuchten in Streuanordnung zwischen und bei den Baumgruppen angeordnet. Die Mastleuchten haben je nach Standort Masthöhen zwischen 6 und 8 Metern. Die Anordnung der Leuchten und die zonierte Verteilung der Helligkeit erzeugen eine angenehme Atmosphäre mit sofortiger Orientierung und Zuordnung der Helligkeiten zu den Verkehrsströmen. Die unmittelbar vor dem Gebäude liegende Fläche wird vom Gebäude aus erhellt, die Bauwerke wie Fahrradständer und WC-Anlage erhalten eine eigenständige, zurückhaltende Beleuchtung. Die nächtliche Platzerscheinung ist einladend und angenehm. Die neue Beleuchtung lehnt sich an die ruhige Tageserscheinung in den Abend-und Nachtstunden an. Die Mastleuchten sind mit LEDs mit warmweissem Farbton und sehr guter Farbwiedergabe bestückt. Die Helligkeit wird über die Reflektion mit dem Material erlebt, die Leuchten selbst sind absolut blendfrei. Sämtliche Kriterien zur Vermeidung der Himmelslichtverschmutzung und des Insektenschutzes sind eingehalten.

Fazit:
Die großzügige Neugestaltung des Bahnhofplatzes verleiht dem Ort eine neue Atmosphäre mit klimagerechten Aspekt ohne den repräsentativen Charakter zu schwächen. Gestalterische und funktionale Defizite werden behoben und die Interaktion untereinander angeregt. Es entsteht ein attraktiver Ort der Ankunft, der zudem die Ansprüche von Aufenthalt und Erschliessung vereint. Die hochwertige Gestaltung der befestigten Flächengepaart mit dem grünen Charakter schafft eine neue Identität, ohne die Geschichte und die Funktion zu negieren. Durch die Neugestaltung entsteht eine außenräumlich hochwertige Anlage mit sensibler Einordnung in die Stadtlandschaft. Die verwendeten Materialien sind robust und pflegeleicht. Das Pflaster überzeugt durch Belastbarkeit und Haltbarkeit. Die neu gepflanzten Bäume sind stadtklimaverträglich, insbesondere gegenüber Hitze und Trockenheit. Mit dem großen Anteil wasserdurchlässiger Beläge, die Regenwasserspeicherung des Pflasters, die vielfältige Bepflanzung und die ökologischen Ausgleichflächen steuert das Konzept zur Nachhaltigkeit bei, unterstützt das natürliche Regenwassermanagement und verbessert das lokale Klima. Durch die Erweiterbarkeit des Entwurfes und die mögliche Integration der Bäume bei einer Umgestaltung dieser provisorischen Gestaltung wird ebenfalls der Grundstein für eine nachhaltige Stadtentwicklung gelegt.

Lageplan

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