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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2010

Neues Kunstarchiv Beeskow

Anerkennung

Kraaijvanger • Urbis

Architektur

Erläuterungstext

PROJEKTBETEILIGTE

Entwurfsverfasser
Dirk Jan Postel, Kraaijvanger.Urbis, Rotterdam, NL

Mitarbeiter
Anja Müller
Frank Hendriks
Hiroko Kawakami
Vincent van der Meulen
David Harris

Fachplaner
Tragkonstruktion
Nicole Zahner, Studio C, Berlin
Haustechnik
Holger Krühne, Building Applications Ingenieure, Berlin


ERLÄUTERUNGSBERICHT

Verwandlung und Ursprünglichkeit

Das Projekt Neues Kunstarchiv Beeskow paßt in die Tradition permanenter Veränderung, die den Charakter der Burg Beeskow kennzeichnet.
Das neue Gebäude muß zugleich vollkommen selbstverständlich scheinen und sich doch als etwas eigenständig Neues präsentieren. Seine Erscheinung muß natürlich und unaufdringlich wirken, als ob es schon immer an diesem Ort existiert hat und die Vergangenheit ihm keine Wunden zugefügt hat und dabei gleichzeitig so überraschend, einladend und funktional sein, wie es nur einem modernen Gebäude gelingt.

Der Entwurf des Neuen Kunstarchiv Beeskow fordert daher einen Umgang mit angemessener Bescheidenheit und die Suche nach Harmonie mit dem Bestand und den historischen Mauer- und Gebäuderesten und zugleich die Lösung eines komplexen Puzzlespiels: Die Synthese von Neubau und Denkmal von verschiedenen Zeitschichten, von der Kombination eines Archivs, das von Natur aus abgeschlossen ist, mit einem offenen und einladenden kulturellen Zentrums und nicht zuletzt von einem hohen Raumbedarf in einer historischen, kleinmaßstäblichen Umgebung.


Städtebauliche Situation und räumliche Eingliederung

Das Neue Kunstarchiv Beeskow besteht aus zwei Gebäudeteilen. Zum einen aus der räumlichen Rekonstruktion des Brauhauses und einem von der historischen Burgmauer freigehaltenen Neubaus.
Der relativ hohe Raumbedarf erfordert eine Lösung, die den Untergrund des Grundstücks miteinbezieht. Die geforderte lichte Höhe von 4m des fast kompletten Raumprogramms liegt bei nur einem Untergeschoß bereits unter dem Grundwasserspiegel. Dadurch muß eine “weiße Wanne” ausgebildet werden, so daß ein kompakter unterirdischer Gebäudekörper mit zwei Untergeschossen logisch ist. Dieser Gebäudeteil ist funktional, effizient und bleibt frei von der bestehenden Konstruktion.
Der Neubau springt aus der Flucht des Brauhauses und nimmt damit das Spiel der Collage der anderen Gebäude auf der Burg auf und hält dennoch eindeutig Abstand zu Salzhaus und Burgfried und bildet einen deutlichen Hof.
Das Brauhaus besitzt im Erdgeschoß einen idealen Ausstellungsraum, der über ein gläsernes, räumliches Scharnier zwischen den zwei Gebäudeteilen erschlossen wird, welches das Foyer beherbergt und kontrolliert Tageslicht in die Ausstellungsräume bringt.
Mittels dieses Scharniers stellt die historische Nordgiebelwand kein Hindernis dar, sondern wird ein erlebbares und exponiertes Stück Burggeschichte. Die Transparenz des gläsernen über zwei bzw. drei Geschosse offenen Scharniers macht die räumliche Konfiguration von Brauhaus und Neubau lesbar.


Funktionalität

Das Archiv ist in den zwei Untergeschossen und den Obergeschossen untergebracht, wodurch das gesamte Erdgeschoß für die öffentlichen Funktionen, Verwaltung, Bibliothek und Werkstätten zur Verfügung steht. Die Ausstellung im Erdgeschoß des Brauhauses exponiert maximal die historischen Mauerreste und eröffnet über einen gläsernen Bodenausschnitt Einblicke in den historischen Keller.
Ein Lastenaufzug im Neubau verbindet alles Geschosse.
Durch das Loshalten dieses Bauteils von der historischen Burgmauer besitzt diese mehr Eigenständigkeit und ist von allen Seiten in ihrer Ursprünglichkeit erlebbar und bietet außerdem große konstruktive Sicherheit.
Das Scharnier zwischen Brauhaus und Neubau stellt außerdem die Trennung zwischen öffentlichen und nicht-öffentlichen Bereichen dar. Von hier gelangt man zum einen in das Foyer und von dort in die Ausstellungsräume und zum anderen erlangt man kontrollierten Zugang in den Verwaltungstrakt, von wo aus man über Lift und Treppe die Archivräume erreicht. Von den öffentlichen Räumen aus kann man punktuell einen Blick dessen erhaschen, was sich hinter den ansonsten geschlossenen Archivwänden verbirgt.
Nach Eintritt in das Gebäude erlangt man eine klare Übersicht von der Gebäudekomposition und kann sich leicht orientieren.


Ausdruck und Atmosphäre

Es ist nicht unsere Absicht eine Ikone an diesem Ort zu schaffen, wir beabsichtigen aber auch keine pure Rekonstruktion des historischen Zustandes, der im Bereich des Garagenhauses auch nicht bekannt ist. Der Ausdruck des geschaffenen Gebäudeensembles findet sich weder in der Vergangenheit noch in der Moderne, sondern abstrahiert beide in zwei zeitlosen, in sich ruhenden Objekten. Das rekonstruierte Brauhaus ist als Ziegelbau ausgeführt, was die Collage der verschiedenen Ziegel- und Steinmaterialien der historischen Mauer weiterführt und sich über das Dach hinwegzieht. Der Neubau steht unabhängig von der Burgmauer in Verlängerung des Brauhauses. Dadurch ist es möglich Tageslicht in die Erdgeschoßräume zu bringen, ohne die historische Mauer anzutasten. Auch dieses Volumen ist als Ziegelbau ausgeführt, wobei hier die Oberfläche hellgrau geschlämmt wird. Dies ist ein differenziertes Spiel mit dem Material Ziegelstein und läßt den Neubau anders erscheinen, als das Brauhaus und doch ist alles Teil eines harmonischen Ganzen.

Das gläserne Scharnier versucht beinahe nicht präsent zu sein und zeigt sich als transparenter Vorhang der Durchsicht auf das Brauhaus mit seinen historischen Mauerresten bietet.


Tragstruktur

Das Gebäude besteht strukturell aus zwei Teilen. Das Brauhaus baut auf die bestehenden Mauerreste auf, der Neubau wird gänzlich neu errichtet.

Beide Gebäude bestehen aus vorgespannten Stahlbetonhohldielen als Decken und tragenden Mauerwerkswänden. Die Hohldielen werden mit Ringankern zu Scheiben zusammen gebunden und über die Aussenwände ausgesteift.

Durch die größeren Aussenabmessungen des Neubau werden im Innenraum Stützen angeordnet, die teilweise von den nichttragenden Wänden aufgenommen werden. Unterzüge als Auflager für die Hohldielen verlaufen in den Stützenachsen in Gebäudelängsrichtung. Das Gebäude wird flach gegründet (tragende Sohle oder Streifenfundamente). Der Keller wird als weiße Wanne ausgebildet.

Vor Baubeginn wird die bestehende angrenzende Festungsmauer stabilisiert. Die im Geotechnischen Bericht bevorzugte Injektionshebetechnik mit Expansionsharzen erscheint hierfür am geeignetsten zu sein. Die Baugrube wird mit einer verformungsarmen Konstruktion abgeschlossen. Hierbei ist im weiteren Verlauf der Planung die Tiefe der Stabilisierungs- und Unterfangungsmaßnahmen auf den Verbau und die Gründung des neuen Gebäudes abzustimmen.

Das Brauhaus baut auf die bestehenden Mauerreste auf. Vor Baubeginn werden diese ebenfalls durch eine geeignete Injektionstechnik und durch maurermäßiges Schließen von Hohlräumen saniert. Als Abschluss der bestehenden Mauerreste wird ein Ringbalken angeordnet der ebenfalls als Auflager für das neue Mauerwerk dient. Die unterste Decke wird in Ortbeton ausgeführt und bindet mittels Auflagertaschen in die bestehenden Mauerreste ein. Die Hohldielen spannen im Brauhaus über die gesamte Gebäudebreite. Das Dach wird als frei tragende Stahlkonstruktion ausgebildet.

Das zwischen beiden Gebäudeteilen und vor dem Brauhaus liegende Scharnier wird als leichte Glaskonstruktion ausgebildet, wobei der Anspruch besteht, dass die tragenden Bauteile so schlank gewählt werden, dass sie in der Glaskonstruktion verschwinden.


Energiekonzept und Technische Gebäudeausrüstung

Vorbemerkung
Durch passive Wärmeschutzmaßnahmen und bedarfsangepasster Anlagentechnik ergeben sich geringe Betriebskosten, geringer Energieeinsatz sowie eine optimierte CO2-Bilanz bei gleichzeitig hohem Komfort. Die gebäudetechnischen Anlagen wurden unter der Anforderung konzipiert, die Decken der Depot- und Ausstellungsbereiche frei von wasserführenden Rohrleitungen zu halten.
Durch den Wärmeschutz der Gebäudehülle werden die äußeren Lasten gedämpft und über das Gebäude selbst eine Raumklimastabilisierung erreicht, so dass die erforderliche Raumlufttechnik auf die notwendige Frischluftzufuhr reduziert werden kann.
Auf eine Klimatisierung kann in den Depot- und Ausstellungsbereichen aber nicht vollständig verzichtet werden, da die nutzungsbedingten Wärme- und Feuchtelasten abzuführen sind und die Klimaschwankungen ausgeglichen werden müssen. Bereiche ohne spezielle Raumklimaanforderungen werden grundsätzlich natürlich belüftet.

Energieversorgung
Die Energieversorgung erfolgt über eine Kombination aus Geothermienutzung mit einer Wärmepumpe und einem Brennwertkessel. Die Grundtemperierung der Ausstellungs- und Depotbereiche erfolgt über thermisch aktivierte Wandbauteile, so dass über die Wärmepumpe auch ein Großteil der Kälteenergie regenerativ gedeckt werden kann. Die Kälteenergie zur Zuluftkühlung und Entfeuchtung wird über in die RLT-Geräte integrierte Kompressions-Kälteanlagen erzeugt.

Die Versorgung mit Elektroenergie erfolgt aus dem Netz des EVU. Der Hausanschluss ist im Erdgeschoss vorgesehen von wo aus die Versorgung der Etagen-Unterverteilungen über Steigeschächte erfolgt.

Raumlufttechnik
Die mechanische Lüftung der Depot- und Ausstellungsbereiche dient hauptsächlich zur Zu- und Abfuhr latenter Lasten und zum Ausgleich nutzungsbedingter Lasten. Die Luftverteilung erfolgt über Quellluftdurchlässe, um eine lüftungstechnische Schutzwirkung für die Ausstellungsgegenstände zu erreichen und eine Luftverteilung mit geringsten Luftgeschwindigkeiten zu gewährleisten. Durch die Kombination aus Quellluftströmung und aktivierten Bauteilen wird der vertikale Temperaturanstieg bei geringstmöglicher Luftbewegung minimiert.
Die Aufstellung der Lüftungs-Zentralgeräte erfolgt zur Optimierung der Schacht- und Trassenflächen in der Nähe der Versorgungsschwerpunkte. Die Schachtanordnung ermöglicht geringe Druckverluste und damit geringe Betriebskosten, da die Nutzungsbereiche auf kürzesten Wegen angefahren werden können und Kreuzungspunkte vermieden werden. Für die Raumlufttechnischen Anlagen wird grundsätzlich eine hocheffektive Wärme- und Feuchterückgewinnung eingesetzt, der Betrieb der Anlagen erfolgt lastangepasst mit variablem Volumenstrom.