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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2013

Kulturhistorisches Zentrum Westmünsterland

3. Preis

Raderschall Architekten BDA

Architektur

lüderwaldt architekten

Architektur

Erläuterungstext

Stadtraum
Das neue "Kulturhistorische Zentrum Westmünsterland" in Vreden erstreckt sich vom alten Pulverturm/Haus Franke im Osten bis zum ehemaligen Stiftsbezirk um die Kirchen St. Felicitas und St. Georg im Westen. Es besetzt in diesem Abschnitt damit das gesamte Gelände des ehemaligen Befestigungsringes der Stadt zwischen Gasthausstraße und dem Stadtgraben.
Das über die Jahre gewachsene Ensemble des Hamalandmuseums wird unter Berücksichtigung seiner neuen, in Zukunft über die reine Museumsfunktion hinausgehenden Bestimmung in seinen baulichen und funktionalen Zusammenhängen neu geordnet. Nach Westen wird das Quartier durch einen die Traufhöhen der Anschlußgebäude weiterführenden zweigeschossigen Neubau zum Kirchplatz hin abgeschlossen. Im Zusammenspiel mit der denkmalgeschützten Fassade der Stadtbibliothek erfährt der Kirchplatz an seiner südöstlichen Ecke eine kraftvolle bauliche Fassung.
Das so vervollständigte Ensemble bündelt die Wegeführungen zwischen den innerstädtischen und den vor dem historischen Stadtkern gelegenen Kultureinrichtungen entlang der ideellen "Kulturachse" in einer Museumspassage. Über diese Passage wird das "Kulturhistorische Zentrum Westmünsterland" erschlossen; über die Passage öffnet es sich dem Publikum und gewährt Einblicke in die umfangreichen und vielfältigen Aktivitäten des Hauses; über die Passage kann die Sonderausstellung bei besonderen Anlässen direkt zugänglich gemacht werden.
Gleichzeitig markiert die Passage den Übergang zwischen historischem Stadtkern und dem vorgelagerten Naturraum der Berkelaue. Sie ist aus der Stadt kommend vom Kirchplatz über die Gasthausstraße gut einsehbar und erreichbar und wird von Süden als deutlich sichtbarer Stadteingang wahrgenommen.
Die neue Brücke in Verlängerung der Passage faßt die bestehenden und geplanten Brücken über den Stadtgraben im Nahbereich zum Berkelkraftwerk zu einem markanten Übergang zusammen. Das "Kulturhistorische Zentrum Westmünsterland" wird so zur unmittelbar und für jedermann erfahrbaren zentralen kulturellen Einrichtung an der zukünftigen Kulturachse im Kulturquartier der Stadt Vreden.
Ein in die Erdgeschossfassade des Neubaus eingelassenes historisches Stadtrelief, ggf. auch als interaktive Informationswand ausgebildet, stärkt die zentrale Funktion der Passage im Kulturquartier.

Gebäude
Der Eingang ins Gebäude erfolgt über die Museumspassage. Das Erdgeschoss des Bestandsgebäudes aus den achtziger Jahren wird dazu unter Beibehaltung seiner konstruktiven Grundstruktur zu einem rundum transparenten Foyer umgebaut; der Kopf des Gebäudes zur Gasthausgasse wird zu einer mehrgeschossigen Erschließungshalle.
Diese Halle markiert den Kreuzungspunkt von Foyer/Passage einerseits und der rechtwinklig dazu angelegten Erschließungsspange von Ost nach West andererseits, die alle im Gebäude versammelten Kultureinrichtungen auf der Erdgeschossebene miteinander verbindet:
- den Pulverturm/Haus Franke, erfahrbar und begehbar gemacht als archäologische Fundstelle;
- die Räume für die Verwaltung, das Stadmarketing und den Heimatverein und für den Forschungs- und Lernbereich in den Bestandsgebäuden aus den siebziger Jahren;
- das Schaumagazin für die Lampensammlung Dr. Touche im ehemaligen Armenhaus;
- die zentralen Einrichtungen im Foyer und die ergänzenden Multifunktions- und Werkräume in den Obergeschossen des Bestandsbau aus den achtziger Jahren;
- und den neuen Ausstellungskubus westlich der Passage bis zum Kirchplatz.

Großzügige Treppen- und Aufzugsanlagen entlang dieser Spange verknüpfen alle Ebenen in bestehenden und neuen Gebäuden:
- eine Treppenanlage auf der Nordseite der Bestandsgebäude aus den siebziger Jahren verbindet die Magazin-, Lagerflächen und Nebenräume im Untergeschoss mit den neuen Verwaltungsräume im Erd- und mit den Einrichtungen für die Erforschung der Geschichte der Region im Obergeschoss;
- am Kopf des zentralen Foyers im Bestandsgebäude führt eine großzügige zweiläufige Treppenanlage hinunter zum Eingang in die Dauer- und Sonderaustellungen des Hamaland Museums und hinauf zu den Multifunktions- und Werkräumen;
- eine geradläufige Treppenanlage entlang der Nordseite des neuen Ausstellungsneubaus verbindet die Ausstellungsebenen im Neubau miteinander; der Lastenaufzug wird so gesteuert, daß er im Museumsbetrieb als öffentlicher
Aufzug genutzt werden kann.

Die Erschließungsspange selbst ist gekennzeichnet durch vielfältige räumliche Verwandlungen:
Sie mündet im Osten in einen archäologischen Garten, erweitert sich zwischen den Bestandsgebäuden zu einer Museumsterrasse, entwickelt sich im Foyer zur mehrgeschossigen Halle und endet am westlichen Ende in einer sämtliche Ebenen des neuen Ausstellungsgebäudes erschließenden "Himmelsleiter", von deren oberstem Podest sich der Blick über den Kirchplatz in die Innenstadt öffnet. Die Spange wird markiert durch Tageslichteinfall entlang einem sämtliche Gebäude durchlaufenden Oberlichtband. Der gesamte Gebäudkomplex wird unter Einbeziehung der vorhandenen Untergeschosse der Bestandsgebäude von Ost nach West unterkellert. Sämtliche Magazine, Nebenräume und Technikanlagen sind jeweils den darüberliegenden Funktionen zugeordnet untergebracht. Am westlichen Ende, auf kurzem Wege mit den Magazinräumen und den Ausstellungsräumen verbunden, liegt die Anlieferung mit Schmutzschleuse. Die oberirdischen Gebäude und Gebäudeteile bleiben als eigenständige Häuser erhalten:
- Haus Franke und das Armenhaus werden unter denkmalpflegerischen Aspekten ertüchtigt bzw. wiederhergestellt.
- Die Gebäude aus den siebziger und achtziger Jahren werden in ihrer Grundstruktur belassen. Ihre Erschließungsstrukturen werden jedoch jeweils komplett erneuert, da sie sowohl funktional als auch gestalterisch nicht den neuen Anforderungen genügen.
- Das Gebäude aus den achtziger Jahren wird darüber hinaus im Sockelbereich geöffnet, so daß ein offenes, transparentes Foyer entsteht.

Das neue Ausstellungsgebäude bietet großzügig geschnittene und hohe Ausstellungsräume mit einer durchgehenden und einheitlichen Lichtdecke, die eine große Flexibilität für die Einrichtung einer abwechslungsreichen Dauer- und Sonderausstellung ermöglichen. Nach außen präsentiert sich das neue Haus als scharfgeschnittener Kubus. Gezielt angeordnete Fensterelemente in den Gebäudeecken und Erker an den Längswände geben den Blick auf Kirchplatz und Berkelkraftwerk frei und ermöglichen Blicke entlang der Gasthausstraße und dem Stadtgraben. Ein durch eine Wandscheibe vom Ausstellungsbereich abgeschirmter Leseraum öffnet sich zur westlich anschließenden Berkelaue. Um das neue "Kulturhistorische Zentrum" als zusammengehörigen Gebäudekomplex erfahrbar und nach außen erkennbar zu machen soll versucht werden, durch die Auswahl der Oberflächenmaterialien eine einheitliche Textur und Farbigkeit im Inneren und Äußeren herzustellen. Die Bestandsbauten und der Neubau erhalten dazu eine möglichst einheitliche Ziegelfassade. Bei den Bestandsbauten aus den siebziger Jahren wird eine neue Wärmedämmung aufgebracht, die nach außen durch eine neue Schale aus Ziegelmauerwerk verblendet wird. Im Zuge der Veränderungen am Gebäude aus den achtziger Jahren im Erdgeschoss und im Giebelbereich zur Gasthausstraße soll die Ziegelverblendung ersetzt werden. Der Neubau wird mit dem gleichen Ziegelmaterial bekleidet. Unter Einbeziehung der Sockelzone entlang des Stadtgrabens entsteht so von Ost nach West ein in Textur, Farbe und Maßstäblichkeit einheitliches Gebäudeensemble, daß sich in die vorhandene von Ziegeln geprägte Umgebung der Stadt Vreden eingliedert.

Energieeffizienz / Nachhaltigkeit
Im Hinblick auf eine sinnvolle Weiterbenutzung der bestehenden Gebäude ist eine sorgfältige Analyse des Bestandes angezeigt. Aufgrund der bisher zur Verfügung stehenden Unterlagen erscheinen die vorhandenen Grundstrukturen leistungsfähig genug, um sie für die vorgeschlagenen Nutzungen und damit ressourcenschonend zu verwenden.
Allerdings kann im Zuge einer notwendigen energetischen Ertüchtigung der Gebäudehüllen davon ausgegangen werden, daß die äußeren Gebäudeschichten weitgehend ersetzt bzw. ergänzt werden müssen. Dies wird, wie oben bereits beschrieben dazu genutzt, die äußere Erscheinung der Gebäude und Freianlagen zu vereinheitlichen, ohne damit jedoch die Eigenständigkeit der Gebäude zu negieren.
Es wird angestrebt, die Gebäude weitgehend natürlich zu be- und entlüften. Dies wird angesichts der zu erwartenden Besucherströme jedoch nicht ohne maschinelle Unterstützung funktionieren. Um eine effiziente und die Betriebskosten minimierende Funktionsweise sicherzustellen werden RLT-Anlagen als Teilklimaanlagen ausgebildet.
Grundsätzlich werden dazu für in sich abgeschlossene Funktionsbereiche, wie z.B. Foyer mit Cafe, Multifunktionsräume, Ausstellungsflächen etc. gesonderte Anlagen vorgesehen.
Der modulare Aufbau der Anlagen ermöglicht einen flexiblen, an die Nutzungserfordernisse angepaßten Betrieb. Durch variable Luftvolumenströme und den modularen Aufbau der Anlagen kann sowohl bei Minimalanforderung bei Teilbelegung als auch bei Vollbelegung ein behagliches Raumklima geschaffen werden Auch auf unterschiedliche Ausstellungssituationen kann so reagiert werden. ggf. können auch Module nachgerüstet werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser entwickeln die Idee der »Museumspassage«, die den Entwurf sowohl städtebaulich als auch hinsichtlich der Gebäudekonzeption von allen übrigen Arbeiten unterscheidet. Die erforderliche Verschwenkung der Kulturachse wird kontrovers diskutiert. Die Attraktivität der Museumspassage wird gewürdigt, gleichzeitig leiden die Präsenz des Museums und des Haupteinganges. Auch funktional wird die Tragfähigkeit des Konzeptes in Frage gestellt: die Verbindung im Untergeschoss ist nicht ausreichend ausformuliert, um eine angemessene Verbindung der verschiedenen Teile der Einrichtung, die als offene Kultureinrichtung unterschiedlichene Disziplinen integrieren soll, herzustellen. Die architektonische Qualität der Arbeit wird ausdrücklich gewürdigt: Sowohl die Organisation des Grundrisses (abgesehen vom genannten Strukturproblem) als auch Fassaden und Details sind von hoher Qualität. Der Umgang mit dem Bestand und der Umgang mit dem Denkmal sind angemessen. Gelobt wird die Freistellung des Armenhauses durch eine Glasfuge. Der Ausstellungsraum ist aufgrund seiner klaren Struktur gut und flexibel nutzbar, lediglich im Untergeschoss werden die Potentiale der Ausstellungsflächen, die in der Verbindung von Untergeschoss und Erdgeschoss und in der Verbindung von linkem und rechtem Bauteil liegen, nicht ausreichend genutzt. Die Situation der Andienung für Museumszwecke ist noch nicht zufriedenstellend gelöst.

Insgesamt bildet die Arbeit einen gelungenen Beitrag mit einer strukturell ungewöhnlichen Lösung.