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Offener Wettbewerb | 04/2017

Stadt Weimar - Haus der Weimarer Republik

Blick vom Zeughof

Blick vom Zeughof

2. Preis

Preisgeld: 7.500 EUR

Osterwold°Schmidt EXP!ANDER Architekten BDA PartGmbB

Architektur

Hennicke + Kusch

Tragwerksplanung

Architekturmodelle Thomas Looks

Modellbau

Erläuterungstext

Der Wunsch dem künftigen „Haus der Weimarer Republik. Forum für Demokratie“ Ausdruck als ideelles Gravitationszentrum zu verleihen wird zuerst in der Verortung Raum geschaffen, in dem es vom öffentlichen Raum umflossen, von der Öffentlichkeit frei umgangen werden kann - sozusagen zwischen Theaterplatz und Zeughof „schwimmt“.
Die städtischen Räume korrelieren mit der Neuordnung des Gebäudeinneren, bewährte stadträumliche Funktionen bleiben ungestört, werden durch die neuen Nutzungen des Hauses ergänzt bzw. treten miteinander in symbiotische Beziehungen.
In diesem Verständnis bleibt ganz nach der Anlage der ehemaligen Coudray’schen Wagenremise und nun mit der besonderen neuen Nutzung als „Haus der Weimarer Republik“ der Haupteingang am Theaterplatz vis à vis des Deutschen Nationaltheaters Weimar als erstem Sitzungsort der Nationalversammlung der Weimarer Republik. Von dieser Ebene werden die maßgeblichen Räumlichkeiten für die musealen Nutzungen und der Lernort erreicht.
Die südliche Flanke zum Wittumspalais bleibt (parallel zur inneren Längserschließung) der beliebten Fußwegachse als rasche innerstädtische Querung und Erreichbarkeit des Zeughofes vorbehalten, während die nördliche Achse zusätzlich geöffnet wird. Ihr Charakter ist ganz anderer Prägung durch Großbaumbestand, Höhenüberwindung durch eine großzügige Freitreppe und Mündung in den Zeughof. Die Option der Durchwegung ist damit per sè eine deutlich langsamere, die Nutzungsverknüpfungen offeriert. So können Aufenthaltsqualitäten in Fortführung der Bespieglung als Künstlergarten ausgebaut werden als bewahrter baumbestandener Hof, der mit dem Museumscafé samt Freisitz in diesem Bereich korrespondiert. Pragmatisch praktische Funktionen wie das öffentliche WC oder auch die Anliefermöglichkeit für das Museum finden hier ihre logische Anordnung. Gleichzeitig bliebe Platz für eine Sommeraußenbar und über die Freitreppe - hälftig zum Schreiten bzw. Sitzen geteilt - wird der Künstlergarten zum Hochplateau des Künstlerhofes des benachbarten Atelierhauses Böttchergasse bzw. Verweilort vor dem Zeughof. Der Freiraum des Zeughofes ist im Zentrum mit Themenfeldern dem Kinderspiel vorbehalten. Umlaufende Wege mit Sitzgelegenheiten und der große Baumbestand bieten zudem Aufenthaltsqualitäten für jedermann und im Besonderen für die Wissenschaftsebene des „Hauses der Weimarer Republik“ an, das von hier bedarfsweise auch unabhängig erreicht werden kann.
Diese Aspekte der Verortung durch funktionale Raumbeziehungen und Verknüpfungen sowie Erreichbarkeiten können als ein Baustein für ein Haus der Demokratie gesehen werden im Sinne von Nahbarkeit und Zugänglichkeit.
Die Räumlichkeiten des jetzigen Bauhausmuseums werden auf den Mauern des ehemaligen Zeughauses erweitert und umfassen ergänzend den heutigen Oberlichtsaal. Die Idee des vormaligen Volumens Zeughaus wird an die
Traufkante des Saaltraktes erhoben, so dass ein volumetrisches Zusammenspiel von Coudray-Bau samt musealer Erweiterung erzeugt wird.
Klar ablesbar bleiben dabei die extrem unterschiedlichen Bauzeitalter. Die auf Stützen reduzierte bauliche Ergänzung schafft dabei Raum für die gewünschten Flächen; sie vereint, vermittelt und verbindet die epochal differenten Gebäudeteile und -ebenen und sie nimmt einen subtilen Bezug
auf das klassische Griechenland als Wiege der „Grundlagen der Demokratie als auch die der abendländischen Baukunst“*. Statt vordergründiger Säulenordnung und Symmetrie als Schmuck und Zeichen der Hierarchie baut die funktionale Tragstruktur vielmehr auf dem Historischen auf und führt in Eigenständigkeit vereinigend Alt & Neu weiter.
Die eigentliche Fassade - als Klimahülle des neuen Hauses - rückt nach innen, so dass die Schichtung und Tiefe der Fassade Offenheit und Zugänglichkeit vermitteln können. Wandelgang und Stadtloge als gewonnener musealer Außenraum schaffen Bezug zu geschichtsträchtigen Nachbarbauten wie bspw. dem Wittumspalais. Die Idee der „Köpfe der Demokratie“ als plastisch-künstlerische Verkörperung die Entwicklung der Demokratie prägender Persönlichkeiten verbindet im Wandelgang einen Bestandteil der Ausstellung mit dem unterschwelligen Zitat architektonischer Ornamentik.
Die anschließende Glasfassade für schöne lichte Innenräume ist witterungs- und sonnengeschützt und muss nicht scheinbarer Ausdruck von Transparenz (im demokratischen Sinne) sein.
Wie eine bergende Hülle umfließt und umschließt der Neubau, der in diesem Geschoss die Dauerausstellung aufnimmt, den Oberlichtsaal als Raum für Wechselausstellungen und Vortragsveranstaltungen. Auf diese Weise können unabhängige als auch verflochtene Nutzungen dieser Raumbereiche als Rundwege ermöglicht werden. Sie starten im Foyer, tangieren das Café, führen durch die Ausstellungs- bzw. Vortragsbereiche und münden nach dem Museumsshop wieder im Foyer. Vor dem nördlichen Ausstellungsstart schafft eine großzügige Treppe - mit Lichtauge und umfasst mit Ausstellungsvitrinen - Verbindung zum unteren Geschoss auf Zeughofniveau direkt zum teilbaren Multifunktionsraum. In Querverbindungen und Rundlauf sind hier ungestört die Räume zum wissenschaftlichen Arbeiten untergebracht. Eine interne Treppe im Südtrakt schafft neben der öffentlichen Nutzung vertikale Raumverbindungen bis in die Dachebene.
Zum Theaterplatz tritt der Coudray’sche Bau quasi „ungestört“ in Erscheinung. Am Zeughof werden die alten Mauern des Zeughauses denkmalgerecht saniert. Die aufgelöste Konstruktion der neuen Bauteile aus sandfarbenem, feingestrahltem Beton mit hinterlagerter filigraner Pfosten-Riegel-Konstruktion verbindet alles zu einem baulichen Ensemble. Auch im Innern wird statt Kontrast eine Atmosphäre selbstverständlicher Fügung der Bauteile unter Wahrung ihrer Eigenständigkeit angestrebt.
Im städtebaulichen Ideenteil wird der Wohnblock entfernt und zum zu sanierenden künftigen Atelierhaus der Böttchergasse 9 ein winkelförmig gespiegeltes Pendant gepaart. Das Gebäude bildet die erforderlichen Raumkante zum Zeughof und schafft räumliche Gliederung für die Böttchergasse. Unter Berücksichtigung des dortigen schönen Baumbestandes und angemessener Freibereiche vor der Hauptfassade der Böttchergasse 9 werden großzügig proportionierte hofartige Vorbereiche geschaffen. Für Wohnen bzw. Wohnen & Arbeiten können dadurch hochqualitative Bedingungen in der Innenstadt geschaffen werden.
Die fehlende östliche Raumkante wird zwischen Geleitstraße und Zeughof mit einem eingeschossigen Plateau geschlossen, auf dem sich vier Gebäudeflügel aufrichten und architypisch markante Giebelhäuser in neuer Interpretation der historischen Bebauung entstehen lassen. Unter Berücksichtigung des Großbaumbestandes rückt die neue Bebauung von der historischen Kante an der Geleitstraße zurück und vermag trotzdem den Platzraum um den Donndorfbrunnen zu fassen. Der gewonnene Lichtraum offeriert Freiraumnutzungen für die Erdgeschossnutzungen im Plateau. Dimension und Größe erlauben eine variantenreiche Nutzung wie klassische Geschäftunterlagerung und Parkierung, Markthalle, Kunsthalle oder aber auch Konzert- bzw. Musikprobensaal. Eine möglichst öffentliche, wenig kommerzielle Nutzung in diesem Bereich kann die die Neuordnung diese Innenstadtbereiches gesamt zu einem „Forum der Demokratie“ abrunden - ganz nach dem Grundprinzip der Offenheit.
* „Demokratische Architektur?“, Norbert Borrmann, 2014

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Konzeption dieser Arbeit führt zu einer sehr einprägsamen Baufigur, in welcher der stadträumliche Ansatz und die architektonische Idee sich ideal ergänzen. Die städtebauliche Konzeption eines neuen Platzes auf der Ostseite produziert eine schöne Raumfolge vom Theaterplatz über den neuen Platz bis zum Platz am Donndorfbrunnen. Während der bedeutungsschwere Theaterplatz ein eher steinerner Platz ist, soll – und das wird von der Jury befürwortet - der neue Platz eher eine grüne Stadtoase sein. Dabei ist für den Entwurf wichtig, dass beide Plätze durch die Süd-und-Nord-Passage so eng wie möglich verbunden sind und zum Flanieren einladen - an der Südseite durch den engen, steilen Pfad, an der Nordseite aber durch einen relativ weiten Raum mit großzügiger Freitreppe. Diese Bewegungslinien finden dann in der weiteren städtebaulichen Lösung ihre Fortsetzung, wobei anzumerken ist, dass die stark historisierende Freiflächengestaltung des Platzes zu überdenken wäre. Die städtebauliche Lösung insgesamt gliedert die Stadträume in sinnvoller Weise, insbesondere wäre – wie im Entwurf vorgesehen – die Einrichtung einer öffentlichen Kulturfunktion im Gefolge der Platzräume zu begrüßen. Im Detail sieht die Jury hier allerdings Korrekturbedarf.
Die Architektur des Hauses nun antwortet auf die stadträumliche Konzeption durch einen starken Solitär, welcher vom Raum der Stadt quasi umspült wird. Dem Mauerfragment des alten Künstler- bzw. Zeughauses wird in strenger Form eine Kolonnadenreihe aufgesetzt, welche zugleich einen Umgang, einen Wandelgang erzeugt. Und dieser fasst und verbindet die vorhandenen Strukturen und erweist sich als der besondere Kerngedanke des Entwurfs. Einerseits wird hier die Figur des Tempels oder der Stoa aufgerufen, möglicherweise ein architektonisches Zeichen für die alte Polisdemokratie (die Verfasser verweisen darauf), andererseits verbindet diese Schicht der Arkaden Innenraum und Außenraum, Haus und Platzraum auf sehr schöne Weise, weil dadurch auch der Mensch, das Publikum als Herr der Szene auftreten kann und weil hier das Höhenniveau von Theaterplatz und Ausstellungsebene zu einer Art Stadtterrasse über dem grünen Platz geführt wird. Zudem vermittelt die Kolonnade einerseits eine gewisse Monumentalität, andererseits große Leichtigkeit.
Die Haupterschließung des Hauses erfolgt vom Theaterplatz. Die innere Organisation des Hauses ist sehr plausibel und erschließt sich leicht. Dem bestehenden Ausstellungsraum wird durch die neue gläserne Aussenwand mit Arkade eine zweite Raumschicht als Ausstellungsort hinzugefügt. Es entsteht eine spannende Wechselbeziehung zwischen dem eher introvertierten, bestehenden Ausstellungsaal mit Oberlicht einerseits und dem lichtdurchfluteten, umfassenden Raum mit Blick in die Stadt andererseits. Die Büroräume liegen im unteren Geschoss an der Südseite, der Multifunktionsraum in guter Lage ebenfalls im Untergeschoss zum Platz hin gewendet. Die Verbindung der Ausstellungsebene mit dem Multifunktionsraum wird über eine größere Treppe an der Nordseite des Ausstellungsraumes und ein Foyer im unteren Geschoss angemessen geleistet.
Offener Realisierungs- und Ideenwettbewerb Stadt Weimar Haus der Weimarer Republik
Insgesamt respektiert die Arbeit in hohem Masse den Bestand. Die wenigen Eingriffe, wie die Öffnung an der Stirnseite des Ausstellungsraumes oder neue Unterkellerung im südlichen Teil sind nachvollziehbar. Zugleich werden die Bestandsfragmente mit einer Art Superzeichen, interpretierbar als Kolonnade oder Tempelmotiv, zu einer bestechenden architektonischen Ganzheit zusammengeführt, die sich – wie gesagt – zu einem Solitär als „link“ zwischen den großen Platzräumen fügen. Diese gestalterische Operation beschränkt sich auf ein Motiv und ist wiederum sehr einfach.
Es sollte angemerkt werden, dass die sehr statuarische und pathosstiftende Galerie der Weimarer Reichskanzler, eine Art Weimarer Walhalla, sowohl in räumlicher wie personaler Hinsicht zu überdenken wäre und einem freieren Konzept weichen sollte, also Betonung der Modernität, kein Traditionalismus. Zudem ist festzustellen, dass von der anderen, der Theaterplatzseite, also einer durchaus wichtigen Seite, die Neubestimmung des Ortes als moderner Ort des Demokratiediskurses architektonisch kaum markiert wird.
Wandelgang und Dauerausstellung

Wandelgang und Dauerausstellung

Lageplan

Lageplan

Grundriss Untergeschoss Ebene Forschung

Grundriss Untergeschoss Ebene Forschung

Grundriss Erdgeschoss Ebene Ausstellung

Grundriss Erdgeschoss Ebene Ausstellung