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Offener Wettbewerb | 04/2017

Stadt Weimar - Haus der Weimarer Republik

Zeughof

Zeughof

Anerkennung

Preisgeld: 2.000 EUR

Maria Frölich-Kulik

Architektur

Erläuterungstext

Beteiligung, Vielfalt sowie der Dialog zwischen teils widersprüchlichen Ideen und Perspektiven sind Grundthemen gelebter Demokratie. Diese Themen sind die Entwurfsgrundlage für das Forum für Demokratie. Als Knotenpunkt in Weimars städtischer und kultureller Landschaft soll der Austausch zwischen verschiedenen Nutzergruppen
sowohl innen- als auch außenräumlich ermöglicht werden und ein zentraler Anlaufpunkt für Bürger und Besucher der Stadt entstehen. Ziel des Entwurfes ist es die räumlichen Voraussetzungen für ein dialogisches und demokratisches Miteinander zu schaffen.

Städtebau - Das Zeughof-Quartier
Der städtebauliche Vorschlag orientiert sich an den gefassten städtischen Räumen und schreibt den Stadtgrundriss fort. Die neuen städtebaulichen Kubaturen nehmen Bezug auf die historischen Baukanten der Altstadt Weimars. Über die gassenartigen Zugänge - Zeughofgasse und Böttchergasse - wird der historische Zeughof als neuer innerstädtischer Platz erschlossen. Der Zeughof bietet einen ebenerdigen Zugang zum Forum für Demokratie sowie zum Künstlerhaus Böttgergasse 9. Das Wohnquartier zwischen Böttchergasse, Zeughof und Donndorfbrunnen ist als Blockrandbebauung ausgebildet, die einen gemeinsamen Hof umschließt. Die städtebauliche Figur ermöglicht verschiedene Wohnformen: vom städtischen gereihten Wohnhaus bis zur barrierefreien
Geschosswohnung. Etwaige öffentliche Nutzungen, bspw. eine Kindertagesstätte und eine neue Kunsthalle, können ohne weiteres in das Volumen integriert werden. Gemeinschaftliches Wohnen ergänzt das Künstlerhaus Böttgergasse 9.
Das Forum für Demokratie ist von allen vier Seiten zugänglich und erlaubt so individuelle Eingänge zu den jeweiligen Nutzungsbereichen : über den Theaterplatz im Westen zum Museum, über den Künstlergarten an der Nordseite zum Café, über den östlichen Zeughof durch ein Foyer zum Multifunktionsraum und den Räumen der politischen Bildung sowie von der Zeughofgasse im Süden zu den Büros – das erlaubt auch einen separaten
Zugang zur Bibliothek.

Alt- und Neubau
Der Bestand ist in seiner Kubatur und Formensprache klar erkennbar und wird durch einen Neubau ergänzt. Der Neubau vermittelt zwischen den verschiedenen bauzeitlichen Schichten und strukturellen Brüchen des Bestandes mit einer zeitgemäßen Fachwerkkonstruktion auf massivem Sockel, abgeleitet von der historischen
Bauweise des ehemaligen Zeughauses. Unterschiedliche Zeugnisse der Nutzungs- und Baugeschichte des Gesamtensembles bleiben erhalten und erscheinen durch den verbindenden Neubau als ein zusammenhängendes Ganzes. Die ökologisch und ökonomisch nachhaltige Fachwerkkonstruktion ist mit Mauerwerk ausgefacht und
egalisierend geschlemmt. Das Forum für Demokratie tritt in seiner Kubatur und Materialität als zurückhaltender Baustein der Weimarer Altstadt in Erscheinung und fügt sich selbstverständlich ein. Gezielt gesetzte Öffnungen in der Fassade erlauben Ein- und Ausblicke. Trotz der kompakten Gestalt wirkt das Forum transparent und öffnet sich zur Stadt.

Erschließung und Rundgang
Das Forum für Demokratie richtet sich unter anderem an Schüler, Künstler, Forscher und Museumsbesucher. Für alle vorgesehenen Nutzungen bietet der Entwurf adäquate Räume. Die notwendigen Erschließungsräume sind in ihrer Funktion als Schnittstellen zwischen den unterschiedlichen Funktionsbereichen als Räume mit Aufenthaltsqualität ausgebildet. Genauso wie die Freiräume im Außenbereich fördern sie Begegnungen und
Austausch.
Um einen funktionsübergreifenden Austausch zu ermöglichen, sind im Forum für Demokratie alle Nutzungsbereiche miteinander verbunden. Das Arrangement der Nutzbereiche ist auf kurze Wege optimiert, so dass sich klar bevorzugte Bewegungsrichtungen für die verschiedenen Nutzer ergeben.
An der Nordseite des Gebäudes erfolgt die Erschließung über eine raumbildende Rampe, die den Museumsbesucher empfängt und auf den Rundgang durch das Forum für Demokratie einlädt. Daran schließt sich der Ausstellungssaal auf den Mauern des ehemaligen Zeughauses an. Während des Rundgangs erlauben Öffnungen den Blick in den Künstlergarten, zum Zeughof sowie in die historische Kunsthalle. An der Südseite des Gebäudes führt ein großzügiges Treppenhaus den Museumsbesucher hinab in den Verbindungsgang im Kellergeschoss unter der Kunsthalle. Dieser Gang ermöglicht es, den Tiefpunkt der Weimarer Republik im Jahr 1933 zu inszenieren. Gleichzeitig leitet er den Besucher an den Ausgangspunkt der Ausstellung zurück. Die ehemalige Kunsthalle,
nun Saal für wechselnde Nutzungen, ist vom Foyer aus zugänglich.
Die zentralen vertikalen Erschließungsräume und die Aktivierung des Kellergeschosses als Verbindung unter der Kunsthalle ermöglichen einen kontinuierlichen Museumsrundgang, der je nach Ausstellungskonzept wandelbar ist: Dauerausstellung und Sonderausstellungen sind koppelbar und können auch an den Multifunktionsraum angeschlossen werden. Dabei bieten die beiden großzügigen Erschließungsräume ebenfalls Ausstellungsflächen, sodass die Geschichte der Weimarer Republik durchgängig und in einem Fluss erzählt werden kann. Die Erschließungsräume gewährleisten zusätzlich ebenerdig die notwendigen Fluchtwege.

Barrierefreiheit
Demokratie bedeutet die Beteiligung aller am gesellschaftlichen Leben. Das Forum für Demokratie ist ein Ort, der Schwellen verringert und barrierefreie Zugänge zu allen Nutzungsebenen selbstverständlich garantiert. Darüber hinaus lädt das Forum für Demokratie auch unabhängig von einem Eintritt in das Gebäude zum Verweilen ein - eine umseitig verlaufende Bank bildet Sitz- und Austauschgelegenheit für Passanten. Über Audioinstallationen in den Leibungen können die Ausstellungsinhalte auch im Außenraum akustisch erfahrbar gemacht werden.

Forum in der Stadt
Von allen Seiten zugänglich bietet das Forum für Demokratie verschiedenen Nutzern ein Gebäude, das durch kurze und barrierefreie Wege alle Funktionsbereiche im Innern eng miteinander verknüpft und den Austausch zwischen verschiedenen Nutzergruppen ermöglicht. Gleichzeitig lädt es zur spontanen Beteiligung und zum informellen Austausch sowohl im Innen- als auch im Außenraum ein. Durch die offene Einbindung in sein Umfeld
beeinflusst das Forum für Demokratie drei wichtige öffentliche Außenräume: den Theaterplatz als vornehme städtische Adresse des Museums, den Vorplatz des Zeughauses mit Kinderspielplatz sowie den Künstlergarten zwischen dem Forum für Demokratie und dem Künstlerhaus.
Dabei fungiert das Forum für Demokratie als Vermittler und Moderator in demokratischen Meinungsbildungsprozessen: Es bietet Raum zur individuellen Bildung und fördert den Austausch zwischen verschiedenen Sichtweisen
durch enge räumliche Beziehungen im Inneren des Gebäudes sowie in Relation zu seinem städtischen Kontext.

Beurteilung durch das Preisgericht

Im vorliegenden Beitrag werden die Reste des alten Zeughauses und die ehemalige Wagenremise von Coudray mit ihrer Veränderung durch den Einbau der Kunsthalle zu einem „Forum der Demokratie“ weitergedacht. Beteiligung, Vielfalt und Dialog werden als Grundthemen gelebter Demokratie zu entwurfsbestimmenden Leitideen.

Es ist ein klarer, durch seine Schlichtheit überzeugender Baukörper entstanden, der die verschiedenen bauzeitlichen Schichten auf sehr selbstverständliche Art und Weise zusammenfasst. Das Besondere dieses neuen Bausteins ist, dass er sich nach allen Seiten dem umliegenden Stadtraum zuwendet. Damit wird zum einen eine hohe Flexibilität für die Nutzbarkeit des Hauses generiert, zum anderen sind von dieser Entwurfshaltung wichtige Impulse für die Belebung des neu gestalteten Zeughofareals im Osten und des nördlich gelegenen Zugangs zu diesem zu erwarten.

Der Vorschlag für die städtebauliche Fassung des Zeughofes überzeugt nicht vollständig, da die große Kubatur des Baublockes am Donndorfbrunnen das neue Forum für Demokratie mit seinen bescheidenen Ausmaßen fasst erdrückt. Die Dimension des neuen Platzraums zwischen Forum und dem vorgeschlagenen Wohnungsbau ist zu klein.

Das Raumprogramm wurde erfüllt. Der Hauptzugang zum Forum der Demokratie erfolgt vom Theaterplatz aus. Die gewünschten Funktionen sind an den jeweils richtigen Stellen im Gebäude angeordnet, so dass an jeder Fassadenseite eine Interaktion mit dem davor liegenden Außenraum erfolgen kann. Das funktioniert besonders gut an der Ost-, Süd- und Westseite des Gebäudes, die vorgeschlagene Aufschüttung an der Nordseite und die Positionierung der Freitreppe zum Zeughof können in der dargestellten Fügung von Alt und Neu nicht vollständig überzeugen. Die atmosphärisch gestalteten Innenräume bieten gute Voraussetzungen für die wohl durchdachte Inszenierung des Rundgangs durch die Ausstellungen. Die Barrierefreiheit als eine Grundvoraussetzung dafür, dass alle Menschen gleichermaßen das Forum der Demokratie benutzen können, ist durchgehend gewährleistet.

Die Jury diskutiert die Hülle der neuen Gebäudeteile des Ensembles kontrovers. Der angebotene Gestaltungsvorschlag für die neuen Fassaden, die umlaufend durch senkrechte Gliederungselemente geprägt werden, ist nachvollziehbar, jedoch wird die vorgeschlagene Materialisierung kritisiert. Hier wäre ein kraftvollerer Auftritt der Aufgabe entsprechend angemessener gewesen. Besonders kritisch wird die Anordnung der Fensteröffnungen zum Zeughof hin bewertet. Der Versuch, die barocke Symmetrie des historischen Sockelgeschosses gestalterisch zu brechen, ist erkennbar, trotzdem wirkt die Anordnung dieser Fenster beliebig und austauschbar. Unabhängig von dieser Kritik sind viele kleine Details positiv hervorzuheben, wie zum Beispiel die steinernen Sitzsockel zum Theaterplatz und zum neuen Zeughof, die den feinen und leisen Auftritt des Entwurfs unterstreichen und die Vielfalt der Entwurfsgedanken widerspiegeln.

Insgesamt handelt es sich bei der vorliegenden Arbeit um einen wertvollen Beitrag in der Diskussion um die Gestaltung eines neuen Hauses der Weimarer Republik, dessen entwerferische Leitideen in sich schlüssig und gestalterisch konsequent umgesetzt werden. Kritikwürdig bleibt, dass die Umgestaltung und der Neubau vom Theaterplatz aus architektonisch nicht wirksam werden.
Lageplan

Lageplan

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Kellergeschoss

Grundriss Kellergeschoss

Querschnitt

Querschnitt

Längsschnitt

Längsschnitt