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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2022

Neukonzeption, Sanierung und Erweiterung des Museums für Sepulkralkultur in Kassel

Perspektive

Perspektive

Engere Wahl

ATELIER 30 Architekten GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Freiraum und Adressbildung
Um das Museum für Sepulkralkultur für den Besucher erfahrbarer zu machen, wird eine attraktive Vorplatzsituation geschaffen, welche den Ankommenden über die Weinbergstraße nach der Grimmwelt direkt auf das neu gestaltete Eingangsplateau führt. Schollenartige mit Cortenstahl gefasste Efeugrünflächen mit integrierten Sitzbänken bilden hier die Fassung für einen durchgehenden Granitpflasterbelag. Da die derzeitige schmiedeeiserne Zaunanlage eine starke Sichtbarriere zwischen Haupteingang und Weinbergstraße vermittelt, wird vorgeschlagen, diese hier abzubauen und im südlichen Grundstücksbereich aufzustellen. Durch das Gefälle bleibt der Blick durch die Fenster des Hauses unberührt.

Dachaufstockung/Konstruktion und Materialität
Aus statischen und nachhaltigen Gesichtspunkten wird für die Dachaufstockung ein Holzrahmenbau vorgeschlagen. Durch den hohen Grad an Vorfertigung beinhaltet dieser auch die Vorteile einer wirtschaftlichen Umsetzung. Als Fassadenoberfläche sind Paneele und eine Verkleidung aus Messingblech vorgesehen, welche mit der Zeit eine natürlich Patina bekommen und gut mit dem Bestand korrespondieren, bzw. auch ihre eigene Ästhetik entwickeln. Ein feingliedriges Netz aus Vor- und Rücksprüngen detailliert dabei die Fassade. Die Gliederung der einzelnen Fenster und vertikalen Fluchten spielt dabei mit dem symmetrischen Kanon des Bestandes, bzw. baut hier eine subtile Kommunikation auf.

Multifunktionsraum/Konstruktion, Materialität und Sonnenschutz
Der neue Multifunktionsraum der Remise bildet das Zentrum des Gebäudes. Über die neue Pfostenriegelkonstruktion öffnet sich hier der Blick hin zur Kasseler Südstadt über das Weinbergpanorama. Für das neue Dach ist in diesem Bereich eine Flachdachkonstruktion mit Stahlträgern geplant, welche homogen an den Bestand im Bereich des 1. Obergeschosses anbindet. Um den solaren Eintrag im Dachbereich zu reduzieren, werden 12 Lichtkanonen vorgeschlagen, welche den Innenraum einen spannungsvollen oberen Abschluss verleihen und dem Raum eine subtile natürliche Belichtung geben.

Innere Erschließung und Umgang mit den historischen Bestand
Der Haupteingang in das Museum verbleibt in der Fuge zwischen Remise und Neubau. Von hier aus öffnet sich dem Besucher der Panoramablick über den verglasten Galerieraum in den Freiraum.

Um die derzeitige beengte Eingangssituation hin zum Kassenbereich bzw. den anschließenden Veranstaltungsbereich entgegenzuwirken, wird vorgeschlagen, durch zusätzliche Öffnungen in der Wand den Durchgangsbereich großzügiger zu gestalten. Dabei ist angedacht, die historischen Sandsteinlisenen zu erhalten, bzw. freizulegen, um in den Kassenbereich zu leiten. Dieser entwickelt sich in seiner Gestaltung aus der skulpturalen Möblierung der Außenanlagen und führt in den Museumsshop. Als Material ist hier Eiche mit einer Ebenholzlasur angedacht. 

Es wird ebenfalls vorgeschlagen, den Durchgang vom Kassenbereich zum Shop zu vergrößern, um auch diesen Bereich großzügiger zu gestalten.

Auch im Innenraum des neuen Multifunktionsraumes werden die vorhanden Fenster zum Shop und im Cafébereich leicht angepasst, so dass hier eine ruhige Symmetrie mit den Fenstern im 1. OG entsteht, bzw. auch hier der gesamte Bereich durchlässiger und offener erscheint.

Ähnlich wird im Seminarraum und Garderobenbereich verfahren. Hier wurden in der Fassade die großen Öffnungen im historischen Kontext verkleinert, mit Fenstern versehen und das Mauerwerk anschließend verputzt. Diese Öffnungen werden wieder vergrößert und die Fluchten der darüber liegenden Fensterformate durch entsprechende Anpassungen aufgenommen.

Für die Erschließung der Obergeschosse wird zum einen das vorhandene nördliche Treppenhaus umgebaut, bzw. im Bereich des Foyers der Remise ein Personenaufzug vorgeschlagen. Im 1.OG befindet sich der wissenschaftliche Bereich mit Bibliothek und entsprechenden Büroräumen. Im Bereich der Bibliothek wird der vorhandene Höhenversatz durch einen Hohlraumboden ausgeglichen. In der neuen Dachaufstockung findet sich der Bereich der Direktion, Verwaltung und Sacharbeit wieder. Neben weiteren Sozialräumen sind hier auch der Sitzungsraum, die interne Bibliothek und das Archiv für wertvolle Bücher angesiedelt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Vorplatzsituation ist durch die Entfernung der Zaunanlage (Wiederaufbau in der südlichen Gartenanlage) attraktiv gestaltet.

Zum Museum werden nun zwei Eingänge angeboten: Der Haupteingang ins Museum erfolgt weiterhin über die Glasfuge, ein zusätzlicher Eingang in die Remise dient der separaten Erschließung des Multifunktionsraumes. Hier eröffnet sich weiterhin der hohe Lichthof mit Panoramablickachse über die Terrasse nach Süden.

Der Multifunktionsraum ist das neue Zentrum und erhält ein Flachdach aus Stahl mit Lichtkanonen zur Reduzierung des solaren Energieeintrags. Das Foyer des Haupteingangs erhält eine Erweiterung durch zusätzliche Öffnungen in der inneren Außenwand der Remise.

Der Kassenbereich mit dem großzügigen Shop verbindet den Veranstaltungsraum mit dem Museumsbereich. Es entsteht eine nachvollziehbare Raumabfolge durch die Ausstellung und den Shop zum Multifunktionsraum, zum Café und zur Terrasse. Positiv ist zudem, dass der Shop dabei zwingender Durchgangsraum zu den Garderoben ist.

Als Einbauten sind raumgliedernde skulpturale Möbel aus Eiche mit Ebenholz vorgesehen.

Das Untergeschoss ist die Fortsetzung der Dauerausstellung, die zum Sonderausstellungsbereich führt und zum museumspädagogischen Bereich, der aus mehreren gegeneinander abgrenzbaren Räumen besteht und über eine Innen- und Außentreppe mit dem Seminarraum und dem Multifunktionsraum verbunden ist. Damit sind die Vermittlungsbereiche gut miteinander verbunden. Diese sind allerdings nicht vollständig barrierefrei und über den Lift im Neubau nur über lange Wege erreichbar.

Die Bibliothek im 1. Obergeschoss und das Archiv im 2. Obergeschoss sind für Fachbesucher separat zu erreichen.

Die Haustechnikbereiche liegen gebündelt im Untergeschoss.

In der neuen Dachaufstockung im 2. Obergeschoss sind generell alle Verwaltungsräume zusammenhängend untergebracht. Die neue Dachaufstockung ist statisch und nachhaltig konsequent als Holzrahmenbau ausgebildet, mit einer Verkleidung aus Messing, was sich durch die Patinabildung zu vorhanden gelbem Klinker anpassen wird. Der architektonische Ausdruck des Entwurfes wird in diesem Bereich kritisch gesehen, da er durch seinen Ausdruck und Materialität die Bezüge zum Bestand und zum Kückerbau nicht herstellen kann. Ein Teil des Preisgerichts urteilt den Aufbau insgesamt als etwas fremdartig und schwerfällig auf dem Bestandsgebäude. Der obere Abschluss des Gebäudes wirkt in gewisser Weise ‚unfertig‘.

Die gestalterische Spannung kommt aus dem Material- und Farbkontrast und entwickelt damit eine eigenständige Setzung, die sich zudem ausschließlich auf den Altbau fokussiert. Die Gliederung der Fenster spielt zwar mit der Gliederung des Bestandes, wirkt jedoch überzogen.

Der textile Sonnenschutz in diesem Bereich erhält Messingfäden zur optischen Verdichtung des Dachaufbaus im geschlossenen Zustand. Zur Förderung des Innenraumklimas kommen hauptsächlich Naturmaterialien wie Lehmputzplatten und Linoleum zum Einsatz.

Der Neubau erhält zur Verbesserung des Raumklimas einen windstabilen textilen Sonnenschutz, zudem eine Luft-Wärmepumpe, im Sommer PV-betrieben, welche mit der bestehenden Fußbodenheizung für Wärme und im reversiblen Betrieb für Kühlung sorgt.

Der Eingangsbereich wird durch die Entfernung des schmiedeeisernen Zauns freier sichtbar. Die Terrassierung und weitgehende Versieglung des Freiraums werden kritisch bewertet. Hier wird eine Überarbeitung der Freiraumplanung notwendig, die auch Elemente des schmiedeeisernen Zauns aufgreifen sollte. Die Neuaufstellung der Zaunanlagen im südlichen Freiraum muss überprüft werden.

Das Preisgericht würdigt die Vorschläge für den Umbau des Bestandsbaus. Die ergänzenden Maßnahmen, vor allem die vorgesehene Aufstockung, können nicht vollumfänglich überzeugen.
Lageplan

Lageplan

Ansicht Nord

Ansicht Nord

Ansicht Ost

Ansicht Ost

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Grundriss UG

Grundriss UG

Grundriss EG

Grundriss EG

Grundriss OG

Grundriss OG

Längsschnitt

Längsschnitt

Fassadenschnitt

Fassadenschnitt