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Einladungswettbewerb | 05/2015

Neubau eines Jüdischen Gemeindezentrums mit Synagoge

Innenraumperspektive der Synagoge

Innenraumperspektive der Synagoge

3. Preis

Preisgeld: 3.000 EUR

Huber Architekten

Architektur

Erläuterungstext

„Wer ein Haus baut, will bleiben“ - Salomon Korn, 1986.

Auf dem Grundstück der 1912 an der Straße „Am Brixener Hof“ errichteten und 1938 durch die Nationalsozialisten zerstörten Synagoge soll ein neues jüdisches Gemeindehaus mit einer neuen Synagoge errichtet werden. Ganz selbstverständlich wird die städtebauliche Figur durch einen winkelförmigen Baukörper weitergebaut. Das neue Gebäude besetzt die Grundstücksgrenzen der Nord- und Ostseite und schließt an das Fragment des verbliebenen Gemeindehauses an. Es entsteht ein introvertierter Innenhof um den sich alle Gebäudeteile des differenzierten Raumprogramms gruppieren. Die Synagoge als größtes, dominierendes Volumen besetzt die südöstliche Ecke an der Luzengasse und der Straße „Am Brixener Hof“. Orientiert sich der Bestandsbau und die neuen Gemeinderäume an dem umgebenden gewachsenen Stadtgefüge, überragt die neue Synagoge als Mitte der jüdischen Gemeinde als turmartiges Bauwerk zeichenhaft für das Geviert die restlichen Gebäudeteile.

Der Entwurf zielt auf eine funktional sinnvolle Gruppierung des vielfältigen Raumprogramms ab. Über einen zentralen Innenhof werden der bestehende und der neue Gebäudetrakt erschlossen.
Im Erdgeschoss des Neubaus befinden sich der große Versammlungsraum, die Bibliothek und der Clubraum. Über einen großzügigen Treppenaufgang im Foyer erreicht man das erste Obergeschoss mit Zugang zur Synagoge. Ein Übergang zum Bestandgebäude vernetzt Alt und Neu miteinander. Im zweiten Obergeschoss befinden sich die Schulräume der Gemeinde. Für die Kinderbetreuung kann der große Dachgarten genutzt werden.
Die Organisation des Bestandsgebäudes ist einfach und klar. Der bestehende Synagogenraum wird weiterhin als Betraum genutzt. Ebenso bleibt die Mikwe in ihrer bisherigen Funktion erhalten. Im südlichen Gebäudetrakt werden die Verwaltungsräume angeordnet, im nördlichen Teil die Wohnungen bis ins neu ausgebaute Dachgeschoss.
Begegnungsstätte der Jüdischen Gemeinde und allen Besuchern ist das Café an der Luzengasse. Es bietet unabhängig vom übrigen Gemeindehaus die Möglichkeit für Austausch und Begegnung.

Die Synagoge
Als Stätte der Versammlung, des Gebetes und der Lehre ist die neue Synagoge Mittelpunkt der Gemeinde. Selbstbewusst dreht sich der körperhafte Raum aus der Gebäudeflucht heraus, überragt die umgebenden Gebäudeteile und führt seine äußere, massive Gestalt auf den salomonischen Tempel zurück, der, fest mit dem Berg Zion verbunden, für Dauerhaftigkeit und Ortsverbundenheit steht. Den Innenraum der Synagoge selbst zu betreten, bedeutet Übergang in einen Raum von sakraler Stimmung und Gestalt. Der Raum lebt von drei Elementen: Proportion, Material und Licht. Die Raumform, das vertraute äußere Bild, ist Gefäß, Hülle für das Licht. Wie ein Futteral wird der Raum mit feinem Holz ausgekleidet und umschließt die versammelte Gemeinde. Der Raum öffnet sich zum Himmel, die gefaltete Decke streut das einfallende Licht und lässt durch seine Gestaltung symbolhaft den Stern erkennen. Die Synagoge ist im Inneren durch die Anordnung des Thoraschreins geostet. In der Mitte befindet sich die Bima, um die sich dreiseitig die Sitzbänke der Männer mit Blick Richtung Osten zur Thora und Jerusalem gruppieren. Die Frauen werden am Eingang auf die Empore geführt, um dort am Gebet teilzunehmen.

Material und Ausdruck
Eine homogene Masse aus Backsteinen -gebrannter Erde- hell verschlämmt. Alle Gebäudeteile verbindet dieses eine Material, mit dem Wandflächen, Boden und Dächer belegt werden. Die innere Raumordnung zeigt sich nach außen in differenzierten Fassadenöffnungen und im Wechsel zwischen geschlossenen und durchbrochenen Ziegelwänden. Die Wunde der zerstörten alten Synagoge bleibt durch den Bruch der Baukörper weiterhin sichtbar und könnte durch die Abnahme des Putzes des verbliebenen Giebelfragments verstärkt werden. Wenige Elemente dominieren die Außenräume: Eine Gleditschie als eindrucksvoller Solitärbaum, intarsienartig in die Ziegelböden eingestreute Hölzer und einige steinerne Sitzbänke. Hell geschlämmtes Ziegelmauerwerk, feine Betonwerksteine und dunkel gebeiztes Eichenholz bestimmen das Erscheinungsbild des neuen jüdischen Gemeindezentrums. Ganz selbstverständlich fügt es sich als zeitgenössischer Eingriff in das gewachsene Stadtgefüge ein.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser nehmen die Maßstäbe und Dimensionen der umliegenden Bebauung auf, indem sie einen Gebäudekomplex einfügen, der mit einer vermittelnden einheitlichen Traufhöhe arbeitet und diese lediglich im Bereich der Synagoge mit einem Akzent versieht. Die Überhöhung des Gebäudes sitzt städtebaulich an der richtigen Stelle.

Auch das öffentlich zugängliche Café überzeugt durch seine einladende Geste an dieser Stelle. Der Haupteingang ist über ein Tor zum Hof schön formuliert. Der Hof ist sehr großzügig dimensioniert und als Haupterschließungsbereich für das Gebäudeensemble gut geeignet. Durch die Auskragung der Obergeschosse zum Hof hin entstehen wertvolle, gut nutzbare Erschließungs‐ und Aufenthaltsbereiche. Über ein großzügig dimensioniertes Treppenhaus mit Vorbereich sind alle
Ebenen des Neubaus vom Veranstaltungssaal über die Synagoge bis hin zu den Klassenzimmern sehr einfach, schlüssig und zügig erschlossen.

Allerdings fehlen dem Veranstaltungsraum zugeordnete Toiletten. Ein schönes Element ist die gut dimensionierte und sicher vielseitig nutzbare Dachterrasse über dem Saal.

Nicht ganz so gut wie im Neubau ist die Organisation im denkmalgeschützten Bestand.

Sowohl der Rückbau der Treppe, als auch der rein nach Norden orientierte Wohnungsbau und die Arbeitsräume können noch nicht überzeugen. Auch der Eingriff in die denkmalgeschützte Bausubstanz geht vielleicht etwas zu weit.

Die Synagoge selbst wird vor allem geprägt durch die Lichtführung über die schmalen, hohen, umlaufenden Fenster, die dem Raum durchaus sakrale Nutzung verleihen.

Allerdings bleibt der Raum zumindest auf der Innenraumperspektive merkwürdig blass, die Dachkonstruktion bzw. die gefaltete Untersicht ohne Bezug zum Raum.

Die vorgeschlagene Materialisierung mit geräucherten Ziegeln, Stahlkonstruktionsrahmen und
Eichenholz‐Fenstern ist in sich stimmig und unterstreicht noch den ruhigen, unaufgeregten Duktus der Fassaden.

Insgesamt ist die Arbeit ein wertvoller Beitrag zur Frage wie man sich einerseits in den städtischen Kontext einfügt, andererseits jedoch auch einen besonderen Ort mit eigener Identität schaffen kann.
Plan 01

Plan 01

Plan 02

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