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Mehrfachbeauftragung | 12/2015

Kircheninnenrenovierung der Evangelischen Stadtkirche

1. Preis / Zur Realisierung empfohlen

AAg Architekten GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Der Entwurf ist eine Synthese zu den drei wesentlichen Themen:


Denkmal Veranstaltungsraum Spiritualität


Hierzu werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

- Erhalt und Wiederherstellung der originalen inneren Gebäudehülle und Gestalt
einschließlich der Original-Prinzipalien
- Ausbau der Bebankung im Erdgeschoss
- Einbau einer Sonderfläche im „gefühlten“ Schwerpunkt des Kirchenraumes
- Diese ist für verschiedene Bespielungen differenziert konfektioniert und (auch
gestaffelt) anhebbar
- 6 Stelen neben den Hauptstützen dienen als integrierte Leuchten, Lautsprecher,
Befestigungsmasten für Projektionsflächen und Raumteilern unterschiedlicher Größe
- Ausleuchtung der Gewölbe in den Seitenschiffen
- Nach dem Windfang bieten zwei mobile Einbauten Möglichkeiten für Kirchencafé,
flexible Zonierung (auch in anderen Bereich des Kirchenraumes), Stauraum etc.
- Die umlaufende Randbank bleibt erhalten
- In der linken Eingangshalle wird ein barrierearmes WC eingebaut
- Der Vorplatz wird durch ein um 3 Stufen angehobenes Podest und eine seitliche
Rampe aufgewertet und barrierefrei ausgeführt, die vorhandene Gliederung durch die
halbhohen Hecken bleibt erhalten


Durch die beschriebenen Maßnahmen wird die vorhandene denkmalgeschützte Substanz langfristig gesichert und belebt.
In diesem Raum sind sehr unterschiedliche Veranstaltungs- und Gottesdienstformen möglich.
Aus dem Kontrast aus originaler Raumschale und den subtilen Ergänzungen entsteht ein angereicherter Raum, der zeitgemäße Spiritualität von Menschen verschiedenen Alters, verschiedener Interessen und Herkunft anregt.

Jede der gewünschten oder auch noch nicht bekannte Gottesdienst- und Veranstaltungsformen kann ihre jeweilige Raumdisposition ohne große Vorarbeiten frei wählen und gestalten.
Das Zusammenspiel von variabler Bestuhlung, Sonderfläche und technischen Möglichkeiten lädt ein, selbst tätig zu werden. Es inspiriert!
Die Sonderfläche kann in ihrer Größe, Zonierung und Höhe je nach Bedarf unterschiedlich ausgestaltet werden.
Hierdurch wird das der Kirche liturgisch zu Grunde liegende Wiesbadener Programm bestärkt und die zeitgenössischen Liturgie- und Veranstaltungsformen in das Raumgefüge harmonisch integriert.

Wir schlagen vor, anstelle der Holzpodeste der ehemaligen Bebankung unter Erhalt des Steinbodens eine Fußbodenheizung einzubauen.
Sollte es im Gebäude möglich sein, ist eine CO2-neutrale Energieerzeugung (z.B. Holz-Pellets) die effektivste Art, das per se energetisch schwierige Gebäude auf eine verantwortungsvolle Weise mit vertretbarem Komfort zu beheizen. Für die Emporen und den Orgelbereich sind ggf. ergänzende Maßnahmen sinnvoll.
In diesem Zuge ist eine elektrische Versorgung der EG-Fläche in allen Bereichen möglich.
Die Projektoren können die Leinwände dezent von hinten anstrahlen.
Die neue Beschallungsanlage kann integriert werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit zeichnet sich durch einen sensiblen und würdevollen Umgang mit dem denkmalgeschützten Gebäudebestand samt dessen Wiesbadener Programm aus. Der Entfall von Bänken im Erdgeschoss zugunsten einer möglichst einfach zu realisierenden, multifunktionalen Nutzung des Innenraumes ist nachvollziehbar, zumal das denkmalgeschützte Innere ansonsten durchgängig erhalten bleibt. Die Ablesbarkeit der vorgenommenen Ergänzungen und die Reversibilität der vorgeschlagenen Eingriffe bieten aus Sicht der Jury vielfältige Nutzungsoptionen.
Der Entwurf schafft ein sowohl als auch: Die Durchführung von großen, klassischen und damit gewohnten Gottesdiensten ist ebenso möglich, wie auch die von moderneren, experimentelleren Gottesdienstformen. Dabei gelingt es den Verfassern die räumliche Spiritualität der Kirche zu erhalten und den Ort – bei Bedarf in behutsamer Weise - mittels einer in den Boden der Kirche eingesenkten Hebebühne in eine Veranstaltungskirche zu verwandeln. Die höhenverstellbare Plattform ist sehr präzise positioniert, just unterhalb der Vierung, dem Kreuzungspunkt des Längsund Querschiffs des Kirchenraumes und dem damit „gefühlten“ Zentrum des Gebäudes. Die Positionierung und die Handhabung der Projektionsleinwand müsste in Bezug auf gute Sichtbezüge überprüft werden.
Die im Mittelschiff eingefügten sechs Stelen zur Unterbringung der Beleuchtung, der Projektionswand und der Raumabtrennungen sind überzeugend. Aus Sicht des Preisgerichts sind sie, wie auch die Hub-Bühne, in der weiteren Planung sensibel herauszuarbeiten, mit dem Ziel, eine „Verträglichkeit“ mit dem Kirchenraum zu erreichen und die technische Beherrschbarkeit möglichst einfach zu halten.
Der Entwurf eröffnet durch seine Flexibilität viele positive Aspekte und zum Teil noch gar nicht bedachte Nutzungsmöglichkeiten des Kirchenraumes. Er wird in Zukunft die Gemeinde in der Abwägung des großen Spektrums an unterschiedlichen „Bespielungen“ ihrer Kirche sehr fordern und vor neue Fragen stellen, die gemeinsam mit dem planenden Büro zu klären sind:
Ist für Gottesdienste ein neuer Altar auf der neuen Bühne erforderlich oder kann es bei der historischen Altarinsel bleiben?
Wenn die Bühne einen Altartisch erhält, wo findet dieser bei eingefahrener Bühne einen würdigen Ort?
Wo stehen die Prinzipalstücke?
Wo findet der gewünschte Andachtsbereich seinen Ort?
Welche Raumqualität entsteht zwischen der ausgefahrenen Bühne und der Altarinsel?
Die Ausbildung des Kirchencafé durch ein flexibles verschiebbares Mobiliar wird begrüßt. Der Nachweis der Praktikabilität dieser Mobilität, beispielsweise bei notwendigen Wasser- und Abwasseranschlüssen, wäre noch zu erbringen. Die Möglichkeit des räumlichen Abschlusses des Kirchencafés zum Kirchenraum sollte mit der Gemeinde ebenso diskutiert und auf eine Realisierbarkeit geprüft werden.
Insgesamt eröffnet dieser Entwurf eine großartige Perspektive für das zukünftige Gemeindeleben. Die Umsetzung wird eine präzise Detailarbeit erfordern, die dem Anspruch des Denkmals, der Flexibilität und der Spiritualität des Raumes gleichermaßen gerecht wird.