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Nichtoffener, anonymer Ideenwettbewerb | 01/2019

Umbau der Katholischen Kirche St. Ulrich in Stuttgart

Engere Wahl

Dollmann + Partner Freie Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Das Kirchengebäude St. Ulrich erfährt eine umfassende Neuordnung.
Kirchenraum, Pfarrbüro, Gemeinderäume und Kindertagesstätte werden umfänglich in den bestehenden Kirchenraum eingebaut.

Das Zusammenrücken und Verdichten der Nutzungen im ehemaligen Kirchenraum belebt und erneuert die Aktivitäten in der Gemeinde. Mit dem Zusammenwirken der Veranstaltungen öffnet sich die Kirche und schafft im Alltäglichen Berührungspunkte.

Hierbei bildet ein Marktplatz im Inneren des Gebäudes das Bindeglied der Nutzungen und stellt eine multifunktionale Erweiterungsfläche für Veranstaltungen der Kirche und Gemeinde, z.B. Weihnachtsmarkt, Basar etc. bereit.

Dieser zentrale Eingangsbereich „Marktplatz“ erstreckt sich in Nordsüdrichtung auf gesamte Gebäudetiefe und Gebäudehöhe und bildet mit den gegenüberliegenden Gebäudezugängen eine Fußwegspange durch das Gebäude. Dabei greift die Fußwegspange die fußläufigen Beziehungen aus der umgebenden Gemeinde auf.

Kirchenraum, Gemeinderäume und Kita sind über eigenständige Eingangsbereiche / Foyers erschlossen und stellen abgeschlossene Einheiten dar; jeweils zugänglich aus dem zentralen Eingangsbereich, dem „Marktplatz“.
Ein zentrales Oberlicht sorgt für die natürliche Belichtung des Eingangsbereiches und der angesiedelten neuen Nutzungen.

Die neuen Nutzungen wurden als zwei- und dreigeschossige Raum im Raum-Installation konzipiert und eingebaut. Mit diesem Konzept gehen die neuen eingebauten Volumen auf Distanz zur bestehenden Gebäudehülle. Diese Distanz macht das räumliche Zusammenspiel des ursprünglichen Kirchenraumes begreifbar. Physikalisch notwendige raumabschließende Bauteile zur Umfassungshülle sind mit großflächigen Verglasungen konzipiert.

Auf der Ebene e0 ist der Marktplatz, der Kirchenraum, die angesiedelten Foyers zur Kita und den Gemeinderäumen, der Gemeindesaal und Mehrzweckraum der Kita, als räumlich zusammenhängende Basisfläche erlebbar und lässt sich über mobile Trennwände gemeinsam nutzen. Die am Marktplatz gelegene Küche der Gemeinderäume, kann bei Bedarf eine zentrale Versorgung bei festlichen Anlässen übernehmen.

Auf Ebene e1 sind um den mehrgeschossigen Luftraum des Marktplatzes die Amtsräume, der Jugendraum, die Sakristei mit Empore der Kirche und die Räume der Kita für die 0-3 Jährigen angesiedelt. Die Sakristei ist über eine Wendeltreppe mit dem Kirchenraum verbunden. Eine Brücke durch den Luftraum des Marktplatzes vernetzt die Kita mit der Kirche, Amts- und den Gemeinderäumen.

Auf Ebene e2 sind um den mehrgeschossigen Luftraum des Marktplatzes die Räume der Kita für die 3-6-Jährigen angesiedelt. Eine Brücke durch den Luftraum des Marktplatzes erschließt Indoor-Spielflächen und vernetzt auch hier die Kita mit der Kirche, Amts- und den Gemeinderäumen. Auf dieser Ebene ist über großflächige Verglasungen das räumliche Zusammenspiel des neuen Kirchenraumes, der Gemeinderäume und der Gesamthülle erlebbar. Der Liturgie-Bereich für Kinder wurde an der Nahtstelle zwischen Kita und Kirchenraum angesiedelt.

Die Eingriffe in die Fassade des Kirchengebäudes reduzieren sich neben dem neuen Oberlicht, über dem mehrgeschossigen Luftraum des inneren Marktplatzes, auf großflächige Verglasungen auf Basisebene. Diese Verglasungen auf Basisebene stellen den Bezug und die Verbindung zu den Freibereichen für die Gemeinderäume und Kita her. Die Kirchenfassaden Südwest und Nordwest erhalten ab Ebene e1 eine Perforation, eine Komposition aus Maueröffnungen. Das Raum-im-Raum-Prinzip und der damit auf Distanz zur Außenfassade gehaltenen Innenverglasung der Gruppenräume, ermöglicht hier nun eine von der Nutzung losgelöste Komposition. „Vogelnester“ durchbrechen die Fuge zwischen Kita und der Außenwand Kirche und stellen den Außenbezug her.
Die bestehenden Oberlichter entlang der Außenfassade bleiben umfänglich erhalten und wirken mit ihrer Lichtführung bis auf die Basisfläche.

Das Gebäude ist barrierefrei erschlossen.
Die Entfluchtung des Gebäudes ist über das Zusammenspiel der drei zur Verfügung stehenden Treppen gewährleistet.

Die Einbauten unterliegen keinen Anforderungen der thermischen Bauphysik. Die Materialität ermöglicht hier eine einfach monolithische Bauweise aus Sichtbeton an Wänden, Decken und Böden. Die Fassaden der Einbauten sind als Glasfassaden konzipiert. Die Verglasungen erfolgen als Stahlverglasungen aus klarem und transluzentem Glas. Die Kita erhält einen auf der Rohdecke verlegten Belag
aus Gummigranulat. Raumakustische Maßnahmen sind als eine vom Bauwerk unabhängige Installation konzipiert. Das Farbkonzept für die Einbauten sieht eine monochrome Gestaltung der Oberflächen in Grau vor.

Das Entwurfskonzept integriert die Funktionsbereiche Pfarrbüro, Gemeindehaus und Kindertagesstätte innerhalb der Kubatur des Kirchengebäudes, dessen Außenseiten die thermische Hülle darstellen. Die Heizwärmeversorgung erfolgt über ein hocheffizientes bivalentes Heizsystem, mit Einbindung regenerativer Systeme, in Form eines Wärmepumpen-Heizsystems mit Wärmequelle Geothermie. Die innenliegenden Funktionsbereiche erhalten eine kontrollierte mechanische Belüftung, mit Überströmung und Luftverbund zum zentralen mehrgeschossigen Eingangsbereich.

Die individuelle Belüftung und Temperierung der Räume bei Nutzungsbetrieb, erfolgt durch Volumenstromregler und Nachheizregister mit Einzelraumregelung und Bauteilaktivierung der Decken / Böden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf sieht eine konsequente Nutzung des vorhandenen Gebäudevolumens für das Raumprogramm vor und verzichtet auf jegliche bauliche Erweiterungen. Unter der Leitidee eines Marktplatzes organisieren die
Verfasser die Funktionen der Kirchengemeinde und der Kindertagesstätte kompakt um eine zentrale Halle, die mittig im Kirchengebäude von Norden nach Süden verläuft. Die Erschließung der Funktionsbereiche erfolgt über den neuen zentralen Raum.

Gemeindehaus
Der Kirchenraum wurde intuitiv an der richtiger Position platziert und nimmt die künstlerische und architektonische Qualität (Turm Betonglasfenster) auf. Liturgisch praktisch erscheint jedoch die Verengung des Altarbereiches an die engste Stelle vor der Marienkapelle problematisch, weil dadurch beispielsweise die Platzierung der liturgischen Orte ebenso wie verschiedene Feierformen (z.B. Konzelebration oder eine
Versammlung um den Altar) erschwert wird. Die Anordnung sämtlicher Gemeindenebenräume in einem Untergeschoss muss überprüft werden.
Der vorgeschlagene Indoorspielplatz auf den Volumen der Gemeinderäume wird hinsichtlich der Nutzbarkeit kritisch bewertet und erscheint hinsichtlich der Trennung der Funktionsbereiche eher inkonsequent.

Kindertagesstätte
Die Kindertagesstätte ist über drei Geschossebenen organisiert und schmiegt sich mit einer deutlichen Fuge an die bestehenden Außenwände der Westfassade. Über zwei an den Kopfenden angeordnete Treppenhäuser und den entlang des Markplatzes verlaufenden Flurbereich werden die Kita-Räume erschlossen. Diese einhüftige Zonierung führt zwangsläufig zu sehr tiefen Raumproportionen, die hinsichtlich der natürlichen Belichtung kritisch bewertet werden. Hier können auch die vorgeschlagenen Erkerbauten („Vogelnester“) nicht restlos überzeugen.
Funktional liegen die Räume des Ü3-Bereiches zu weit von zentralen Funktionen wie Mehrzweckraum und Essbereich entfernt. Ebenso wird im Erdgeschoss ein Sanitärbereich für Kinder für zwingend notwendig gehalten und die offene Anordnung des Kinderwagenabstellbereichs direkt beim Haupteingang als wenig attraktivbewertet.
Der Entwurf beeindruckt durch die Interpretation als ein offenes und lebendiges Haus der Gemeinde, bei dem Begegnungen bewusst erzielt werden. Der Umgang mit der Substanz, das Erlebbarmachen der Raumhülle beeindruckt und bietet in der Darstellung hohe Qualitäten. Ob diese Qualitäten jedoch auch in einer Konkretisierung an die weiteren Rahmenbedingungen so fortgeführt werden können, bleibt offen.