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Mehrfachbeauftragung | 09/2020

Gestaltung Begräbniskirche St. Michael in Frankfurt am Main

Gewinner

Meixner Schlüter Wendt Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Unser Entwurf schreibt das wunderbare Ensemble der denkmalgeschützten Kirche Sankt Michael fort. Das minimalistisch puristische Innere, der lichterfüllte hohe Raum, der nach Willen seines Erbauers Rudolf Schwarz an eine Schlucht erinnern soll, bleibt erhalten. Mit dem Aufgreifen eines weiteren Schwarz’schen Motives, des offenen Ringes, wird der Raumeindruck des Ensembles intensiviert. St. Michael erhält eine maßstabsgerechte Ergänzung, die Vorplatz, ehemalige Pfarrkirche und den zwischen ihr sowie dem Oratorium liegenden Garten zu einem neuen Ganzen zusammenfügt. Einem nachvollziehbaren Ganzen, das der neuen Bestimmung als Begräbniskirche entspricht. Die Communio von Lebenden und Toten erhält einen prägnanten Ort, der bereits im Außenraum sichtbar wird und als Sonderform im blockrandgeprägten Umfeld eine einladende Wirkung erzielt.

Der offene Ring öffnet sich nach Schwarz dem Unendlichen. Die Öffnung stellt ein Schwelle vom Weltlichen zum Ewigen, zwischen Diesseits und Jenseits dar. Diese Figur erschien uns geeignet für die zylinderförmigen Raumkörper, in denen die Urnengräber untergebracht werden. Die 2,50 Meter hohen, unterschiedlich weiten Zylinderfragmente sind entlang der von Taufstein und Altar bestimmten Längsachse austariert und im Sinne eines ausgewogenen Gleichgewichts spielerisch angeordnet. Es entstehen unterschiedlichste Raumkonfigurationen, eine jeweils individuelle Stellung zu der Ausrichtung der Kirche und zum einfallenden Licht. Jeder Zylinder und entsprechend jede Grabstätte erhält eine Identität. Es entstehen Rückzugsorte, die einerseits Geborgenheit ermöglichen, andererseits stets Blickbeziehungen und Verbindungen zum Kirchenraum haben. Dabei scheinen die gebogenen Raumkörper die Trauernden schützend zu umarmen – einmal mehr ein Schwarz’sches Motiv.

Mit der neuen Begräbniskirche wird auch der Übergang des öffentlichen Vorplatzes in den Kirchenraum und in den Garten spürbar. Die Figur von Kreis und Zylinder wird in die Außenräume weitergetragen. Für den Vorplatz werden daraus Sitzbereiche entwickelt, der Garten könnte mit Raumelementen für Urnengräber und Sitzbereichen zum Trauergarten aktiviert werden. Vorplatz und Kirchgarten sollen für soziale Interaktion erschlossen werden. So erhält St. Michael etwa 70 Jahre nach dem Bau der damals innovativen Kirche eine neue Bestimmung. Die dafür konzipierten Raumkörper greifen Motive des Erbauers der Kirche auf und geben der Begräbniskirche einen eigenständigen Charakter, der das Alte als Lebendiges bewahrt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf hebt sich eindeutig von den anderen ab, weil nur er den Außenraum mit einbezieht und dadurch eine einladende Geste und eine positive Wirkung ins Stadtbild erzielt wird. Der Besucher erkennt bereits im Außenraum das prägnante Konzept, welches sich konsequent im Innenraum fortsetzt. Lob erhält der Entwurf aufgrund des gelungenen Umgangs mit der Aufgabenstellung, sowie seiner Erscheinung als Bild moderner Trauerarbeit.
Das Gremium hält die Ausführung von zwei unterschiedlichen Urnenwänden für überflüssig und stellt die Ausführung und Anordnung der Sitzgelegenheiten entlang der Innenseite der Urnenwände in Frage. Die Materialwahl der Urnenwände im Kirchenraum wird kritisch betrachtet, der Nachweis, Sperrholz als würdevolles Material zu gestalten, ist zu erbringen.
Insgesamt überzeugt der Entwurf durch seine mutige charaktervolle Eigenständigkeit, die gleichzeitig respektvoll mit Raum und Bestand umgeht.