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Nichtoffener Wettbewerb | 12/2019

Sanierung und Neubau eines Ausbildungszentrums für das Handwerk in Saarbrücken

ein 3. Preis

Hepp + Zenner

Architektur

Erläuterungstext

Städtebauliche Strategie
Um eine optimale städtebauliche Einbindung und eine kompakte Baumaßnahme, im angestrebten Baufenster, zu gewährleisten, werden die Programmflächen des Kompetenzzentrums ausschließlich in einem Neubau Ecke Roonstraße / Hohenzollernstraße konzentriert. Nach Fertigstellung kann die südlich der Hohenzollernstraße befindliche heterogene Bausubstanz aufgegeben werden – zweite Entwicklungsphase bis 2025.

Der Neubau mit seinem liegenden Hauptbaukörper nimmt sich in seiner Höhenentwicklung respektvoll gegenüber dem benachbarten, denkmalgeschützten Pingussongebäude zurück, fokussiert sich mit seiner vertikalen Betonung deutlich zur Roonstraße/ Überfahrt zur Westspange und setzt hier ein signifikantes städtebauliches Ausrufezeichen.

Neben den bereits in der Auslobung vorgegebenen disponiblen Bestandsgebäuden der HWK wird auf das Einbinden der ebenfalls stark sanierungsbedürftigen Gebäude der Hauptverwaltung und GTZ, zugunsten einer grundlegenden neuen durchgehenden Gestaltung, des jetzigen HWK-Areals verzichtet. Inwieweit die vorhandene Bausubstanz des 7-geschossigen Gebäudes 1 / GTZ am gleichen Standort Verwendung finden kann - ggf. auch ein Teilrückbau der oberen Geschosse sinnvoll ist - bedarf einer fundierten Überprüfung, die erst im weiteren Verlauf der konkreten Realisierungsplanung möglich ist.

Stattdessen formuliert das entwickelte städtebauliche Konzept einen neuen Blockrand mit zurückgesetzter Raumkante gegenüber dem neuen Bildungszentrum und Übernahme der vorhandenen 5-geschossigen Bauweise sowie Gebäudeflucht im Verlauf der Roonstraße.

Es entsteht eine großzügiger öffentlicher Raum im direkten Dialog der vis-a-vis angeordneten Neubauten mit spannungsvollem, urbanem Campus-Charakter. Die besonderen Freiraumqualitäten gehen mit einer niveaugleichen Straßenraumgestaltung mit Pflanzinsel, Sitzangeboten und Wasserflächen einher.

In einem Teilbereich dieser Ergänzungsbebauung zur Hohenzollernstraße orientiert wird die Hauptverwaltung mit ca. 1.400 m² NF ihren neuen Platz finden.

Die Anordnung des kompletten Raumprogramms in einem zusammenhängenden Gebäudekomplex innerhalb des ausgewiesenen Baufeldes im Park gewährleistet den gewohnten Ausbildungsbetrieb in den jetzigen Räumlichkeiten südlich der Hohenzollernstraße bis zum Zeitpunkt der Fertigstellung des neuen Bildungszentrums, unter Beachtung von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.

Die Lage des Bildungszentrums am Park bzw. Hohenzollernstraße erzeugt die gewünschte Offenheit und verkörpert einen integrierten und lebendigen Lernort, gleichzeitig bietet die direkte Zugänglichkeit zur benachbarten Grünanlage die Aufenthaltsqualitäten, die ein attraktives lernförderliches Umfeld ausmachen.

Um der gehobenen Gesamtpräsentation des Bildungszentrums gerecht zu werden, wird eine 1-geschossige Tiefgarage konzipiert, die die erforderlichen 100 Pkw-Stellplätze aufnimmt. Die nachzuweisenden 100 Fahrrad-Stellplätze werden unmittelbar am Haupteingang platziert.

Architektonische Haltung
Der Neubau der HWK gliedert sich in eine 3-geschossige Baukörperbasis, die die Größe des Baufeldes komplett nutzt, und sich an den Höhen der Hofanlage des Pingusson-Baues orientiert, und in einen 5-geschossigen exponierten Aufbau, der sich in seiner Höhe wiederum an der Hochhausscheibe des benachbarten Baudenkmals ausrichtet.


Die Charakteristik der drei Sockelgeschosse mit den Werkstätten der praktischen Ausbildung sind gekennzeichnet durch großflächige Lochfassaden, die den gewünschten Ein- und Ausblick unterstützen.
Demgegenüber sind die theoretischen Schulungsbereiche in den Obergeschossen mit weitgehend verglaster Außenhülle untergebracht.

Die hohe Transparenz des kompakten Gebäudeturms formuliert einen modernen weithin sichtbaren „Brückenkopf“ in Höhe der Westspange, der gerade in den Abendstunden als hinterleuchteter Baukörper markant in Erscheinung tritt.

Besonderen Stellenwert kommt der vierten Etage zu, dort befindet sich die große Bibliothek. Von hier aus gelangt man zur weitläufig begrünten Dachterrasse, die Besuchern, Personal und Auszubildenden zur Verfügung steht.

Funktionsschema und Gebäudeorganisation
Die Gebäudestruktur ist in einen praktischen Schulungsbereich auf den ersten drei großflächigen Ebenen und einen theoretischen Schulungsbereich in den fünf weiteren Obergeschossen ablesbar gegliedert. Im Basisgeschoss befindet sich die Metall-/Kunststoffwerkstatt mit östlich gelegener Ver- und Entsorgung. Das 1. Obergeschoss nimmt den Elektro- und Informationsfachbereich auf. Hier ist auch die gemeinsame Umkleidezone angeordnet. Über dem Foyer wird im 1.OG der Multifunktionsraum, sowie die Bildungsberatung angeboten.
Im 2. Obergeschoss finden sich die Übungsräume des FB Bäcker / Konditor in direkter nachbarschaftlicher Lage zur Kantine sowie FB Friseur / Kosmetik und FB Augenoptik.

Im 3. und 4. Obergeschoss befinden sich die Schulungsräume des GTZ. Im 5., 6. und 7. OG sind die publikumsfrequentierten Sonderräume der AdH in zentraler Gebäudelage mit direkter Foyeranbindung angeordnet. In der 8. Etage befindet sich Bildungsverwaltung.
Das Gebäude verfügt über einen großzügigen überdachten Zugangsbereich mit offener Foyerzone mit Ausstellungsflächen. Die Nutzungsbereiche und Fluchtwege sind mit entsprechend angeordneten abgeschlossenen Treppenhäusern erreichbar. Der mehrgeschossige zentrale Gebäudeteil ist zusätzlich mit einem Sicherheitstreppenhaus ausgestattet.

Die voraussichtlich für das Gebäude erforderlichen Technikflächen sind in UG und DG (Lüftungseinheit) berücksichtigt.
Die Schulungsbereiche verfügen jeweils über nahegelegene Aufenthaltsflächen, die auch zu Ausstellungszwecken genutzt werden können.

Konstruktion, Materialien und energetische Aspekte
Neben einer STB-Massivbauweise und weißer Wanne für die Tiefgarage wird eine Außenfassade mit dunkel eingefärbten Betonwerksteinelementen vorgeschlagen. Die Turmfassade erhält eine zweischalige, bodenstehende Ganzglasfassade mit integriertem Sonnen- und Blendschutz. Die Dachfläche im 3. OG wird mit einer intensiven Dachbegrünung im Kernbereich ausgestattet und kann damit den Eingriff in die historische Parkanlage teilweise kompensieren.
Teilkomponenten zur Gebäudetechnik sind dem Systemschnitt M. 1:50 mit entsprechenden fachlichen Erläuterungen, z.B. Winter-/Sommer-Betrieb zu entnehmen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf für den Neu- und Umbau der HWK Saarland in Saarbrücken, besticht durch seine klare Volumenverteilung im städtischen Raum. Die in ihrer Höhenentwicklung differenzierte, plastische Volumetrie des Baukörpers mit dem Hochpunkt an der Ecke Roonstraße / Hohenzollernstraße schafft ein stimmiges Gebäudeensemble. Es bildet den nördlichen Abschluss der städtebaulichen Entwicklung der HWK und fügt sich gut, in Körung und Maßstab in die Umgebung ein und schafft so einen reizvollen Dialog zwischen Alt und Neu, also zwischen Pingusson-Bau und Bildungszentrum. Der neu geschaffene Vorplatz an der Hohenzollernstraße verbindet auf gelungene Art und Weise das Bildungszentrum mit dem gegenüberliegenden, überarbeiteten Bestand der zweiten Entwicklungsphase im Süden.
Vom „Campus“-Platz aus gelangt man in das funktional gut gelegene Foyer des Bildungszentrums. Dieses verknüpft die gewünschten internen Funktionsbereiche miteinander. Die Wege sind kurz und übersichtlich. Die Metallwerkstatt mit der Kunststoffbearbeitung befindet sich richtigerweise im Erdgeschoß. Alle weiteren Werkstattbereiche und die Kantine befinden sich in den beiden Obergeschossen des „Sockelbaus“. Diese räumliche Verteilung ermöglicht eine Vielzahl an funktionalen Synergien.
Eine freie, einläufige Treppe erschließt auf direktem Weg die beiden Obergeschosse des Sockelbaus. Dadurch werden die Lern- und Werkstattbereiche räumlich reizvoll miteinander verknüpft. Gut erreichbare Fluchttreppenhäuser sorgen für eine ausreichende Entfluchtung, wenngleich die Fluchtweglängen überprüft werden müssten. Durch die Staffelung der Baumasse wird die Bibliothek und der Bereich der Theorie GTZ im 3.OG direkt an eine Dachterrassen angebunden, was die Aufenthaltsqualitäten für diese Nutzungen deutlich steigert. Alle weiteren Lern- und Lehrbereiche werden im Turm bis zum 8.Obergeschoß kompakt gestapelt. Die notwendige Infrastruktur im Turm erscheint ausreichend und ist durch ihre zentrale Lage übersichtlich organisiert.
Die konstruktive Lösung und die Materialität der Innenräume erscheinen angemessen, wenn gleich die Ausbildung der Konstruktion sehr zurückhaltend bearbeitet wurde. Die klare, ruhige Fassadengliederung ist konsequent aus den Innenräumen abgeleitet und der hohe Verglasungsanteil lässt eine optimale Tageslichtversorgung der Funktionsbereiche zu. Trotz außenliegender Sonnenschutzlamellen wirft der hohe Glasanteil auch Fragen auf, besonders in Bezug auf den sommerlichen Wärmeschutz. Die plastisch-räumliche Ausbildung der Fassaden weiß allerdings nicht in allen Bereichen zu überzeugen. So wirkt die Fügung des Turms auf dem Sockelbaukörper im Modell überzeugender (Fugenausbildung) als in den Zeichnungen dargestellt. Auch die Ausbildung einer Ganzglas-Doppelfassade im Bereich des Turms erscheint wirtschaftlich aufwendig und wird kritisch hinterfragt. Gleichzeitig ist die großzügige Fensterfläche zu den frequentierten Straßenräumen im Erdgeschoß (Westspange / Hohenzollernstraße) im Sinne des Marketing für das Handwerk zu begrüßen. Sie erlaubt einen Einblick in die modernen Werkstätten des Handwerks. Dieses „Schaufenster des Handwerks“ macht neugierig und nutzt der Fachkräftegewinnung.
Ein ganzheitliches Energiekonzept liegt nicht vor. Im Bereich des Brandschutzes sind die notwendigen Brandabschnitte noch nicht eindeutig erkennbar. Besonders im Bereich der geschoßübergreifenden Lufträume bleiben Fragen.
Der Entwurf bewegt sich in einem sehr wirtschaftlichen Bereich, wenn man seine Kenndaten betrachtet. Sowohl die Kubatur, als auch die notwendigen Hüllflächen sind reduziert, ohne dabei räumlich, gestalterische Qualitäten opfern zu müssen.
Es handelt sich hier um eine insgesamt gute Arbeit mit gelungenen innen- und außen-räumlichen Qualitäten. Besonders überzeugend wirkt die Bündelung der Werkstätten, Seminarräume und der Bildungsverwaltung auf dem nördlichen Grundstücksteil. Zudem erscheint die baukörperlich- räumliche Gliederung in zwei Bauteile (Sockel / Turm) und deren Wechselwirkung mit dem städtebaulichen Umfeld gelungen. Dieses Zusammenspiel stärkt und steigert die zukünftige Bedeutung des Ortes.