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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2021

Schulraumentwicklung in Bürglen (CH)

QUADRIGA

2. Rang

Preisgeld: 28.000 CHF

Dahinden Heim Partner Architekten AG

Architektur

ryffel + ryffel Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Situation - Städtebau
Die Baukörper mit schulischer Nutzung (Zyklus 1 bis 3) werden mit dem bestehenden Schulhaus Süd (Zyklus 3) zu einer windmühleartigen Gebäudekonstellation gruppiert. Während diese Gruppierung in einer grossräumigeren Betrachtungsweise innerhalb des gesamten Campus zu weitgehend überzeugenden Aussenräumen, Zonierungen und Durchwegungen führt und auch die Anschlüsse im Grenzbereich des Areals selbstverständlich zu lösen vermag, liegt eine gewisse Ironie darin, dass die beiden zentralen Elemente – das innere „Forum“ und die dieses erschliessende Promenade – nicht restlos zu überzeugen vermögen. Der zentrale Hof zwischen den vier Gebäudekörper wird von den Verfassenden „Forum“ genannt und verweist damit, ähnlich wie auch das Kennwort Quadriga, auf die antiken Ursprünge der architektonischen Motive. Im römischen Städtebau stand der Begriff „Forum“ für das soziale, politische und ökonomische Zentrum der Stadt – in der Schulanlage Bürglen jedoch vermisst ein solches Zentrum eine Berechtigung im schulischen Alltag. Weder erzeugt der Betrieb an dieser Stelle eine entsprechende Öffentlichkeit, noch benötigen die unterschiedlichen Schulzyklen, die hier zusammentreffen, einen gemeinsamen, fast urbanen Platz. Vielmehr noch ist ein so enges Zusammenbinden der unterschiedlichen Zyklen betrieblich nicht erwünscht und müsste aufwändig mit einer zweiten Erschliessungssystematik so ergänzt werden, dass die Schülerinnen und Schüler der unterschiedlichen Zyklen getrennt in die jeweiligen Schulbauten gelangen könnten. So verbleibt die Geste in einer vagen, lediglich für externe Besuchende hilfreiche Orientierungshilfe und dient fast nur noch als wettergeschützte Verbindung zwischen den einzelnen Bauten. Auch die etwas unentschlossen wirkende Bepflanzung mit den Birken, die den Platz bestehen, trägt wenig dazu bei, dass dieser Ort zu einem zentralen Element des Schulalltags werden könnte. 

Die Promenade, die an einem gut gesetzten Punkt die neue Anlage an die Friedhofstrasse anbindet, führt zwar direkt und zielführend zum Forum, in ihrer Ausbildung als gassenartigen Begegnungsraum, der etwas zufällig in der Mitte des Schulareals endet, dürfte sie aber eher gewöhnliche Erschliessung denn Einladung zum Flanieren bleiben. Auch hier wird eine betrieblich unerwünschte Konzentration der unterschiedlichen Zyklen an einem Ort befürchtet. Die ortsbaulichen Stärken des Projektes finden sich aber, unabhängig von den oben genannten Schwerpunkten, in den gleichermassen gut brauchbaren, wohlproportionierten Aussenräumen, die von und zwischen den Gebäuden gebildet werden. Jeder einzelne der ortsbaulichen Massnahmen vermag in dieser Hinsicht zu überzeugen: Der neue, periphere Eingang zur Anlage ebenso wie der angrenzende Schulgarten mit dem Biotop, die Spielwiese ebenso wie der nördliche Spielgarten vor dem Schulhaus Zeltli und der Aussenraum des Zyklus 1 - bis hin zu den geforderten Parkplätzen, sind alle Aussenräume gut brauchbar, sinnfällig und ökonomisch angeordnet. Ebenso selbstverständlich und unaufgeregt gelingt die Anbindung der neuen Anlage an die Aussengrenzen des Areals und die bestehenden Bauten. Eine unnötig grosse Geste gegenüber dem Schloss-Ensemble (Begriff vereinheitlichen) wird ebenso vermieden wie Beeinträchtigungen der benachbarten Wohnbauten. Die Abstufung der Anlage zur Strasse und zum Schloss ist fein und selbstverständlich. Auch die respektvolle Distanz zur denkmalgeschützten Turnhalle überzeugen. Damit werden auch, wie Nebenbei und ohne übertriebene Gesten, die Ansprüche der Denkmalpflege erfüllt. Einzig das Schulhaus Zeltli wirkt – als direkte Folge der Konzentration der Baumassen um das Forum – etwas abgehängt – hier verkehrt sich die gewünschte Wirkung des Forums in ihr Gegenteil. Die Strategie der schrittweisen Entwicklung der Anlage ist pragmatisch. Die Anlage vermag jedoch nicht in jedem Ausbauschritt zu überzeugen und das zentrale Forum würde erst in ferner Zeit entstehen. Betrieblich und bezüglich Lebenszyklus vorteilhaft ist die vorgeschlagene Erweiterung des Zyklus 3, die weitgehend ohne Eingriffe in das bestehende Schulhaus auskommt.

Aussenraum
Die Quadriga wird von der Friedhofstrasse durch ein orthogonales Wegenetz erschlossen. In einem inneren Kreuz zusammengeschlossen dient als Zentrum ein Forum als Begegnungsraum und Schaltstelle der Wege in die Anlage. Das orthogonale Wegenetz sortiert und gruppiert auf pragmatische Weise das Freiraumangebot um das neue Viergespann: Den Aussenraum für den Kindergarten und ein Schulgarten im Westen, die Parkfelder im Süden, die bestehende Spielwiese im Osten und einen durchgrünten Aussenraum im Norden. Die durchgrünten nördlichen Freiräume dienen der Nutzung des ersten und zweiten Zyklus. Für den ersten Zyklus wird zwischen dem Steinhaus und dem Neubau Zyklus 1 ein attraktiver und vom übrigen Schulbetrieb geschützter Aussenraum für den Zyklus 1 angelegt. Der grosse Grünraum, vom Pausenplatz ‘Nord’ und ‘Ost’ flankiert und organisch durchwegt, wird vom ersten und zweiten Zyklus gemeinsam genutzt. Hier findet sich eine attraktives und vielfältiges Spielangebot im Grünen, auch die Aufwertung des Pausenplatz Ost wird begrüsst, dass durch Neuordnung der Parkfelder der Pausenbereich von diesen entflochten werden kann. Rund um den dritten Zyklus benötigt das starre System der orthogonalen Wegeführung leider viel Fläche und zerstückelt die Grünbereiche im Süden und um den Parkplatz in unattraktive Restflächen. Einer der beiden Parkplätze ist zudem gefangen, auch die aufgeweiteten dreieckigen Arealeintritte mit Velostellplätzen werfen gestalterische Fragen auf. Anstelle des Schulgartens würden wohl eher attraktive Aufenthaltsbereiche für den dritten Zyklus erstellt.

Zyklen - Betrieb
Die Organisation der eng beieinanderstehenden Bauten ist folgerichtig. Erschliessung und Nebenräume sind offenbar mit dem Ziel angeordnet, dass durch die Nähe im Bereich des Forums keine Beeinträchtigung des Schulunterrichts entstehen. Als direkte Folge davon wirken die Zugangsbereich zum Forum abweisend, es fehlt an Einsicht und Transparenz. Hier wäre mehr Mut möglich und nötig gewesen – etwa mit der Positionierung der Lehrpersonenzimmers oder eher öffentlichen Nutzungen im Bereich des Forums. Für die direkte, gedeckte Verbindung ist die Nähe der Bauten im Schulalltag wiederum positiv zu beurteilen. Dies relativiert die oben geäusserte Kritik an der Geste des Forums zumindest in betrieblicher Hinsicht. Folgerichtig und schlüssig ist die Anordnung der Verwaltung und vor allem jene des grossen Saals in der Nähe des Forums. Als direkte, nachteilige Folge dieses zentralen Ausgangspunktes der Gebäudeorganisation mit den dort angegliederten Erschliessungsbereichen entsteht eine lineare Organisation der Funktionen innerhalb der Baukörper, die wenig Spielraum für Weiterentwicklungen, Adaptionen und Uminterpretationen erlaubt. Die pragmatischen, vorgeschlagenen Grundrisse, wie etwa die Einheiten Zyklus 1 sind zwar tauglich, aber mit ihrer Organisation und dem schmalen Korridor auch etwas gar konventionell und entsprechen so nicht dem Leitbild und den Unterrichtsformen der Schule. So sind etwa die vorgeschlagenen Einheiten Zyklus 1 zwar tauglich, aber mit ihrer Organisation und dem schmalen Korridor auch etwas gar konventionell und entsprechen so nicht dem Leitbild und den Unterrichtsformen der Schule. Positiv wird beurteilt, dass viele Anforderungen der Schule aufgenommen und erfüllt wurden – etwa die Lernkojen, die in die Lernlandschaft des Zyklus 3 integriert wurden. Selten jedoch gelingt eine architektonisch-räumliche Konstellation, die dem progressiven pädagogischen Konzept der Schule Bürglen auch eine architektonische Entsprechung zu bilden vermag. Sehr schlüssig und klar organisiert sind die Turnhallen – sowohl in ihrer Etappierung als auch im Endausbau. Auch in architektonischer Hinsicht vermögen die Hallen in Volumetrie und Erscheinung zu überzeugen – hier zeigt sich eine so souveräne und gelassene Durchführung des gewählten architektonischen Themas. Diese betriebliche und architektonische Klarheit wird erkauft durch den Abbruch des bestehenden Untergeschosses mit entsprechenden Kostenfolgen. Die Belichtung der kleineren Halle über das stirnseitige Fensterband ist zwar nicht optimal, aber akzeptabel.

Ausdruck – Gestaltung – Konstruktion
Der direkten und pragmatisch Grundhaltung des Projektes entsprechend ist der architektonische Ausdruck der vorgeschlagenen Bauten und ihrer Konstruktion. Die vorgeschlagene Hybridkonstruktion aus Beton und Holz wie auch die vorgeschlagene Verkleidung aus Welleternit sind angemessen, gestalterisch und im Gebrauch solide und dauerhaft. Doch wie auch bei den Grundrissen wird hier an einigen Stellen die Grenze zur Trivialität gestreift. Ein etwas prägnanterer, raffinierterer oder auch ortstypischer Ausdruck könnte dem Projekt zuträglich sein. Während die Ensemblewirkung mit dem Schulhaus Süd und seiner frischen Architektursprache gut gelingt, entstehen wenig Bezüge zu den weiteren Bauten der Anlage oder zum Schloss oder Dorf. Etwas irritierend ist in diesem Zusammenhang die runde Öffnung in der Stirnfassade des Ersatzbaus Nord – mit einer zum restlichen Ausdruck wenig passenden und fast schon monumentalen Geste wird hier eine Nebentreppe inszeniert. Abgesehen davon ist die gezeigte Architektursprache ein sympathisches, gekonnt vorgeführtes Statement und eine gute Grundlage für die Entwicklung eines der Schulanlage Bürglen und einer heutigen Pädagogik angemessenen Ausdrucks.

Allgemeiner Eindruck
Interessanterweise vermag das Projekt entgegen seinem architekturgeschichtlichen Überbau durch seine ortsbauliche und architektonische Pragmatik, durch seine gebrauchstaugliche Unaufgeregtheit und seine Architektur der kleinen Gesten zu überzeugen. Es benötigt die Bezüge zum antiken Rom gar nicht – es kommt gut aus mit dem, was der ländliche Campus Bürglens zu bieten hat und zeigt einen denkbaren Weg auf, wie der Schulcampus auf eine zeitgemässe, angemessene und nachhaltige Weise in die Zukunft entwickelt werden könnte. Leider wiegen die Vorteile der Anlage die durch die streng umgesetzte Idee des Forums generierten Nachteile in ihrer Gesamtheit nicht auf. Die sorgfältige Abgabe mit ihren gut lesbaren und ohne Brimborium auskommenden Pläne entsprechen der gezeigten architektonischen Haltung in hohem Masse. Die Visualisierungen sind zwar vielleicht in ihrer verregneten Stimmung etwas ungeschickt, aber in ihrer alltäglichen Ehrlichkeit der Projekthaltung schön entsprechend.