modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Offener Wettbewerb | 02/2023

Erweiterungsbau Gymnasium Neufeld in Bern (CH)

1. Rang / 1. Preis

Preisgeld: 80.000 CHF

NOSU ARCHITEKTEN GMBH

Architektur

Ulaga Weiss AG

Tragwerksplanung

Blau und Gelb Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Bogenschütz AG

TGA-Fachplanung

HKG Engineering

Brandschutzplanung, TGA-Fachplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Kennwort ist Programm: als Gravitationszentrum wird der auf einem Plateau inszenierte Hauptbau von 1965 gelesen, mit engem räumlichem Bezug dazu der kleine, quadratische Baukörper der Aula und mit etwas loserem Bezug das ebenfalls quadratische Turnhallengebäude: ein Ensemble, das mit dem neu im Norden vorgeschlagenen Baukörper auf rechteckiger Grundfläche zu einem neuen kompositorischen Gleichgewicht findet.
Die Setzung des neuen Baukörpers – um 90º zum Hauptbau abgedreht – ist bestechend. Einerseits entsteht dadurch eine interessante Binnenspannung zwischen dem mächtigen Hauptbau des Unterrichtsgebäudes und dem über dem Sockel dreigeschossigen Neubau, andererseits eröffnen sich auch für den Freiraum neue Möglichkeiten. Das Plateau, auf dem der Hauptbau sitzt, wird in seiner Wirkung nicht nur beschnitten, sondern auch auf der Nordseite in Wert gesetzt durch den neu angebotenen, baumbestandenen, nicht unterbauten Pausenplatz auf der unteren Ebene, auf den sich – wie bei seinem Pendant auf der Südseite – gemeinschaftliche Nutzungen öffnen.
Beim neuen Pausenplatz wirkt das vorgeschlagene Muster aus verschiedenen Asphaltoberflächen jedoch aufgesetzt, wenn nicht sogar fremd. Die neue, abgestufte Einfassung der bestehenden Bäume entlang der Rampe wird räumlich verstanden, sollte aber den Wurzelbereich der Bäume nicht beeinträchtigen. Die Terrasse im Norden des Hauptbaus ist gut proportioniert, deren Möblierung scheint noch wenig elaboriert. Das Thema des Sonnenschutzes und der Hitze wird auch hier im Sommer ein Thema sein, welches wohl eher mit Vegetation in Behältnissen zu lösen wäre. Allgemein werden in der Freiraumgestaltung detailliertere Aussagen vermisst.
Die Schulanlage wird auf fast beiläufige, aber doch sehr wirksame Art an die Bremgartenstrasse angebunden. Das Schulhaus Neufeld Nord und die neuen Sporthallen erhalten direkte und attraktive Zugänge über den neu geschaffenen Pausenplatz Nord. Zur Bremgartenstrasse hin bilden die bestehende Baumreihe und ein breiter Streifen Wiesland mit einer Retentionsmulde einen wohltuenden Filter zur viel befahrenen Strasse. Entlang der westlichen Parzellengrenze verbindet ein durchgängiger Fuss- und Radweg den Süden des Areals mit der Bremgartenstrasse und bietet begleitend eine Vielzahl von Fahrradabstellplätzen und zwei direkte Nebenzugänge zur Schule an.
Der Neubau Nord ist kompakt und effizient organisiert. Punkto räumlichen Spektakels und wunderbar verschwenderischer Erschliessung lässt er dem Hauptbau von 1965, dem Gravitationszentrum des Ensembles, den Vortritt. Man mag dies bedauern, doch liegt die Qualität hier vielleicht eher in der Klarheit des Plans und in der Sparsamkeit der eingesetzten Mittel, ohne dass die Grundrisse aber deswegen beengt oder kleinlich wirken würden. Die Klassenzimmer sind gut proportioniert, die Korridore – wenn auch nur von zwei schmalen Lichthöfen mit Tageslicht versorgt, durchaus breit, und auch mit Schrankfronten versehen. Dank der guten räumlichen Voraussetzungen aller Klassenzimmer ist die Zuweisung zu einzelnen Fachgruppen flexibel. Dies wird auch von der Tragstruktur unterstützt, die einfach und klar aufgebaut und zweckmässig materialisiert ist.
Der Neubau besteht aus einer Leichtbaukonstruktion, die über im Grundriss gleich grossen, tief reichenden Untergeschossen liegt. Die Sockel-, Erd- und Obergeschosse bestehen aus Holz-BetonVerbunddecken auf Holzstützen, die um zwei stabilisierende Betonkerne herum organisiert sind. Über Erd- und Obergeschossen werden die Decken über den Klassenzimmern durch rechtwinklig zur Fassade gerichteten Balkenlagen getragen; über den Korridoren kommen dünnere Mehrschichtplatten zum Einsatz, um mehr Raum für Installationen zu erhalten. Über dem Sockelgeschoss liegen schlanke vorgespannte Beton-Primärträger und dazwischen über die kurze Spannweite reichende Mehrschichtplatten mit Überbeton. Damit wird, bei den hier gegebenen Bodenkoten, Konstruktionshöhe gespart. Ein kräftiger Trägerrost aus vorgespannten Betonträgern fängt die Lasten der oberen vier Geschosse über der Turnhalle ab. Folgerichtig werden die aussteifenden Kerne der Obergeschosse im Trägerrost durch präzise platzierte längs- und querlaufende Unterzüge stabilisiert – eine originelle und überzeugende Lösung.
Die Konzeption des Gebäudes verlangt eine Erschliessung der Steigzonen der oberen Kerne mit horizontalen Leitungen durch den Trägerrost hindurch, dies erscheint bei Platzierung der Aussparungen in den Bereichen geringer Querkraft in den Betonträgern als möglich. Noch nicht ausgereift erscheinen die schweren, aussen umlaufenden Gesimse, die durch die Wärmedämmung hindurch in die Verbunddecken befestigt werden müssen. Die Untergeschosse greifen tief in den Baugrund; die Ausführbarkeit ist dank der grossen Abstände zum Bestand gut möglich. Noch genauer zu untersuchen ist die Lage des Höchststands des Grundwassers, der etwas höher als die Bodenplatte liegen könnte, was entsprechende Massnahmen erfordert. Die künftige Aufstockung erfordert entsprechende Vorinvestitionen. Zwar sind die Abfangung und die tiefe Baugrube aufwendig, dies wird jedoch durch den kompakten Baukörper kompensiert, sodass das intelligent konzipierte Tragwerk im Gesamtvergleich wirtschaftlich gut abschneidet.
Einfach und klar, fast schon etwas schematisch, weil kaum gegliedert, sind auch die Fassaden gestaltet. Vom Hauptbau wird deren Materialisierung in Glas und Aluminium übernommen, was ökologisch nicht unbedenklich ist, umgekehrt aber die Einbindung des neuen Baus ins Ensemble wohltuend verstärkt. Man könnte sich fragen, ob eine etwas grössere als die minimale lichte Geschosshöhe und eine etwas differenziertere Fassadengestaltung das Verhältnis vom Neubau zum Bestandsbau bzw. vom Satelliten zum Gravitationszentrum nicht positiv beeinflussen würden.
Die Stärke des unaufgeregten Projekts liegt in der überzeugenden Setzung des neuen Baukörpers und der daraus resultierenden Klarheit in der Neuordnung der Schulanlage. Es ist recht sorgfältig durchgearbeitet und bleibt trotz – oder gerade wegen - der Stringenz des Konzepts gutmütig und flexibel. Ein grosser Mehrwert liegt beim erweiterten Aussenraumangebot und der vielfältigen Durchwegung. Und nicht zuletzt gelingt es den Projektverfassenden, das denkmalgeschützte Ensemble behutsam mit einem neuen Baustein zu einem stimmigen neuen Ganzen zu erweitern.